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Aktuelles aus dem Arbeitsrecht

Lesezeit 14 Min.

EuGH fordert verpflichtende Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit

Die spanische Gewerkschaft Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO) erhob vor der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof, Spanien) eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Deutsche Bank SAE, ein System zur Erfassung der von deren Mitarbeitern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzurichten. Sie vertritt die Auffassung, dass mit diesem System die Einhaltung der vorgesehenen Arbeitszeit und der in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen Verpflichtung, den Gewerkschaftsvertretern die Angaben über die monatlich geleisteten Überstunden zu übermitteln, überprüft werden könne. Nach Auffassung der CCOO ergebe sich die Verpflichtung zur Einrichtung eines solchen Registrierungssystems nicht nur aus den innerstaatlichen Rechtsvorschriften, sondern auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und der Arbeitszeitrichtlinie. Die Deutsche Bank macht geltend, der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberstes Gericht, Spanien) lasse sich entnehmen, dass das spanische Recht keine solche allgemeingültige Verpflichtung vorsehe. Nach dieser Rechtsprechung schreibe das spanische Gesetz nämlich, sofern nichts anderes vereinbart worden sei, nur die Führung einer Aufstellung der von den Arbeitnehmern geleisteten Überstunden sowie die Übermittlung der Zahl dieser Überstunden zum jeweiligen Monatsende an die Arbeitnehmer und ihre Vertreter vor.

Ein dreidimensionales metallisches Absatzsymbol, auch Paragraphenzeichen (§) genannt, ist aufrecht stehend auf weißem Hintergrund dargestellt. Seine reflektierende Oberfläche wirft einen leichten Schatten nach unten.

Die Audiencia Nacional hegt Zweifel an der Vereinbarkeit der Auslegung des spanischen Gesetzes durch das Tribunal Supremo mit dem Unionsrecht und hat den Gerichtshof dazu befragt. Dem Gerichtshof vorgelegten Informationen zufolge werden 53,7 Prozent der in Spanien geleisteten Überstunden nicht erfasst. Darüber hinaus halte es das spanische Ministerium für Beschäftigung und soziale Sicherheit zur Feststellung, ob Überstunden geleistet worden seien, für erforderlich, die Zahl der gewöhnlich geleisteten Arbeitsstunden genau zu kennen. Die Audiencia Nacional weist darauf hin, dass mit der Auslegung des spanischen Rechts durch das Tribunal Supremo zum einen die Arbeitnehmer ein wesentliches Beweismittel, mit dem sie dartun könnten, dass ihre Arbeitszeit die Höchstarbeitszeit überschritten habe, und zum anderen ihre Vertreter die erforderlichen Mittel für die Überprüfung der Achtung der in dem Bereich anwendbaren Regeln verlören.

Daher könne das spanische Recht nicht die tatsächliche Einhaltung der in der Arbeitszeitrichtlinie und der Richtlinie über die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer bei der Arbeit vorgesehenen Verpflichtungen gewährleisten.

Mit seinem Urteil vom 14.05.2019 (C-55/18) erklärt der EuGH, dass diese Richtlinien im Licht der Charta einer Regelung entgegenstehen, die nach ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte die Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Der EuGH weist zunächst auf die Bedeutung des Grundrechts eines jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten hin, das in der Charta verbürgt ist und dessen Inhalt durch die Arbeitszeitrichtlinie weiter präzisiert wird. Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass den Arbeitnehmern die ihnen verliehenen Rechte zugutekommen, ohne dass die zur Sicherstellung der Umsetzung der Richtlinie gewählten konkreten Modalitäten diese Rechte inhaltlich aushöhlen dürfen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen ist, so dass verhindert werden muss, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegt.

Der EuGH stellt fest, dass ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann, weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden kann, so dass es für die Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich ist, ihre Rechte durchzusetzen.

Die objektive und verlässliche Bestimmung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit ist nämlich für die Feststellung, ob die wöchentliche Höchstarbeitszeit einschließlich der Überstunden sowie die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten eingehalten worden sind, unerlässlich. Der EuGH vertritt daher die Auffassung, dass eine Regelung, die keine Verpflichtung vorsieht, von einem Instrument Gebrauch zu machen, das diese Feststellung ermöglicht, die praktische Wirksamkeit der von der Charta und von der Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte nicht gewährleistet, da weder die Arbeitgeber noch die Arbeitnehmer überprüfen können, ob diese Rechte beachtet werden. Eine solche Regelung könnte daher das Ziel der Richtlinie, das darin besteht, einen besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer sicherzustellen, gefährden, und zwar unabhängig von der nach dem nationalen Recht vorgesehenen wöchentlichen Höchstarbeitszeit. Dagegen bietet ein Arbeitszeiterfassungssystem den Arbeitnehmern ein besonders wirksames Mittel, einfach zu objektiven und verlässlichen Daten über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu gelangen, und erleichtert dadurch sowohl den Arbeitnehmern den Nachweis einer Verkennung ihrer Rechte als auch den zuständigen Behörden und nationalen Gerichten die Kontrolle der tatsächlichen Beachtung dieser Rechte.

Um die praktische Wirksamkeit der von der Arbeitszeitrichtlinie und der Charta verliehenen Rechte zu gewährleisten, müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber daher verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Es obliegt den Mitgliedstaaten, die konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines solchen Systems, insbesondere der von ihm anzunehmenden Form, zu bestimmen und dabei gegebenenfalls den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung zu tragen. Bereits in der Ausgabe Juni 2019 haben wir Sie über die Auswirkungen dieses Urteils informiert. Die Umsetzung in der deutschen Gesetzgebung bleibt abzuwarten.

Quelle: EuGH-Pressemitteilung 61/19 vom 14.05.2019

BAG: Kündigung nach Eingang der Massenentlassungsanzeige sofort zulässig

Die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige kann auch dann wirksam erstattet werden, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Agentur für Arbeit bereits zur Kündigung entschlossen ist. Kündigungen im Massenentlassungsverfahren sind daher — vorbehaltlich der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen — wirksam, wenn die Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingeht, bevor dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen ist.

Mit Beschluss vom 01.06.2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Die von ihm verfasste Massenentlassungsanzeige ging am 26.06.2017 zusammen mit einem beigefügten Interessenausgleich bei der Agentur für Arbeit ein. Mit Schreiben vom 26.06.2017 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ebenso wie die Arbeitsverhältnisse der anderen 44 zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten Arbeitnehmer ordentlich betriebsbedingt zum 30.09.2017. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 27.06.2017 zu. Dieser macht mit seiner Kündigungsschutzklage unter anderem geltend, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) habe der Arbeitgeber auch seiner Anzeigepflicht vor einer Entscheidung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses nachzukommen. Darum dürfe die Unterschrift unter das Kündigungsschreiben, mit der die Kündigungserklärung konstitutiv geschaffen werde, erst erfolgen, nachdem die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei. Das LAG ist dem gefolgt und hat der Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben.

Die Anzeige müsse die Agentur für Arbeit erreichen, bevor der Arbeitgeber die Kündigungsentscheidung treffe, was sich in der Unterzeichnung des Kündigungsschreibens manifestiere.

Die Revision des Beklagten hatte vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG (6 AZR 459/18). Das selbstständig neben dem nach § 17 Abs. 2 KSchG durchzuführenden Konsultationsverfahren stehende, in § 17 Abs. 1, Abs. 3 Sätze 2 bis 5 KSchG geregelte Anzeigeverfahren dient beschäftigungspolitischen Zwecken. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung unterrichtet werden, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. Das setzt voraus, dass bereits feststeht, wie viele und welche Arbeitnehmer konkret entlassen werden sollen. Auf den Willensentschluss des Arbeitgebers zur Kündigung kann, soll und will die Agentur für Arbeit — anders als der Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens — keinen Einfluss nehmen. Die Kündigung darf allerdings erst dann erfolgen, d. h. dem Arbeitnehmer zugehen (§ 130 Abs. 1 BGB), wenn die Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen ist. Dies ist durch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 und Art. 4 der Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie) geklärt, so dass der Senat von einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV abgesehen hat.

Das BAG konnte anhand der bisher getroffenen Feststellungen die Wirksamkeit der Kündigung nicht abschließend beurteilen. Das LAG wird aufzuklären haben, ob die Massenentlassungsanzeige inhaltlich den Vorgaben des § 17 Abs. 3 KSchG genügte und ob das Anhörungsverfahren gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ordnungsgemäß eingeleitet wurde. BAG-Pressemitteilung 25/19 vom 13.06.2019

BAG: Pauschalvergütung von Überstunden durch Betriebsvereinbarung

Eine tarifvertragsersetzende Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen einer Gewerkschaft und ihrem Gesamtbetriebsrat ist unwirksam, soweit sie bestimmt, dass Gewerkschaftssekretäre, die im Rahmen vereinbarter Vertrauensarbeitszeit regelmäßig Mehrarbeit leisten, als Ausgleich hierfür pauschal eine näher bestimmte Anzahl freier Arbeitstage im Kalenderjahr erhalten. Sie bestimmt die Voraussetzungen des Mehrarbeitsausgleichs nicht hinreichend klar und verletzt zudem den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, urteilt das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 26.06.2019 (5 AZR 452/18).

Der Kläger ist bei der beklagten Gewerkschaft als Gewerkschaftssekretär mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Die Parteien haben „Vertrauensarbeitszeit“ vereinbart, d. h. der Kläger hat über Beginn und Ende der Arbeitszeit grundsätzlich selbst zu entscheiden. Auf das Arbeitsverhältnis finden die in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossenen „Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die verdi-Beschäftigten“ (AAB) Anwendung. Diese sehen vor, dass Gewerkschaftssekretäre, die regelmäßig Mehrarbeit leisten, als Ausgleich neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr erhalten. Die anderen Beschäftigten haben dagegen für jede geleistete Überstunde Anspruch auf einen Freizeitausgleich von einer Stunde und achtzehn Minuten (= 30 Prozent Überstundenzuschlag) bzw. auf eine entsprechende Überstundenvergütung.

Der Kläger hat für vier Monate, in denen er neben seinen sonstigen Aufgaben in einem Projekt arbeitete, die Vergütung von Überstunden in Höhe von 9.345,84 Euro brutto verlangt. Unter Berufung auf von seinen Vorgesetzten in dieser Zeit abgezeichnete Zeiterfassungsbögen hat er vorgetragen, er habe in diesen Monaten insgesamt 255,77 Überstunden geleistet. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, sämtliche Überstunden des Klägers seien mit den neun Ausgleichstagen nach den AAB abgegolten. Zudem hat sie bestritten, dass der Kläger Überstunden in dem von ihm behaupteten Umfang geleistet habe und diese von ihr angeordnet, gebilligt oder geduldet worden seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision des Klägers war vor dem BAG erfolgreich. Die AAB sind teilunwirksam, soweit sie für bestimmte Gewerkschaftssekretäre eine Pauschalvergütung von Überstunden vorsehen. Der Anwendungsbereich der Norm verstößt mit der Voraussetzung „regelmäßiger Mehrarbeit“ gegen das Gebot der Normenklarheit, weil für die Beschäftigten nicht hinreichend klar ersichtlich ist, in welchem Fall eine solche anzunehmen ist und in welchem Fall nicht. Außerdem genügt die Regelung nicht dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine — wie auch immer geartete — „Regelmäßigkeit“ von Überstunden ist kein taugliches Differenzierungskriterium dafür, ob die Vergütung von Überstunden pauschaliert oder „spitz“ nach den tatsächlich geleisteten Überstunden gezahlt wird. Der Kläger hat deshalb Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeitsstunden zzgl. des in den AAB vorgesehenen Zuschlags von 30 Prozent. Über die Höhe der dem Kläger noch zustehenden Vergütung konnte das BAG anhand der bisher getroffenen Feststellungen nicht entscheiden und hat deshalb die Sache an das LAG zurückverwiesen. Dieses wird nun feststellen müssen, wie viele Überstunden der Kläger im Streitzeitraum tatsächlich geleistet hat.

BAG-Pressemitteilung 27/19 vom 26.06.2019

LAG: Massenentlassungsanzeige und Kündigungserklärung

Ein Arbeitgeber verstößt nicht gegen § 17 Abs. 1 KSchG, wenn er bei einer Massenentlassung die Kündigungsschreiben unterzeichnet und dann die Entlassungen bei der Agentur für Arbeit anzeigt. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in zwei Urteilen (vom 25.04.2019 – 21 Sa 1534/18 und vom 09.05.2019 – 18 Sa 1449/18) entschieden, wobei es jeweils von einer Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 21.08.2018 (12 Sa 17/18) abgewichen ist.

Die Arbeitgeberin hatte eine Vielzahl von Kündigungsschreiben unterzeichnet, anschließend die Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit angezeigt und dann die Kündigungsschreiben versandt. Das LAG hat dieses Vorgehen für rechtlich zulässig gehalten. Das Verfahren nach § 17 Abs. 1 KSchG diene – anders als das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG bzw. die Betriebsratsanhörung nach § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) – nicht dazu, auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einzuwirken; der Arbeitgeber dürfe daher endgültig zur Vornahme der Massenentlassung entschlossen sein, bevor er diese bei der Agentur für Arbeit anzeige. Ob die Massenentlassungsanzeige vor dem Absenden oder erst vor dem Zugang der Kündigungserklärungen erfolgen müsse, hat das LAG Berlin-Brandenburg unterschiedlich entschieden. Die Revision zum Urteil vom 25.04.2019 ist zugelassen.

Pressemitteilung 15/19 des LAG Berlin-Brandenburg vom 04.06.2019

Renten zum 01.07. gestiegen

Am 01.07.2019 sind die Renten in Ostdeutschland um 3,91 Prozent, in Westdeutschland um 3,18 Prozent gestiegen. Der Beschluss des Bundeskabinetts vom 30.04.2019 machte den Weg zur Erhöhung frei.

In diesem Jahr greift für die neuen Bundesländer zum zweiten Mal die 2017 gesetzlich beschlossene Ost-West-Rentenangleichung. Der aktuelle Rentenwert (Ost) wird so angepasst, dass er mindestens die gesetzlich festgelegte Angleichungsstufe von 96,5 Prozent des Westwerts erreicht.

Die Gründe für die Erhöhung sind die weiterhin gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und steigende Löhne. Die Löhne sind 2018 im Westen im Vergleich zu 2017 um 2,39 Prozent gestiegen. Im Osten waren es 2,99 Prozent.

Auch für Landwirtinnen und Landwirte verändern sich die Rentenbezüge. Der allgemeine Rentenwert (West) für im Ruhestand befindliche Landwirtinnen und Landwirte beträgt ab 01.07.2019 15,26 Euro beziehungsweise 14,70 Euro (Ost).

Gleichzeitig ändern sich auch die Leistungen für Versorgungsberechtigte wie Kriegs- und Wehrdienstopfer sowie Impfgeschädigte und Opfer von Gewalttaten. Die Versorgungsbezüge erhöhen sich zum 01.07.2019 um 3,18 Prozent.

Bundeskabinett will Mindestlöhne für Auszubildende

Das Bundeskabinett hat am 15.05.2019 eine Mindestvergütung für Auszubildende beschlossen. Die Novelle des Berufsbildungsgesetzes sieht vor, dass Auszubildende ab 2020 im ersten Ausbildungsjahr monatlich mindestens 515 Euro erhalten. Bis 2023 soll sich die Mindestvergütung schrittweise auf 620 Euro erhöhen.

Wie die Bundesregierung mitteilt, soll die Mindestvergütung für Auszubildende für neue Ausbildungsverträge ab dem 01.01.2020 gelten, die außerhalb der Tarifbindung liegen. Die Mindestvergütung im ersten Ausbildungsjahr erhöhe sich 2021 auf 550 Euro, 2022 auf 585 Euro und 2023 auf 620 Euro. Im zweiten Ausbildungsjahr steige die Mindestvergütung um 18 Prozent, im dritten um 35 Prozent und im vierten Ausbildungsjahr um 40 Prozent.

Ein weiteres wichtiges Ziel der Gesetzesnovelle sei es, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der beruflichen Bildung zu sichern. In Deutschland gebe es heute unzählige Fortbildungsabschlüsse und -bezeichnungen. Der Wildwuchs an Bezeichnungen solle bald der Vergangenheit angehören: In der höherqualifizierenden Berufsbildung solle es künftig die Abschlüsse „Geprüfte/r Berufsspezialist/-in“, „Bachelor Professional“ und „Master Professional“ geben.

Zudem werde die Möglichkeit erweitert, eine Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren. Bisher sei dies nur für leistungsstarke Auszubildende zulässig, die alleinerziehend seien oder Angehörige pflegten. Künftig solle dieser Weg insbesondere auch Geflüchteten, lernbeeinträchtigten Menschen sowie Menschen mit Behinderungen offenstehen. Voraussetzung für eine Ausbildung in Teilzeit sei die Zustimmung des Ausbildungsbetriebs.

Darüber hinaus werde unter anderem das Prüfungswesen in der beruflichen Bildung flexibler gestaltet und die Durchlässigkeit bei aufeinander aufbauenden Ausbildungsberufen verbessert. Zugleich biete die Novellierung die Gelegenheit, Verfahren zu modernisieren, zu vereinfachen und zu verkürzen. Bürokratie solle auf diese Weise abgebaut werden.

Entwurf eines Gesetzes für höhere Pflegelöhne

Die Bundesregierung will die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften verbessern. Das Kabinett hat nach Informationen der Bundesregierung vom 19.06.2019 einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Bezahlung verbessern soll. Die geplante Neuregelung eröffnet zwei Wege, um zu höheren Pflegelöhnen zu kommen: entweder über einen Flächentarifvertrag oder über höhere Lohnuntergrenzen.

Die Tarifpartner könnten einen flächendeckenden Tarifvertrag abschließen, den das Bundesarbeitsministerium auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Pflege erstrecken würde. Damit würden die ausgehandelten Tariflöhne für die ganze Branche gelten. Die Tarifverhandlungen wolle der neu gegründete Arbeitgeberverband, die Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche, aufnehmen. Mit dem Gesetz werde auch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gewahrt, denn vor Abschluss des Tarifvertrags müssten die kirchlichen Pflegelohn-Kommissionen angehört werden. Außerdem müssten mindestens zwei Kommissionen repräsentativer Religionsgemeinschaften zustimmen, damit die Tarifpartner die Erstreckung des Tarifvertrags beantragen können.

Als zweite Möglichkeit sieht der Gesetzentwurf vor, über höhere Lohnuntergrenzen die Bezahlung in der Pflege insgesamt anzuheben. Eine künftig ständige, paritätisch besetzte Pflegekommission soll Vorschläge für unterschiedliche Mindestlöhne für Hilfs- und Fachkräfte erarbeiten. Diese Mindestlöhne könne das Bundesarbeitsministerium dann als allgemeinverbindlich für die gesamte Branche festlegen. In Ost- und Westdeutschland sollen Pflegekräfte künftig denselben Lohn erhalten.

Bisher gibt es keinen bundesweiten Tarifvertrag in der Pflege — nur einen allgemeinen Pflegemindestlohn. Das liegt an der Struktur der Branche mit privaten, kommunalen, freigemeinnützigen und kirchlichen Arbeitgebern. Zum Beispiel gelten in der Altenpflege nur für 20 Prozent der Beschäftigten tarifliche Arbeitsbedingungen. Der allgemeine Pflegemindestlohn gilt noch bis zum 30.04.2020. Er beträgt derzeit 11,05 Euro pro Stunde in Westdeutschland und 10,55 Euro in Ostdeutschland. Von diesem Mindestlohn profitieren bisher vor allem Pflegehilfskräfte.

Porträt von Markus Stier neben einem orangefarbenen Textfeld. Das Textfeld enthält seinen Namen und seine Berufsbezeichnungen: „alga-Competence-Center, Leiter diverser DATAKONTEXT-ARGEn Entgeltabrechnung, Autor ‚Einmaleins der Entgeltabrechnung‘.“

 

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