Folgen und Besonderheiten : Mehrfachbeschäftigung von Arbeitnehmern
Ist ein Arbeitnehmer bei mehreren Arbeitgebern gleichzeitig beschäftigt, liegt eine Mehrfachbeschäftigung vor. Diese ist sowohl lohnsteuerlich als auch sozialversicherungsrechtlich besonders zu bewerten.
Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ist die Zahl der Mehrfachbeschäftigungen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Arbeitsrechtlich müssen Arbeitnehmer eine Mehrfachbeschäftigung in der Regel anzeigen. Einige Arbeitgeber untersagen sie sogar arbeitsvertraglich oder machen sie von ihrer Zustimmung abhängig – häufig mit Bezug auf ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot.
Wird eine Mehrfachbeschäftigung vereinbart oder besteht keine Pflicht zur Zustimmung, müssen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten beachten.
Lohnsteuerliche Behandlung bei zwei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen
Hat ein Arbeitnehmer zwei nicht geringfügige Beschäftigungen, müssen beide Arbeitgeber die Lohnsteuer elektronisch über das ELStAM-Verfahren abwickeln. Dabei darf nur ein Arbeitgeber die Steuerklasse I bis V verwenden („Hauptarbeitgeber“), der andere Arbeitgeber erhält automatisch Steuerklasse VI („Nebenarbeitgeber“).
Welcher Arbeitgeber als Hauptarbeitgeber gilt, entscheidet der Arbeitnehmer. Dabei gilt der Grundsatz: Wer zuletzt meldet, gewinnt. Das bedeutet: Meldet ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer als Hauptarbeitgeber an, verdrängt er den bisherigen Hauptarbeitgeber. Es kann technisch immer nur einen Hauptarbeitgeber geben.
Freibeträge und Besonderheiten
Wird im ersten Arbeitsverhältnis keine oder nur geringe Lohnsteuer einbehalten, kann der Arbeitnehmer einen Freibetrag auf die Steuerklasse VI übertragen lassen. Dieser Freibetrag wird dann über einen sogenannten Hinzurechnungsbetrag in Steuerklasse I bis V ausgeglichen.
Auch bei Mehrfachbeschäftigung sind gegebenenfalls Vorsorgefreibeträge oder Altersentlastungsbeträge zu berücksichtigen – selbst im zweiten oder weiteren Arbeitsverhältnis. Eine Pauschalversteuerung nach § 40a Einkommensteuer (EStG) ist bei Vorliegen der Voraussetzungen weiterhin möglich (z. B. bei Minijobs, kurzfristigen Beschäftigungen oder Aushilfen in der Land- und Forstwirtschaft).
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
Bei Mehrfachbeschäftigung werden die Entgelte aus mehreren Beschäftigungen grundsätzlich bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (BBG) zusammengerechnet. 2025 gelten u. a. folgende Werte:
Kranken-/Pflegeversicherung (BBG West und Ost): 66.150 Euro jährlich bzw. 5.512,50 Euro monatlich
Renten-/Arbeitslosenversicherung (BBG West und Ost): 96.600 Euro jährlich bzw. 8.050 Euro monatlich
Liegt das Gesamteinkommen oberhalb der jeweiligen Grenze, ist § 22 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IV anzuwenden. Die Beiträge werden dann anteilig nachfolgender Formel berechnet:
Beitragsbemessungsgrenze × Arbeitsentgeltjeweiliger Arbeitgeber* ---------------------------------------------------------------------------------- Gesamtsumme der Arbeitsentgelte aller Arbeitgeber* |
* begrenzt auf die Beitragsbemessungsgrenzen
Beispielrechnung 2025:
Ein Arbeitnehmer erzielt bei zwei Arbeitgeber im Februar 2025 folgende Entgelte:
- AG A: 4.500 Euro
- AG B: 3.600 Euro
- Gesamt: 8.100 Euro
Da die Jahresarbeitsentgeltgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) (73.800 Euro im Jahr 2025) überschritten wird (12 × 8.100 Euro = 97.200 Euro), ist der Arbeitnehmer freiwillig in der GKV versichert. Arbeitgeber müssen einen anteiligen Zuschuss zur GKV und zur Pflegeversicherung (PV) zahlen.
Berechnungsbasis: BBG Krankenversicherung (KV) = 5.512,50 Euro
AG A:
(5.512,50 Euro × 4.500 Euro) ÷ 8.100 Euro = 3.062,50 Euro
AG B:
(5.512,50 Euro × 3.600 Euro) ÷ 8.100 Euro = 2.450,00 Euro
Zuschuss KV (7,3 Prozent)
AG A: 3.062,50 Euro × 7,3 Prozent = 223,56 Euro
AG B: 2.450,00 Euro × 7,3 Prozent = 178,85 Euro
Bei der Berechnung des Zuschusses zur Krankenversicherung ist der kassenindividuelle Zusatzbeitrag zu berücksichtigen.
Zuschuss KV für Zusatzbeitrag (z. B. 1,6 Prozent)
AG A:
3.062,50 Euro × 1,6 Prozent = 49,00 Euro
AG B:
2.450,00 Euro × 1,6 Prozent = 39,20 Euro
Zuschuss PV (1,7 Prozent)
AG A:
3.062,50 Euro × 1,7 Prozent = 52,06 Euro
AG B:
2.450,00 Euro × 1,7 Prozent = 41,65 Euro
Die Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge werden entsprechend der Beitragsbemessungsgrenze Rentenversicherung/ Arbeitslosenversicherung anteilig verteilt.
Berechnungsbasis: BBG Rentenversicherung (RV) = 8.050,00 Euro
AG A:
(8.050 Euro × 4.500 Euro) ÷ 8.100 Euro = 4.472,22 Euro
AG B:
(8.050 Euro × 3.600 Euro) ÷ 8.100 Euro = 3.577,78 Euro
Verfahren bei Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenzen
Seit dem 01.01.2015 erfolgt die Korrektur bei Überschreitung im nachgelagerten Verfahren. Die Krankenkassenprüfen nach Eingang der DEÜV-Jahresmeldungen (bis spätestens zum 15.02.2026), ob die BBG überschritten wurde. Gegebenenfalls fordern sie GKV-Monatsmeldungen von den beteiligten Arbeitgebern an und berechnen rückwirkend die beitragspflichtigen Entgelte. Grundlage ist § 11 Datenerfassungs- und Übermittelungsverordnung (DEÜV). Die Rückmeldungen erfolgen über die folgenden Datensätze:
- DSKK (Krankenkassenmeldung)
- DBMM (GKV-Monatsmeldung)
- DSME (Datensatz Meldung)
- DBKV (Datenbaustein Krankenversicherung)
- DBBG (Datenbaustein Meldesachverhalt Beitragsbemessungsgrenze
Arbeitgeber können auf freiwilliger Basis auch weiterhin monatlich untereinander abgestimmte Verteilungen der Entgelte durchführen, sofern alle Beteiligten (auch der Arbeitnehmer) einverstanden sind.
Kombination Haupt-beschäftigung und Minijob
Wird neben einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ein Minijob aufgenommen, bleibt dieser versicherungsfrei – eine Zusammenrechnung erfolgt nicht. Die Pauschalabgaben zahlt der Arbeitgeber (13 Prozent KV, 15 Prozent RV an die Knappschaft-Bahn-See).
Auf Antrag kann sich der Arbeitnehmer von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Andernfalls trägt er den Differenzbetrag (2025: 18,6 Prozent – 15 Prozent = 3,6 Prozent).
Lohnsteuerlich wird der Minijob i. d. R. mit 2 Prozent pauschal versteuert. Eine Versteuerung nach ELStAM führt zur Anwendung der Steuerklasse VI.
Hauptbeschäftigung und mehrere Minijobs
Neben einer Hauptbeschäftigung ist nur ein Minijob sozialversicherungsfrei. Weitere Minijobs sind mit der Hauptbeschäftigung zusammenzurechnen und werden voll versicherungspflichtig.
Lohnsteuerlich gilt auch hier: Der zweite und jeder weitere Minijob werden über Steuerklasse VI oder pauschal nach § 40a Abs. 2a EStG abgerechnet.
