Im Blick: Sozialversicherungsrecht (Ausgabe 8/2021)
Betriebliche Altersversorgung
Die Absenkung der Beitragsbemessungsgrenze in der Renten- und Arbeitslosenversicherung im Westen hat zur Folge, dass im Jahr 2022 nur noch Tarifentgelte in Höhe von 3.384 Euro statt 3.408 Euro wie in diesem Jahr für die betriebliche Altersvorsorge umgewandelt werden können. Damit sinkt die Sozialversicherungsbeitragsfreiheit von Aufwendungen zur betrieblichen Altersvorsorge im gleichen Umfang. Bei Beschäftigten, die trotzdem im kommenden Jahr weiter den bisherigen Höchstbetrag in Höhe von 3.408 Euro umwandeln, kann das zu einer doppelten Beitragszahlung führen, da sowohl das umgewandelte Entgelt in Höhe der Absenkung des Höchstbetrags um 24 Euro als auch die später daraus gezahlten Betriebsrenten der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliegen.
Es sollte daher geprüft werden, ob eine Absenkung der Entgeltumwandlung für das Jahr 2022 vorgenommen werden kann.
Ausscheiden aus der Krankenversicherungspflicht
Die Krankenversicherungspflicht endet mit Ablauf des Kalenderjahres, wenn das regelmäßige Arbeitsentgelt die geltende Versicherungspflichtgrenze übersteigt. Sie endet allerdings nur dann, wenn auch der Grenzwert des folgenden Kalenderjahres überschritten wird. Bei Grenzfällen führt das häufig dazu, dass zwar die Grenze im aktuellen Jahr überschritten wird, durch die – normalerweise erfolgende – Anhebung der Grenze für das Folgejahr es aber nicht zum Ausscheiden aus der Pflichtversicherung kommt. Diese Möglichkeit entfällt für den Jahreswechsel 2021/2022, da der Grenzwert unverändert bleibt. Das gilt sowohl für die allgemeine als auch für die besondere Krankenversicherungspflichtgrenze.
Endet die Krankenversicherungspflicht, so endet die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse aber nicht automatisch. Die Krankenkasse muss den Versicherten über das Ende der Krankenversicherungspflicht und die Möglichkeit zum sofortigen Austritt informieren. Wird der Austritt innerhalb von zwei Wochen erklärt, endet die Mitgliedschaft zum Jahresende. Das gilt allerdings nur dann, wenn das Mitglied einen anderweitigen ausreichenden Krankenversicherungsschutz (in der privaten Krankenversicherung) nachweist. Ansonsten setzt sich die Mitgliedschaft als freiwillige Versicherung fort. Dann ist eine spätere Kündigung im Rahmen der Kündigungsfrist (jeweils zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats) möglich. Auch hier ist der Nachweis einer adäquaten anderweitigen Krankenversicherung erforderlich.
Beitragsbemessungsgrenzen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung
Versicherungspflichtgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung
Änderungen im Meldeverfahren ab 2022
Ab 2022 treten wieder einige Änderungen im Meldeverfahren zwischen Sozialversicherung und Arbeitgebern in Kraft.
Hier die wichtigsten Neuerungen im Überblick:
Einrichtung eines Arbeitgeberkontos
Grundsätzlich fordern die Einzugsstellen die Arbeitgeberdaten aus einer zentralen Datenbank bei der Bundesagentur für Arbeit an. Weitere Daten werden nun von der Einzugsstelle beim Arbeitgeber (der die Anmeldung für einen Beschäftigten übermittelt hat) elektronisch angefordert. Die Rückmeldung der benötigten Daten erfolgt dann ebenfalls elektronisch aus dem Abrechnungsprogramm.
Damit das funktioniert, muss beim Eingang der Anmeldung für die Einzugsstelle ersichtlich sein, ob ein neues Arbeitgeberkonto anzulegen oder die in der Anmeldung angegebene Betriebsnummer einem bestehenden Arbeitgeberkonto zuzuordnen ist. Voraussetzung für diese Unterscheidung ist, dass in der Anmeldung neben der Angabe der Betriebsnummer des Beschäftigungsbetriebes zusätzlich der Arbeitgeber, also die Hauptbetriebsnummer, angegeben wird. Der Arbeitgeber wird nämlich im Beitragseinzugsverfahren durch die im Beitragsnachweis angegebene Betriebsnummer identifiziert (Hauptbetriebsnummer).
Für die Übermittlung wurde ein Datensatz Arbeitgeberkonto mit mehreren Datenbausteinen festgelegt. In den Datenbausteinen finden sich:
- Grunddaten,
- abweichende Korrespondenzanschrift,
- Dienstleister,
- Wahlerklärung für die Teilnahme am Ausgleichsverfahren U1
- und das
- SEPA-Lastschriftmandat.
Geringfügige Beschäftigungen
Bei Minijobs müssen Arbeitgeber in allen Entgeltmeldungen künftig ihre Steuernummer und die Steuer-ID des Beschäftigten übermitteln. Außerdem wird in der Meldung angegeben, ob Pauschalsteuern gezahlt wurden. Die Neuregelung tritt am 01.01.2022 in Kraft, gilt also bereits für die Jahresmeldung für 2021. Ergänzt werden die Meldungen um die tatsächliche Krankenkassenzugehörigkeit. Diese Information benötigt die Minijobzentrale für die Umsetzung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (s. u.).
Bei kurzfristigen Beschäftigungen muss zusätzlich angegeben werden, wie der Beschäftigte krankenversichert ist. Damit soll verhindert werden, dass die Versicherungsfreiheit als kurzfristig Beschäftigter dazu führt, dass jemand ohne Krankenversicherungsschutz dasteht. Unterschieden wird bei der Meldung zwischen einer privaten bzw. anderweitigen Absicherung. Das kann beispielsweise eine freiwillige Mitgliedschaft, eine Pflichtversicherung (z. B. als Rentner) oder eine Familienversicherung sein. Ein Nachweis über den bestehenden Krankenversicherungsschutz muss zu den Entgeltunterlagen genommen werden. Speziell für die ausländischen Saisonarbeitskräfte wird auch eine vom Arbeitgeber abgeschlossene Gruppenkrankenversicherung anerkannt.
Nach Eingang der Anmeldung für einen kurzfristig Beschäftigten teilt die Einzugsstelle (Minijobzentrale) dem Arbeitgeber elektronisch mit, ob für den gemeldeten Beschäftigten weitere kurzfristige Beschäftigungen bestehen oder im relevanten Zeitraum bestanden haben. Dadurch soll der Arbeitgeber in die Lage versetzt werden, die versicherungsrechtliche Beurteilung zeitnah zu überprüfen und ggf. zu ändern. So kann er unter Umständen noch den Beitragsabzug bei dem Beschäftigten vornehmen. Kommt es zur Versicherungspflicht, muss der Arbeitgeber die Meldung an die Minijobzentrale stornieren und bei der zuständigen Krankenkasse vornehmen.
Entgeltdaten müssen elektronisch vorgehalten werden
Manche Ereignisse werfen lange Schatten voraus. Ab 2023 wird die elektronisch unterstützte Betriebsprüfung durch die Sozialversicherungsträger für alle Unternehmen obligatorisch. Bisher war diese Form der Prüfung bereits auf freiwilliger Basis möglich. Damit das funktionieren kann, ist die Vorhaltung aller relevanten Entgeltunterlagen in digitaler Form erforderlich. Eine entsprechende Verpflichtung tritt am 01.01.2022 in Kraft.
Allerdings gibt es Ausnahmen. In begründeten Fällen kann die Verpflichtung bis längstens 2026 hinausgeschoben werden – das gilt auch für die Teilnahme an der elektronisch unterstützten Betriebsprüfung. Ein entsprechender Antrag – mit Begründung – ist an den Betriebsprüfdienst der gesetzlichen Rentenversicherung zu richten.
Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Nun ist es so weit, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) kommt. Schon seit Oktober 2021 sind die Ärzte verpflichtet, die AU-Bescheinigungen elektronisch an die Krankenkassen zu übermitteln. Spätestens ab 01.07.2022 müssen die Arbeitgeber dann die Bescheinigungen für ihre Beschäftigten bei der Krankenkasse elektronisch abrufen. Die entsprechende Information und damit die Erlaubnis zum Abruf erhält der Arbeitgeber durch die Mitteilung seines Beschäftigten über die Krankschreibung. Diese arbeitsrechtliche Verpflichtung besteht nämlich weiterhin.
Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung gibt es noch für Arbeitsunfähigkeiten
- bei Rehabilitationsmaßnahmen,
- bei Erkrankung eines Kindes,
- für privat Krankenversicherte und
- bei der Krankschreibung durch einen Arzt im Ausland.
Abrufen kann der Arbeitgeber die Daten über das Gehaltsprogramm, frühestens ein bis zwei Tage nach der Krankschreibung. Denn zuvor müssen die Daten ja von den Ärzten an die Krankenkassen übermittelt werden (geschieht in der Regel einmal am Tag) und dann dort verarbeitet und für den Abruf bereitgestellt werden.
Selbstverständlich enthalten die Daten für den Arbeitgeber weiterhin keinerlei Diagnosen oder Befunde.
Jürgen Heidenreich