Fachkräfteeinwanderungsgesetz : Wird es wirklich helfen?
Am 1. März 2020 ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft getreten. Die deutsche Wirtschaft kämpft mit dem Fachkräftemangel – die Anwerbung ausländischer Fachkräfte soll deshalb erleichtert und vereinfacht werden. Doch hält das neue Gesetz tatsächlich, was es verspricht?

Einer der wichtigsten Punkte vorweg: Die bürokratischen Hindernisse sollen entschärft werden. Zur Unterstützung der Unternehmen werden in jedem Bundesland zentrale Anlaufstellen eingerichtet, die alle Anträge und notwendigen Genehmigungen beschaffen und koordinieren sollen. Auf diese Weise soll die Bearbeitungszeit auf maximal zwei Monate nach dem Vorliegen aller erforderlichen Unterlagen verkürzt werden. Es ist zu hoffen, dass auf diese Weise der nötige Sachverstand in den zentralen Stellen gestärkt oder überhaupt erreicht werden kann. Bisher zeichnen sich einige zuständige Ausländerbehörden dadurch aus, dass sie nicht einmal über ausreichend englischsprachiges Personal verfügen. Schließlich ist ja die Amtssprache Deutsch!
Will ein Unternehmen eine ausländische Fachkraft einstellen, kann es bei der zentralen Stelle ein beschleunigtes Fachkräfteverfahren beantragen. Und das in Vollmacht der ausländischen Fachkraft. Die zentrale Stelle schließt mit dem Unternehmen eine Vereinbarung ab, in der alle erforderlichen Kontaktdaten, Nachweise und Bevollmächtigungen dokumentiert werden. Zudem wird ein Ablaufplan erstellt, in dem alle notwendigen Schritte mit Erledigungsterminen enthalten sind. Ob das in der Praxis tatsächlich so funktionieren wird, muss die Zukunft zeigen. Die ersten zentralen Stellen sind jedenfalls bereits eingerichtet, etwa in Berlin, Schleswig-Holstein und Hamburg. Zur Beschleunigung der Verfahren soll auch beitragen, dass die Bearbeitung von Visaanträgen künftig maximal drei Monate dauern soll. Bei Fachkräften sollen es längstens vier Wochen (nach Einreichung der vollständigen Unterlagen) sein.
Um wen geht es bei dem neuen Gesetz?
Das Gesetz gilt für Ausländer aus Drittstaaten, mithin aus Ländern, für die keine freie Niederlassung gilt und die nicht zu den privilegierten Staaten gehören, also sogenannte Drittstaatsangehörige.
Der Personenkreis beschränkt sich auf Ausländer mit einer qualifizierten Berufsausbildung oder einem Hochschulabschluss. Ausdrücklich ausgenommen sind demnach Ausländer ohne oder mit einer nur geringen Qualifizierung. Leider wird weiterhin grundsätzlich der Nachweis einer einem deutschen Abschluss vergleichbaren Prüfung verlangt. Mit einer wichtigen Ausnahme: Bei IT-Fachkräften reichen entsprechende nachgewiesene Berufserfahrungen aus.
Die Anerkennung
Ist der Abschluss in einem Ausbildungsberuf in Deutschland erworben worden, gibt es keine Probleme. Bei einem ausländischen Abschluss muss die Qualifikation mit einer deutschen Ausbildung vergleichbar sein. Diese Gleichwertigkeit muss in einem Anerkennungsverfahren vor der Einreise der ausländischen Fachkraft geprüft werden.
Ähnlich sieht es bei Hochschulabsolventen aus. Auch hier stellt der Abschluss eines Studiums nicht automatisch die benötige „vergleichbare“ Qualifikation dar.
Für eine Reihe von Abschlüssen (insbesondere von Hochschulabschlüssen) liegt bereits eine Anerkennung vor. Details dazu sind auf der Seite www.anerkennung-in-deutschland.de zu finden. Bei der Notwendigkeit der formalen Anerkennung wird unterschieden zwischen sogenannten reglementierten und nicht reglementierten Berufen. Zu den Letzteren gehören beispielsweise Ärzte oder Lehrer, bei denen die Ausübung auch für Deutsche an bestimmte Qualifikationsnachweise gebunden ist. Nicht reglementiert sind die klassischen Ausbildungsberufe wie Tischler oder Mechatroniker. In diesen Berufen kann man auch ohne formalen Ausbildungsnachweis tätig werden, in einigen Fällen allerdings nur unter Aufsicht und in Verantwortung einer anderen qualifizierten Person, wie beispielsweise zusammen mit einem Handwerksmeister.
Seit dem 1. Februar 2020 ist bei der Bundesagentur für Arbeit eine zentrale Anlaufstelle für Anerkennungssuchende aus dem Ausland eingerichtet. Die neue Dienststelle „Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung“ soll die Antragsteller beraten, die Unterlagen prüfen und diese ggf. an die zuständige Stelle weiterleiten. Daneben soll bei Bedarf bei der Durchführung des Visumverfahrens unterstützt werden. Natürlich soll die neue Dienststelle auch für die Unternehmen als Anlaufstelle dienen – soweit die Anerkennung nicht durch die zentrale Stelle unterstützt wird.
Vorrangprüfung entfällt
Vor Erteilung einer Arbeitserlaubnis für einen Drittstaatsangehörigen muss zunächst geprüft werden, ob nicht ein anderer Arbeitnehmer aus Deutschland oder der EU diese Tätigkeit ausüben kann. Diese Regelung führt immer wieder zu Problemen in der Praxis, wenn theoretisch ein anderer, bevorrechtigter Arbeitnehmer vorhanden ist, aber die Stelle trotzdem nicht besetzt werden kann.
Bei den qualifizierten Arbeitnehmern entfällt diese Vorrangregelung. Hintergrund ist die Tatsache, dass in diesen Beschäftigungsbereichen ohnehin ein Mangel an Arbeitskräften herrscht. Obwohl nicht verschwiegen werden darf, dass dieser Mangel in den einzelnen Regionen durchaus unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann.
Eine Hintertür hat sich der Gesetzgeber aber gelassen: Das Gesetz enthält eine Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung, um die Vorrangprüfung bei einer plötzlichen Veränderung des Arbeitsmarkts schnell und unkompliziert wieder einführen zu können.
Jürgen Heidenreich

Eine besondere Spezies: IT-Spezialisten
Bei der Anerkennung von Qualifikationen gibt es eine wichtige Ausnahme: Bei IT-Spezialisten kommt es nicht auf einen „offiziellen“ Qualifikationsnachweis an. Da in dieser Berufsgruppe die Zahl der Quereinsteiger sehr hoch und eine formale Qualifikation eher die Ausnahme ist, reichen für diese Berufsgruppe drei Jahre Berufserfahrung aus. Allerdings muss die Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgen, die dabei die Kenntnisse des Bewerbers überprüfen soll. Weitere Voraussetzung ist ein angemessenes Gehalt von mindestens 4.020 Euro monatlich (2020). Bei älteren Bewerbern über 45 Jahren muss der Mindestverdienst 3.795 Euro (2020) betragen oder eine angemessene Altersvorsorge nachgewiesen werden.
Weitere Erleichterungen in Kürze:
Es wird ein einheitlicher Begriff für „Fachkräfte“ definiert, der Hochschulabsolventen und Beschäftigte mit qualifizierter Berufsausbildung umfasst.
Bei anerkannter qualifizierter Berufsausbildung entfällt die bisherige Begrenzung auf Mangelberufe.
Fehlende Kenntnisse können im Rahmen von Nachschulungen durch die Unternehmen innerhalb von maximal zwei Jahren erworben werden.
Neben Hochschulabsolventen können nun auch Fachkräfte mit qualifiziertem Berufsabschluss für bis zu sechs Monaten zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland kommen. Voraussetzung dafür sind Nachweise der beruflichen Qualifikation und deutsche Sprachkenntnisse sowie die Sicherung des Lebensunterhalts.
Im Rahmen des Gesetzes über die Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung sind Erleichterungen bei Ausbildung und Beschäftigung für Flüchtlinge und Asylbewerber geschaffen worden, die sich bereits in Deutschland befinden (Einreise vor dem 01.08.2018). Für die Durchführung einer Berufsausbildung oder einer Beschäftigung wird Rechtssicherheit geschaffen. Voraussetzungen für eine Beschäftigungserlaubnis sind eine gute Integration, deutsche Sprachkenntnisse und Gesetzestreue (es dürfen keine Vorstrafen bestehen).