Betriebliche Altersversorgung : Beraten und verkauft?
Vertriebskonzepte in der betrieblichen Altersversorgung
Eine umfassende Altersvorsorgeberatung und deren Konzeption haben ihre Tücken: ob in gesetzlichen Fallstricken oder bei bestimmten Vertriebswegen. Der Beitrag wirft ein paar Schlaglichter in das Dickicht und lässt einen Experten zu Wort kommen.
Warum ist Beratung wichtig?
Der Gesetzgeber wünscht sich eine ergänzende Eigenvorsorge über die gesetzliche Rentenversicherung hinaus. Deshalb unterstützt er beispielsweise die betriebliche Altersversorgung mit Steuer- und Sozialabgabenvorteilen.
Entgegen der landläufigen Meinung, dass nur der Arbeitgeber (als formaler Versicherungsnehmer und Gestalter) beraten werden muss und der Arbeitnehmer mit Gruppenveranstaltungen und Plakaten am schwarzen Brett zufrieden sein soll, sehen Gerichte und der Gesetzgeber die Sache anders. Heute ist eine umfassende dokumentierte Einzelberatung mit der Einbeziehung aller Vorsorgebausteine sowie der Aufklärung über Vor- und Nachteile einer betrieblichen Altersversorgung wichtiger denn je.
Hierbei spielt die Beratungsqualität
- durch den Arbeitgeber selbst und seine Beauftragten (z. B. Personalabteilung, HR-PS-Verantwortliche), aber auch
- die Einbeziehung von Dritten (Anbieter und Verkäufer von Durchführungswegen der bAV)
eine entscheidende Rolle.
Seit 22.05.2007 ist ein neues Versicherungsvermittlerrecht in Kraft getreten, das neue Beraterpflichten (z. B. ein ausführliches Beratungsprotokoll, Identifizierung- und Aufklärungserfordernisse) auslöst und durch das neue Versicherungsvertragsgesetz (ab 01.01.2008) und zahlreiche aktuelle Veränderungen (IDD2 etc.) noch stärker in Richtung Verbraucherschutz verändert wurde. Grundsätzlich – so urteilen alle Gerichte – ist immer der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflichten für die betriebliche Altersversorgung – mitunter auch für die Aussagen Dritter – verantwortlich.

Wie sieht die Praxis aus?
Wir haben Herrn Manuel Langreder zum Thema befragt, der seit 2005 groß- und mittelständische Unternehmen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge berät.
1. Wie stellen Sie sich eine ideale Beratung von arbeitnehmer-/arbeitgeberfinanzierter bAV in einem Unternehmen vor?
Die ideale Beratung funktioniert nur in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber. Nur Hand in Hand mit diesem kann ein maßgeschneidertes Konzept entwickelt und jedem Arbeitnehmer eine effiziente Beratung angeboten werden. Jeder Arbeitnehmer soll dabei die Möglichkeit erhalten, seinen Versorgungsbedarf im Alter zu berechnen und die potenziellen Versorgungslücken rechtzeitig zu schließen. Hierfür ist eine individuelle Beratung essenziell. Aus diesem Grund empfehle ich jedem Arbeitgeber, allen Arbeitnehmern eine Stunde der Arbeitszeit für eine Beratung in den Geschäftsräumen zur Verfügung zu stellen. Der Belegschaft sollte das Gefühl gegeben werden, einen starken Partner an ihrer Seite zu haben. Der Arbeitgeber sollte daher nach Möglichkeit nicht nur mit dem gesetzlichen Mindestzuschuss (der Sozialabgabenersparnis) fördern.
2. Wie gehen Sie in der Praxis konzeptionell vor?
Das Thema der bAV sollte in die Lebensplanung des Beratenen einbezogen werden. Um eine optimale Absicherung im Alter zu gewährleisten, führe ich stets eine einzelfallbezogene Bedarfsanalyse durch und prüfe, wie hoch der Bedarf im konkreten Fall ist.
3. Was sind typische Kundenfragen im Gespräch?
Die Fragen kann man prinzipiell in zwei Gruppen unterteilen: erstens die investmentbezogenen Fragen wie zum Beispiel, wo wird das Geld investiert, hat man eine Kapitaloption, wie viel Rente oder Kapital bekommt man ausgezahlt, wie funktioniert es mit den Bruttozahlungen, wie viel Zuschüsse kann man bekommen und was sind die Kosten bei einem Vertrag. Zweitens sind es Fragen, die auf die persönliche Situation abzielen: Was passiert beim Arbeitgeberwechsel oder wenn der Beratene vorher verstirbt/arbeitslos wird/ in Elternzeit geht, kann man den Vertrag ggf. auch privat fortführen und welche Aspekte sind dabei zu beachten.
4. Was sagen Sie zu der Diskussion, dass bAV/LV-Vertriebe mit weniger Provision bzw. sogar Provisionsdeckeln auskommen sollen?
Beratung kostet Geld. Bei jedem Produkt sind Vertriebskosten vorhanden. Durch die Stagnierung der Provisionen und dem damit verbundenen enormen Rückzug der Berater wird es für viele Menschen problematisch, qualifizierte Beratung in Anspruch zu nehmen. Meiner Meinung nach führt dies zu einem Rückgang der privaten Altersvorsorgemaßnahmen und zur Begünstigung der schwarzen Schafe in der Branche, die unseriöse Produkte vertreiben. Es ist prinzipiell der falsche Ansatz, bei einer Beratung, die quasi bis zum Renteneintrittsalter andauert, zu sparen. Entscheidend ist dabei, dass jeder qualifizierte Berater für seine Leistung fair entlohnt wird.
5. Welche Qualifikationen sollte ein bAV-Berater mitbringen?
Der Berater sollte eine tiefe Qualifikation im Bereich Banken und/oder Versicherungen haben. Ein sogenannter „Versicherungsfachmann“ oder Ähnliches genügt hier nicht. Mindestens sollten ergänzende Qualifikationen/Zertifizierungen speziell zur betrieblichen Altersversorgung durch die IHK (wie z. B. Fachwirt Versicherungen und Finanzen) oder andere unabhängige Träger (und nicht den Produktgeber/Versicherer) vorliegen. Da der Arbeitgeber letztendlich für den Vertriebler haftet, ist eine solche Qualifikation unerlässlich.
6. Wie arbeiten Sie mit den Arbeitgebern/Betriebsräten/Personalabteilungen zusammen, um eine möglichst hohe Abdeckung mit den bAV-Produkten in der Belegschaft zu erreichen?
Es ist wichtig, eng mit allen Beteiligten zu arbeiten und unter anderem auch dem Betriebsrat die Wichtigkeit der bAV zu vermitteln. Der Belegschaft sollte erklärt werden, dass wir alle in Zukunft mit Rentenversorgungsproblemen zu kämpfen haben und vor einem riesigen gesetzlichen Rentenloch stehen werden. Die Unterstützung des Arbeitgebers durch partielle Freistellung der Mitarbeiter für die Beratung ist von enormem Vorteil. In vielen Ländern ist die Betriebsrente eine Pflicht geworden und genau dieses sollte auch so vom Arbeitgeber unterstützt werden. Sollten Arbeitnehmer wider Erwarten keine bAV machen wollen, können sie immer und jederzeit darauf schriftlich und dokumentiert verzichten.
Praxistipps zur bAV-Beratung
So könnte der typische Ablauf einer Beratung in der bAV aussehen:
Teil 1: Arbeitgeberberatung
- Aufnahme der beratungsrelevanten Faktoren und Wünsche und Ziele des Arbeitgebers
- Abgabe einer entsprechenden Empfehlung im Hinblick auf Durchführungsweg(e), mögliche Anbieter und mögliche Tarif
- meist: Angebot der Zusatzdienstleistung in der Form, dass der Vermittler die Arbeitnehmer über das neu eingerichtete/neu geordnete Versorgungswerk des Arbeitgebers berät
- Entscheidung des Arbeitgebers
Teil 2: Arbeitnehmerberatung
- Durchführung einer Betriebsversammlung i. d. R. durch den Vermittler im Auftrag des Arbeitgebers
- auf Wunsch des Arbeitnehmers Durchführung einer Einzelberatung zum bestehenden Versorgungswerk
- Diese Einzelberatung wird häufig auf einem Formblatt angefordert, wobei der Arbeitnehmer einen Umwandlungsbetrag als Wunschbetrag äußert
- Entscheidung des Arbeitnehmers
Teil 3: Einvernehmlicher Abschluss einer Entgeltumwandlungsvereinbarung und des entsprechenden Versicherungsvertrags durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer
- Arbeitnehmer und Arbeitgeber ändern den Arbeitsvertrag durch eine Entgeltumwandlungsvereinbarung
- Abschluss eines entsprechenden Versicherungsvertrages
Ausblick
Betriebliche Altersversorgung gehört inzwischen zum guten Ton jedes Unternehmens, um die begehrten Fach- und Arbeitskräfte zu erhalten. Beratungsqualität und lückenlose Dokumentation – gerade auch bei Verzicht auf das Angebot der bAV – sind noch nicht so weit verbreitet, sollten aber stärker in den Fokus rücken, um Haftungsfallen und spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.