Hallo Homeoffice-Hype? : Liegt der Detail-Teufel schon auf der Lauer?
Viele Recruiter haben festgestellt, dass „New Work“ ein noch gar nicht so etablierter Begriff ist, wie es uns Presse, Social-Media-Threads und die Tagungswelt bereits glauben lassen wollen – vielen Beschäftigungssuchenden sagt diese zukunftsträchtige Wortschöpfung immer noch nichts.
Bezeichnungen und viel verwendete Begrifflichkeiten (er) schaffen die „schöne neue Arbeitswelt“ eben nicht ganz so schnell, durchdacht und effizient, wie es sich bereits beim Thema Homeoffice gezeigt hat und weiter zeigt. Wer schon an das funktionierende, stabile und nachhaltige „New Normal“ glaubt, sollte bei manchen nicht unwesentlichen Punkten genauer hinsehen.
Es klappt doch alles längst?
Gerade Mitarbeiter mit einer hohen Unternehmensbindung sind schneller mal bereit, temporäre Missstände hinzunehmen und außerordentliche Mehranforderungen auszugleichen, wenn es um das wirtschaftliche Gemeinwohl geht.
So arrangieren sie sich zu Pandemiezeiten mit widrigen Arbeitsbedingungen, ohne diese groß zu monieren, und halten Fleiß und Moral hoch. Aber wie wir wissen: Wer meckert, kriegt, und wer frech ist, siegt. Denn wenn es darum geht, etwas zu fordern, sind es nicht unbedingt (nur) die High Performer. So lange scheinbar alles geklappt hat, klang der erste Homeoffice-Hype auch gut. Ging man dann später ans Eingemachte, so konnte mancherorts leider aufgrund der Konjunktur von Kurzarbeitergeld nicht ganz ordentlich nachgebessert werden.
Nicht für alle war und wurde es so bequem, wie man es (sich) gern gefühlt allseits erzählt – für manche aber umso mehr. Low Performer, deren nicht erbrachte Leistungen bereits ins Ungesetzliche gehen, müssen allerdings nicht glauben, dass sie nun stets weiter völlig geschützt unter dem Radar des Datenschutzes allzu bequem „mitfliegen“ können – sie sollten gewarnt sein.
Zum einen darf die Kontrolle von erfassten Zeitdaten einen Betrug nachweisen, da dieser keinesfalls gedeckt werden muss.
Andererseits greift unter bestimmten Umständen die Verdachtskündigung als außerordentliches Kündigungsmittel, wenn die Tatbestände anderweitig möglichst weitreichend nachgewiesen werden können. Die ausgewogene Mitarbeiterzufriedenheit und eine gesunde und gerecht verteilte Gesamtperformance sollten stets – auch im Homeoffice – im Fokus bleiben, denn Recruiter und Headhunter haben sich hinsichtlich der latent und passiv Wechselwilligen bereits gezielt auf die Lauer gelegt.
Präsenz please?
In einigen Branchen wurden Belange und Bedenken mit den ersten Lockerungen schnell mit viel – und verordnetem – Optimismus weggewischt. „New Normal“ hieß da: Schnell wieder aus dem Homeoffice zurückkommen, (medizinische) Maske auf, Hände desinfizieren und lüften. Während der Gesetzgeber sogar über ein Recht auf Homeoffice nachdachte und dann lediglich eine gesetzliche Erörterungspflicht daraus machte, fragten sich ganze Wirtschaftszweige, welchen Ausgleich sie dann eigentlich dafür bekommen müssten. Schon der Pflegebonus hat gezeigt, dass es kaum umsetzbar war und ist, „alle“ als „gerecht“ gleichzustellen, wenn es um mögliche Nachteile der Pandemie geht.
Als Fazit lässt sich hier ziehen, wenn es um die Anwesenheit geht: Hauptsache, es sind alle irgendwie da, egal wo und wie – online oder (eben) in Präsenz. Am Ende bleibt tatsächlich der gemeinsame Nenner: Es muss „Corona-konform“ funktionieren! Dass das alles nicht ohne Folgen bleibt, zeigen der Streit über die Streichung der Lohnfortzahlung für nicht geimpfte Beschäftigte im Quarantänefall und die Debatten über die Auskunftspflicht bezüglich des Immunisierungsstatus. Was wird es für die bestehenden Homeoffice-Vereinbarungen bedeuten, sobald die 3G-Regelung für alle Arbeitsplätze auch in deutschen Unternehmen Einzug hält, wie es die europäischen Nachbarn bereits vormachen?
Zu Hause arbeiten – aber mit weniger Geld?
Das Thema Homeoffice-Hype zeigt auch: Zu früh freuen darf man sich (leider) nie. Durch die Corona-Krise haben viele Unternehmen ihre Mitarbeiter zunächst von sich aus ins Homeoffice geschickt – eine beidseitige Regelung wurde hier in den seltensten Fällen getroffen, sondern eine Anordnung erlassen. Der „Erfüllungsort“ ist grundsätzlich der Betriebssitz des Arbeitgebers und dort ist die tatsächliche Arbeitsleistung auch zu erbringen. Problematischer gestaltet sich die Bestimmung des Erfüllungsorts, wenn der Arbeitnehmer eben nicht dauerhaft im Betrieb, sondern vielmehr regelmäßig oder dauerhaft im Homeoffice arbeitet. Hierbei fallen Tätigkeitsort und Betriebssitz auseinander, dann ist aber in der Regel ein einheitlicher (gemeinsamer) Erfüllungsort zu bestimmen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.04.2004 – 3 AZR 301/03).
Im Herbst machte nun Google von sich reden, weil das Unternehmen im September 2021 an der vollen Bezahlung seiner Mitarbeiter bei standortabhängigen Vergütungspaketen rüttelte – Facebook und Twitter kürzten die Gehälter ihrer Beschäftigten bei Umzügen in günstigere Gegenden. Müssen deutsche Arbeitnehmer solche Einbußen im Rahmen ihrer (bestehenden) Arbeitsverhältnisse künftig auch fürchten? Vor allem sogar dann, wenn die Arbeitsortbestimmung einseitig durch den Arbeitgeber geändert wurde oder wird? Nicht solange die Bezahlung an die Leistung geknüpft ist, also gleicher Lohn für gleiche Arbeit, und das ortsunabhängig, beruhigt ver.di im Moment seitens der Gewerkschaften – auch im Hinblick darauf, dass einige Firmen sogar versuchen, ihre Büroflächen durch die Abmietung von Flächen zu verkleinern. Im Gespräch mit GMX gibt Florian Haggenmiller (Leiter Fachgruppen Telekommunikation und IT/DV, ver.di) aber zu bedenken: „Generell gibt es keine Sau, bei der ich mir nicht vorstellen kann, dass sie durchs Dorf getrieben wird.“
Was soll nach der Pandemie kommen?
Wie planen die Arbeitgeber für die Zeit nach der Pandemie in Sachen Homeoffice? Laut einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom Juni 2021 wollen rund zwei Drittel der Betriebe ihr Homeoffice-Angebot auf den Stand vor der Corona-Krise zurückfahren. Wie die Erhebung zeigt, haben die Unternehmen ganz unterschiedliche Pläne für die Zukunft. Es wäre also falsch, zu vereinfacht von allgemeinen Entwicklungen und Tendenzen zu sprechen. Noch auffälliger: Immerhin etwa jedes zehnte Unternehmen will nach der Pandemie sogar weniger Homeoffice anbieten als vor der Corona-Krise. „Der Anteil der Betriebe, die die Homeoffice-Option ausbauen wollen, ist bei den Großbetrieben mit über 250 Mitarbeitenden sehr viel höher als bei kleinen und mittleren Betrieben“, so IAB-Forscher Christian Kagerl.
Während in Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten rund 65 Prozent einen Ausbau des Homeoffice-Angebots planen, sind es bei Betrieben mit weniger als 50 Angestellten nur knapp 20 Prozent. Natürlich kann man diese Botschaft insgesamt auch „umdrehen“ und sagen: „Jedes fünfte Unternehmen will stärker auf Homeoffice setzen.“ Über alle Firmengrößen hinweg zeigen die betrieblichen Pläne zum Einsatz von Mobilarbeit in sehr unterschiedliche Richtungen. Es gibt eben nicht nur „ein“ Homeoffice und damit einen Trend, sondern unterschiedliche und stets neue Entwicklungen, die es zu beachten und zu berücksichtigen gilt. Und genau deshalb kommt es trotz aller erkannt geglaubten „Tendenzen“ weiter auf die Details, Vernunft und Weitsicht an.
Dr. Silvija Franjic,
Onlineredakteurin + Jobcoach