Kurz und knapp
Am 25.07.2024 ist die gesetzliche Neuregelung der Betriebsratsvergütung in Kraft getreten. Auslöser für diese Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes war das sogenannte „Volkswagen-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Januar 2023 (Az. StR 133/22).
Betriebsratsvergütung
Am 25.07.2024 ist die gesetzliche Neuregelung der Betriebsratsvergütung in Kraft getreten. Auslöser für diese Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes war das sogenannte „Volkswagen-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Januar 2023 (Az. StR 133/22). Darin hatten die Richter entschieden, dass der Straftatbestand der Untreue (§ 266 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB)) erfüllt sein kann, wenn Betriebsräten eine überhöhte Vergütung gezahlt wird und dadurch gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 S. 2 BetrVG) verstoßen wird.
Die Neuregelungen sollen die aktuelle Rechtslage präzisieren und das Risiko von Verstößen redlich handelnder Arbeitgeber gegen das betriebsverfassungsrechtliche Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot reduzieren. Dabei wird das Ehrenamtsprinzip fortgeschrieben. Neue oder zusätzliche Entgeltansprüche werden nicht geschaffen.
Im Ergebnis sind die geplanten Änderungen sehr zu begrüßen, auch wenn nur die geltende Rechtsprechung im Gesetz kodifiziert wird. Die rechtmäßige Vergütung der Betriebsräte ist jedoch weiterhin unternehmensindividuell zu ermitteln. Damit verbleiben trotz der Neuregelungen rechtliche Unsicherheiten.
EU-Entgelttransparenzrichtlinie
Am 06.06:2023 ist die EU-Entgelttransparenzrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie [EU] 2023/970 – EntgTranspRL) in Kraft getreten, die bis spätestens 07.06.2026 in nationales Recht transformiert werden muss.
Achtung: Eine Umsetzung ist noch in dieser Legislaturperiode geplant. Auszugehen ist von einer umfangreichen Änderung oder gar Neufassung des seit 2017 geltenden Entgelttransparenzgesetzes.
Die EU-Richtlinie enthält im Wesentlichen Transparenzsowie Durchsetzungsinstrumente, um dem Gebot der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern zu besserer Geltung zu verhelfen. Neben Informationsverpflichtungen gegenüber Bewerbern, erweiterten Informations- und Auskunftsrechten, Berichts- und daraus etwaig resultierenden gemeinsamen Entgeltbewertungspflichten regelt die Richtlinie vor allem auch Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche, eine Beweislastumkehr, die § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bereits jetzt als nationales Recht enthält, sowie Sanktionen bei Verstößen gegen Rechte und Pflichten. Anders als nach der derzeit geltenden Rechtslage drohen künftig empfindliche Geldbußen.
EuGH: Einer schwangeren Arbeitnehmerin muss eine angemessene Frist eingeräumt werden, um ihre Kündigung vor Gericht anfechten zu können
Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 27.06.2024 – Rs. C-284/23, Pressemitteilung vom 27.06.2024
Eine Angestellte eines Pflegeheims ficht ihre Kündigung vor einem deutschen Arbeitsgericht an. Sie beruft sich auf das Verbot, einer Schwangeren zu kündigen. Das Arbeitsgericht ist der Auffassung, dass es die Klage normalerweise als verspätet abweisen müsse.
Als die Arbeitnehmerin von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt und die Klage erhoben habe, sei nämlich die im deutschen Recht vorgesehene ordentliche Frist – drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung – bereits verstrichen gewesen. Überdies habe die Arbeitnehmerin es versäumt, innerhalb der im deutschen Recht vorgesehenen weiteren Frist von zwei Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage zu stellen.
Das Arbeitsgericht fragt sich jedoch, ob die in Rede stehende deutsche Regelung mit der Richtlinie über schwangere Arbeitnehmerinnen vereinbar ist (Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19.10.1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz). Es hat daher den EuGH dazu befragt.
Der EuGH stellt fest, dass nach der deutschen Regelung eine schwangere Arbeitnehmerin, die zum Zeitpunkt ihrer Kündigung Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, über eine Frist von drei Wochen verfügt, um eine Klage zu erheben. Nach Verstreichen dieser Frist gilt die Kündigung als wirksam, sofern nicht ein Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage gestellt wird.
Dagegen verfügt eine Arbeitnehmerin, die aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund vor Verstreichen dieser Frist keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, nur über zwei Wochen, um zu beantragen, eine solche Klage erheben zu können.
Nach Auffassung des EuGH scheint eine so kurze Frist, insbesondere verglichen mit der ordentlichen Frist von drei Wochen, mit der Richtlinie unvereinbar zu sein. In seinem Urteil vom 29.10.2009, Pontin, C-63/08 (vgl. auch die Pressemitteilung Nr. 98/09), hat sich der Gerichtshof in Bezug auf eine Frist von 15 Tagen, die für eine schwangere Arbeitnehmerin für die Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung ihrer Kündigung gelten sollte, bereits in diesem Sinne geäußert.
In Anbetracht der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft befindet, scheint diese kurze Frist nämlich dazu angetan, es der schwangeren Arbeitnehmerin sehr zu erschweren, sich sachgerecht beraten zu lassen und gegebenenfalls einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage sowie die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen.
Es ist jedoch Sache des Arbeitsgerichts, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist.
EuGH-Vorlagefragen zur Auslegung der DS‑GVO bei deren Anwendung auf die Tätigkeit der Gerichte
LAG Niedersachsen, Urteil vom 18.07.2024 – 8 Sa 688/23, Pressemitteilung vom 18.07.2024
In einem vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen anhängigen Fall (Aktenzeichen: 8 Sa 688/23) verlangt die klagende Arbeitgeberin von einer ausgeschiedenen Arbeitnehmerin Schadenersatz in Höhe von rund 46.000 Euro. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe unbefugt Gegenstände aus dem privaten Firmeneigentum an Dritte veräußert und sich am Erlös bereichert. Die Klägerin stützt ihre Erkenntnisse über die Veräußerungsvorgänge auf eine ohne Wissen und Willen der Beklagten erfolgte Einsichtnahme in deren privates eBay-Konto. Auf welche Weise die Klägerin die Kenntnis der eBay-Benutzerkennung der Beklagten und des zugehörigen Passworts erlangt hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen hat in dieser Rechtssache beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein Vorabentscheidungsverfahren anhängig gemacht. Der EuGH hat in seinen Urteilen vom 24.03.2022 – C-245/20 – (Autoriteit Persoonsgegevens) in Rn. 25 und vom 02.03.2023 – C-268/21 – (Norra Stockholm Bygg AB) in Rn. 26 deutlich gemacht, dass auch justizielle Tätigkeit, soweit dabei Daten verarbeitet werden, in den Geltungsbereich der Datenschutzgrundverordnung (DS‑GVO) fällt. Mit der ersten Vorlagefrage soll Klarheit darüber geschaffen werden, ob die Regelungen des deutschen Zivilprozessrechts bestimmt genug sind – d.h., die erforderliche Regelungstiefe aufweisen –, um den Anforderungen der DS‑GVO zu genügen.
Des Weiteren wird der EuGH – kurz zusammengefasst – gefragt, welche der Normen der DS‑GVO auf gerichtliche Datenverarbeitungstätigkeit Anwendung finden und welche Rechtsgrundsätze hierbei von den Gerichten zu beachten sind. Die Beantwortung der Fragen durch den Gerichtshof kann über die konkrete Rechtssache hinaus in allen Fällen hilfreich sein, in denen die nationalen Gerichte zu beurteilen haben, ob und unter welchen Voraussetzungen möglicherweise rechtswidrig erlangte Kenntnisse und Beweismittel, die eine Partei in den Rechtsstreit einführt, von ihnen verwertet werden können.
Das Verfahren wird vom EuGH unter dem Aktenzeichen C-484/24 geführt.