Stier meint …!
Schon lange wissen wir, dass in der Sozialversicherung wieder und wieder Abläufe digitalisiert werden. Immer weniger Papier, dafür immer mehr neue Datensätze. Am Ende immer weniger Aufwand und für alle Beteiligten immer mehr Entlastung.
Geht es Ihnen auch so wie mir, dass Sie bei dem Wort Entlastung dann doch etwas kritisch werden? Nicht ganz unbegründet, haben wir doch in den letzten Jahren schon so einige Entlastung erfahren müssen. Der elektronische Entgeltnachweis (kurz ELENA) steckt heute noch vielen Unternehmen in den Knochen. Was haben wir für eine Energie in dieses Projekt gesteckt und wie vielversprechend ist es gestartet. Am Ende ist ELENA u. a. ein Opfer des Datenschutzes geworden.
Aber richten wir den Blick nach vorn. Was gibt es doch für schöne Digitalisierungsprozesse in der Sozialversicherung. 2022 wird wieder ein Jahr, in dem das 7. SGB IV-Änderungsgesetz mit weiteren Punkten in Kraft tritt. Und das, nachdem auch schon in diesem Jahr einiges gestartet wurde. Beginnen wir mit der elektronischen Mitgliedsbescheinigung, die nach der Anmeldung durch den Arbeitgeber elektronisch von der gesetzlichen Krankenkasse zurückgemeldet wird. Die Idee ist reizvoll, schade nur, dass es nicht richtig funktioniert. Zwar melden die Arbeitgeber die Arbeitnehmer bei der gesetzlichen Krankenkasse an (bei Beginn der Beschäftigung, dem Eintritt der Versicherungspflicht oder einem Krankenkassenwechsel), doch leider melden nicht alle Krankenkassen etwas zurück. Stattdessen erreichen die Arbeitgeber weiterhin die guten alten Mitgliedsbescheinigungen in Papierform. Funktioniert da etwa bei den Krankenkassen der Umstellungsprozess noch nicht hundertprozentig – es wäre nicht das erste Mal.
Im nächsten Jahr folgen die nächsten Schritte der Digitalisierung. Mit großer Spannung wird die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) erwartet. Das Verfahren ist bereits zum 01.10. dieses Jahres gestartet, wenn auch nicht grandios. Der Start des Verfahrens mit der Übermittlung der Daten vom Arzt an die Krankenkassen läuft eher schleppend. Durch die fehlende Übermittlung der Daten ist auch die Pilotphase ab dem 01.01.2022 in Gefahr, wenngleich alle Verantwortlichen den Starttermin am 01.07.2022 für machbar halten. Aber auch hier zeigt sich wieder, die Arbeitgeber werden zum Starttermin am 01.07. in der Lage sein, die Daten abrufen zu können. Die Programme werden die notwendigen Umsetzungen vornehmen und wir werden erneut erfahren müssen, dass weitere Beteiligte sich aus der Verantwortung nehmen. Für mich ein nicht nachvollziehbarer Punkt. Der Gesetzgeber muss hier bei allen Beteiligten das gleiche Maß ansetzen. Nur so kann ein Projekt zum Erfolg geführt werden.
Ein weiteres Highlight ist das rv-BEA-Verfahren. 2022 werden die Arbeitgeber zur Teilnahme verpflichtet. Nun gut, auch das werden wir schaffen. Aber gestatten Sie mir, auf ein paar besondere Leckerbissen aus dem rv-BEA-Verfahren einzugehen. So ist die Meldung der Elterngeldstelle innerhalb einer Frist von 24 Stunden zu beantworten. Dazu ist der Arbeitgeber verpflichtet, nach dem Abruf des Kommunikationsservers (mindestens einmal in der Woche) die Meldung innerhalb dieser 24-Stundenfrist zu übermitteln. Dabei wird nun eine weitere Besonderheit gern von den Verantwortlichen ins Spiel gebracht, die sogenannte Dunkelverarbeitung. Wenn Sie jetzt die Stirn runzeln und nicht wissen, was eine Dunkelverarbeitung ist, seien Sie beruhigt, ich wusste es erst auch nicht. Mit der Dunkelverarbeitung ist die vollständig automatisierte Verarbeitung der Daten durch das Entgeltabrechnungsprogramm gemeint. Soll heißen, die Anfrage landet im Programm, dieses erstellt automatisiert die Antwort und versendet diese über den Kommunikationsserver. Keine menschliche Intelligenz muss noch eingreifen. Jetzt ziehen Sie bestimmt die Augenbrauen nach oben und fragen sich: Will ich das? Die Frage ist nicht, ob Sie das wollen, die Frage ist, wie Ihr Programm nun diese sogenannte Dunkelverarbeitung organisiert. Für einen Verantwortlichen aus Berlin ist die Antwort ganz simpel. Mit jeder Menge praktischer Erfahrung wirft er Ihnen die Antwort zu, dass dies innerhalb von Sekunden möglich ist. Tja, da staunt der Laie nur noch. Aber so funktioniert die schöne neue digitalisierte Welt der Sozialversicherung.
Schließlich wollen wir auch hier Vorreiter sein, und dass wir das in Deutschland können, das haben wir schon oft genug unter Beweis gestellt. Ich könnte endlos die Fälle aufzählen, in denen wir es der Welt da draußen gezeigt haben: beim Bau von Flughäfen, bei ELENA, im Datenschutz und und und. Ich kann es kaum abwarten, diese neue Welt in der Sozialversicherung kennenzulernen.
Bis dahin prüfe ich mal, ob mein Programm eventuell weitere Möglichkeiten der Dunkelverarbeitung hat. Welchen Knopf musste ich da noch mal drücken?
In diesem Sinne … weitermachen!
Markus Stier