Karriere mit Kind? : Die Elternfalle
In anderen Ländern gehört es zur Normalität, dass Frauen nach acht Wochen Mutterschutz wieder anfangen zu arbeiten – sogar in Vollzeit.
Wenn viele sich fragen, wie das gehen soll, gäbe es dazu ein paar Eckpfeiler: Die ersten Arbeitswochen nach der Geburt sollten komplett im Homeoffice stattfinden. Hinzukommen dürfen dann noch ein hohes Maß an Flexibilität und möglichst viel Selbstbestimmtheit, während die Führungskraft gleichzeitig (z.B. mittels eines geteilten Kalenders) über die Arbeitseinteilung informiert bleibt.
Was sich die Mitarbeiter hierzulande sehr wahrscheinlich wünschen würden: zeitliche und räumliche Flexibilität, Vertrauensvorschuss und Verständnis, wenn doch mal etwas anders läuft. Zusätzliche Benefits wie ein Kinderbetreuungszuschuss oder Teamevents inklusive der Familie wären sicher hilfreiche und schöne Extras. Die Krönung des Ganzen wäre aber, wenn es echte Karrieremöglichkeiten geben würde, vor allem auch in Teilzeit. Eltern sollten vielmehr das Gefühl bekommen, dass sie echte Chancen erhalten und nicht vor allem unterschiedlichste „Risiken“ eingehen.
Trödeln statt Transformation?
Während der Mutterschutz geregelt ist, hinkt die Gesetzgebung in Deutschland beim Thema Vaterschaftsurlaub bisher hinterher. Die Europäische Union hatte schon 2019 eine Richtlinie erlassen, durch die alle EU-Mitgliedstaaten einen bezahlten Vaterschaftsurlaub von zehn Arbeitstagen gesetzlich verankern sollten. Mit dem Verweis auf die Elternzeit, die weit über die EU-Regeln hinaus die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördere, hat die Bundesregierung die EU-Richtlinie zunächst nicht umgesetzt. Bezahlten Urlaub für den Partner oder die Partnerin der Mutter wie in anderen Ländern gibt es in Deutschland bislang nicht – auch wenn sich die Koalitionsparteien bereits 2021 dazu verpflichtet haben. Geplant ist bisher eine zweiwöchige vergütete Freistellung für den Partner oder die Partnerin nach der Geburt des Kindes. Aber noch besteht kein gesetzlicher Anspruch auf einen bezahlten Vaterschaftsurlaub, obwohl die Ampel-Koalition schon 2021 einen zweiwöchigen bezahlten Urlaub für den Partner der Mutter nach der Geburt des Kindes, die sogenannte „Familienstartzeit“, geplant hatte.
Richtige Rollenverteilung?
Die Umsetzung dieser Regelung zum Vaterschaftsurlaub lässt jedoch weiterhin auf sich warten, und das Gesetz befindet sich seit März 2023 im Stadium der Ressortabstimmung. Das einzige Vereinbarkeitsziel der Zukunft scheint zu sein, dass beide Elternteile so schnell wie möglich wieder Vollzeit arbeiten. Doch was ist das richtige Familienmodell? Und nicht zu vergessen: Seit Jahrzehnten sind Alleinerziehende in der Mehrheit weiblich und haben mit das größte Armutsrisiko in Deutschland. Die Angst der Frauen hierzulande, wirtschaftlich abgehängt zu werden, ist also real. Gesellschaft und Wirtschaft sollten es sich längst zur vordringlichen Aufgabe gemacht haben, noch deutlich selbstkritischer zu werden und mit einem viel größeren Willen Lösungen zu finden – und diese vor allem auch zu realisieren. Es bleibt generell die Frage, auf wessen Kosten die Bevorzugung eines Familienmodells und die Aufrechterhaltung einer doch längst überholten Rollenverteilung weitergehen könnten.
Alles außer Anerkennung?
„Hey, dein Tag hat wohl mehr als 24 Stunden?“ Das hört oder liest man doch eigentlich nur, wenn jemand im Business außerordentlich viel zu arbeiten scheint und dabei außergewöhnliche Arbeit leistet, Extra Aufgaben erledigt oder mit beruflichen Erfolgen in der Öffentlichkeit glänzt. Aber wer hat das schon mal in seinem Arbeitsumfeld gehört, wenn es darum geht, elterliche Care-Arbeit zu leisten? Wer zum Beispiel Zwillinge hat, erntet sehr wahrscheinlich schneller Mitleid als eine Form von Zuspruch, dass jetzt die Multitasking-Fähigkeiten besonders gut zum Einsatz kommen oder perfekt trainiert werden. In den Medien und in sämtlichen Social-Media-Kanälen kursiert nicht grundlos „die Torte der Wahrheit“, verbunden mit der berechtigten Frage, wie und ob es Frauen der Gesellschaft und der Arbeitswelt recht machen können. Wer darauf antwortet: Das muss jede Frau schließlich für sich selbst wissen und entscheiden, offenbart eigentlich, wie alleingelassen man im Grunde wirklich mit der Entscheidung für Kinder ist, während Kritik und (Vor-)Verurteilung viel zu selbstverständlich weiter an der Tagesordnung bleiben.
Teilzeitfalle?
Was wird daraus, dass Mütter oder Väter eben auch entscheiden dürfen, zu Hause zu bleiben oder mit Teilzeit einzusteigen. Denn „zu Hause“ zu bleiben, bedeutet ja, wertvolle Care-Arbeit zu leisten, welche auch der Gesellschaft zugutekommt, gerade wenn andere Möglichkeiten fehlen. Sich bis zum Kindergarteneintritt selbst um das Kind zu kümmern, ist heute rein finanziell schon für die meisten Eltern nicht mehr möglich. Es ist aber auch sehr schwierig, selbst dafür sorgen, dass vor allem mit Kleinkindern ein Teilzeitmodell eben keine „Falle“ ist. Es ist im Grunde kaum möglich, dass Elternteile, die erst einmal hauptsächlich Care-Arbeit leisten, dadurch nicht enorme Nachteile haben werden. Wer sich dafür entscheidet, hat mit großer Wahrscheinlichkeit geringere Karriere- oder Aufstiegschancen – das bedeutet weniger Gehalt und weniger Rente in der Zukunft.
Echter Support – und nicht Mitleid!
Entsprechende Support-Möglichkeiten für Eltern sollten phasenangepasst einkalkuliert und tatsächlich abrufbar sein, wobei die zugewiesenen Aufgaben gerade in der Anfangszeit deutlich weniger zeitkritisch aufgesetzt und beauftragt werden sollten. Genauso gehören gerade nach der Geburt hier – nicht nur zum Stillen oder Füttern – Pausen ganz natürlich hinzu, damit man schlechte Nächte ausgleichen oder (mit dem Nachwuchs) an die frische Luft kann. Was zählt: die Zeit, die dadurch durchaus bleibt, um zu arbeiten. Genauso wichtig ist ein echtes Verständnis von Kollegen und nicht bekundetes „Mitleid“, als sei man jetzt mit einem lästigen Anhängsel indirekt „gehandicapt“. Der Konsens muss zwischen allen Beteiligten lauten: Arbeit wird einfach anders eingeteilt und organisiert.
Was ist mit den Mehrwerten?
Wer Mitarbeitende mit neugeborenem Nachwuchs aufs Abstellgleis verfrachtet oder sogar ganz „ausmustert“, der ignoriert immer noch viel zu sehr, wie viel Zeit und Geld es mehr kostet, neue Arbeitskräfte komplett anzulernen. Was ist mit den außerordentlichen Vorzügen, die man bereits kennt, den bereits entstandenen Bindungen, die weiter positiv wachsen müssten? Wer zur Zukunftssicherung ganzer Familien beiträgt, sollte nicht aus dem System gedrängt, sondern gezielt unterstützt werden. Vor allem sollte die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf nicht bedeuten, so zu agieren, als sei man „kinderlos“.