Die Reform 2024 : Pflege neu denken
Die gesetzliche Pflegeversicherung wird reformiert. Die Beiträge sinken für Eltern mit Kindern. Für kinderlose Personen werden sie angehoben. Pflegegeld, Pflegesachleistungen und die Zuschläge für die Pflege im Heim werden zum 01.01.2024 erhöht. Alle Pflegeleistungen werden zum 01.01.2025 und zum 01.01.2028 angehoben. Pflegende Angehörige können ab dem 01.01.2024 pro Kalenderjahr Anspruch auf bis zu zehn Tage Freistellung von der Arbeit in Akutsituationen haben.
Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG)
Am 01.07.2023 ist das Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG) in Kraft getreten. Das Gesetz zielt darauf ab, die Leistungen der sozialen (gesetzlichen) Pflegeversicherung zu verbessern und die Versorgung insgesamt auf ein finanziell solides Fundament zu stellen. So werden zum Beispiel pflegende Angehörige entlastet sowie Pflegeheime und -dienste digital vernetzt. Finanziert werden diese Neuerungen durch eine Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes und des Beitragszuschlags für kinderlose Versicherte.
Beitragsrechtliche Neuerungen ab 01.07.2023
Da die Höhe des Pflegeversicherungsbeitrags laut Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2022 von der Anzahl der Kinder abhängig sein soll, gelten für Eltern mit Kindern unter 25 Jahren gestaffelte Beiträge.
Durch die Neuregelung erhöhen sich ab dem 01.07.2023 der allgemeine Beitragssatz und der Kinderlosenzuschlag. Weil das PUEG innerhalb kürzester Zeit verabschiedet wurde, räumt der Gesetzgeber allen Stellen, die Pflegeversicherungsbeiträge erheben oder abführen, eine Übergangsfrist von zwei Jahren ein, um die Beiträge nach den neuen Vorgaben zu berechnen.
Danach werden Beschäftigte mit einem Kind – wie bisher – lebenslang entlastet. Ab zwei Kindern gibt es Abschläge – jedoch nur für das zweite bis fünfte Kind unter 25 Jahren.
Mit den aktualisierten „Grundsätzlichen Hinweisen zur Differenzierung der Beitragssätze in der Pflegeversicherung nach Anzahl der Kinder“ werden die mit dem PUEG beschlossenen Änderungen für Zeiten ab dem 01.07.2023 näher beschrieben. Sie beinhalten auch Empfehlungen zum Nachweis der Elterneigenschaft, die insbesondere bei Stief-, Adoptiv- und Pflegekindern von großer praktischer Bedeutung sind.
(Digitaler) Nachweis der Elterneigenschaft
Der Nachweis zur Anzahl der Kinder muss gegenüber der beitragsabführenden Stelle also von den Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber erbracht werden. Der Nachweis muss bis zur Einführung eines digitalen Verfahrens bei einem Arbeitgeberwechsel auch dem neuen Arbeitgeber gegenüber erbracht werden.
Ab dem 01.07.2025 soll ein digitales Austauschverfahren durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zur Verfügung gestellt werden.
Für die Übergangszeit vom 01.07.2023 bis zum 30.06.2025 gilt ein vereinfachtes Verfahren: Es sieht vor, dass auf Nachweise in Form von z. B. Geburtsurkunden verzichtet werden kann. Arbeitgeber können die Daten von den Beschäftigten sowohl telefonisch als auch auf andere Weise und formlos textlich abfragen. Das Ergebnis der Abfrage muss entsprechend dokumentiert werden.
Unterschiedliche Fristen für die Nachweise
Im Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) sind unterschiedliche Fristen für die Nachweise vorgesehen. Wenn das Kind vor dem 01.07.2023 geboren wurde, gilt der entsprechende Abschlag ab dem 01.07.2023. Für Kinder, die im Zeitraum vom 01.07.2023 bis zum 30.06.2025 geboren werden, gelten die Abschläge ab Beginn des Monats der Geburt. In beiden Fällen ist der Nachweis an keine Frist gebunden. Wird der Nachweis für Kinder, die ab dem 01.07.2025 geboren sind, innerhalb von drei Monaten nach der Geburt des Kindes erbracht, gelten die Abschläge mit Beginn des Monats der Geburt. Ansonsten wirkt der Nachweis ab Beginn des Folgemonats.
Elterneigenschaft und deren Wirkung
Unter dem Begriff Eltern werden verschiedene Fälle verstanden. Dazu zählen die leiblichen Eltern genauso wie Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern. Die Elterneigenschaft wirkt sich auf jeden Elternteil aus, der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung zahlt. Somit werden beitragstechnisch beide Eltern vom Beitragszuschlag befreit und profitieren vom Beitragsabschlag.
Besonderheiten bei Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern
Für Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern sind einige Besonderheiten zu beachten. Damit sie im Sinne der Pflegeversicherung als Eltern gelten, kommt es bei ihnen auf den Zeitpunkt der Adoption, der Heirat oder auf die Art der Aufnahme in den Haushalt an. Sind die Bedingungen erfüllt, sind sie mindestens vom Beitragszuschlag für Kinderlose befreit und können – sofern die Kinder anrechnungsfähig sind – auch Beitragsabschläge auf den Pflegeversicherungsbeitrag anrechnen. Bei Adoptiveltern gilt: Wenn die Adoption wirksam wird, muss das Alter des Kindes noch innerhalb der Altersgrenzen einer Familienversicherung liegen. Gehört das Kind schon vor dem Wirksamwerden zum Haushalt der zukünftigen Adoptiveltern, wird es für diesen Zeitraum als (Adoptions-)Pflegekind betrachtet.
Stiefeltern sind verheiratet oder in einer Lebenspartnerschaft eingetragen. Sie übernehmen die Elternfunktion für das Kind ihres Ehe- oder eingetragenen Lebenspartners. Im Sinne der Pflegeversicherung gelten sie allerdings nicht als Eltern, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Heirat oder dem Eintragen der Lebenspartnerschaft die Altersgrenzen der Familienversicherung erreicht hat oder wenn das Kind vor Erreichen der Altersgrenzen nicht zum gemeinsamen Haushalt gehört hat. Die Elterneigenschaft von Stiefeltern bleibt weiter bestehen, auch wenn die Ehe oder Lebenspartnerschaft wieder aufgelöst wird.
Pflegeeltern haben ein Kind in ihren Haushalt aufgenommen und stehen zu ihm in einer familienähnlichen, auf längere Dauer angelegten Beziehung. Das Pflegeverhältnis muss also durchgängig für mehrere Jahre und nicht nur für eine Übergangszeit oder z. B. tageweise bestehen. Eine weitere Voraussetzung für den Begriff der Pflegeelterneigenschaft im Sinne der Pflegeversicherung ist, dass die familiären Bindungen zu den leiblichen Eltern aufgegeben sind.
Pflegeunterstützungsgeld bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung
In einer Akutsituation können Beschäftigte gemäß § 2 PflegeZG (Pflegezeitgesetz) kurzzeitig (bis zu zehn Arbeitstage) der Arbeit fernzubleiben, um eine bedarfsgerechte Pflege für nahe Angehörige zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Sie erhalten Pflegeunterstützungsgeld als Entgeltersatzleistung (EEL).
Bisher besteht der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld in der Regel einmal je pflegebedürftige Person. Diese Leistung wird ausgeweitet und kann bei Vorliegen der Voraussetzungen ab 01.01.2024 jährlich in Anspruch genommen werden.
Erstattung und Verzinsung zu viel gezahlter Beiträge
Können die Abschläge für Kinder von den Arbeitgebern und den Pflegekassen nicht ab dem 01.07.2023 berücksichtigt werden, sind zu viel gezahlte Beiträge so bald wie möglich zu erstatten, spätestens bis zum 30.06.2025. Von Seiten des Gesetzgebers wird davon ausgegangen, dass dies innerhalb von drei Monaten erfolgen kann. Wenn dies aufgrund der Komplexität des Verfahrens nicht rechtzeitig möglich ist, müssen die Beschäftigen rückwirkend zum 01.08.2023 bessergestellt werden. Dies beinhaltet, dass der Erstattungsbetrag gemäß § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV zu verzinsen ist.
Handlungsempfehlungen
Die Kenntnis der neuen Bestimmungen ist für Arbeitgeber von Bedeutung, da sie für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag haften. Wenn Unsicherheit darüber besteht, ob ein Kind berücksichtigungsfähig ist, wenden sich Arbeitgeber an die zuständige Kranken- oder Pflegekasse. Zuständig für die Entscheidung zur Beitragspflicht ist in diesem Fall die gesetzliche Krankenkasse des betroffenen Elternteils, bei Selbstzahlern entscheidet die Pflegekasse.
Raschid Bouabba, MCGB GmbH