Aktuelles aus dem Lohnsteuerrecht
BFH: Keine Steuerermäßigung für Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld
Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld sind nicht als Entschädigung ermäßigt zu besteuern. Es handelt sich vielmehr um laufenden Arbeitslohn, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 12.03.2019 (IX R 44/17) zu Zahlungen einer Transfergesellschaft im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses entschieden hat.
Im Streitfall wechselte der Kläger — nach mehr als 24 Jahren Beschäftigungszeit — wegen der Stilllegung eines Werkes des Arbeitgebers zu einer Transfergesellschaft. Für die einvernehmliche Aufhebung des langjährigen Beschäftigungsverhältnisses zahlte der bisherige Arbeitgeber dem Kläger eine Abfindung. Gleichzeitig schloss der Kläger mit der Transfergesellschaft ein befristetes Arbeitsverhältnis für die Dauer von zwei Jahren mit dem Ziel ab, dem Kläger Qualifizierungsmöglichkeiten zu eröffnen und seine Arbeitsmarktchancen zu verbessern. Den Kläger trafen arbeitsvertraglich geregelte Mitwirkungs — und Teilnahmepflichten. Er hatte den Weisungen der Transfergesellschaft zu folgen. Ein Beschäftigungsanspruch bestand nicht.
Grundlage für das neue Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft war die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld gemäß § 111 SGB III. Die Transfergesellschaft verpflichtete sich zur Zahlung eines Zuschusses zum Transferkurzarbeitergeld. Das Finanzamt behandelte die Aufstockungsbeträge als laufenden, der normalen Tarifbelastung unterliegenden Arbeitslohn nach § 19 EStG. Der Kläger war demgegenüber der Auffassung, es handele sich um eine ermäßigt zu besteuernde Entschädigung i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG für den Verlust seines früheren Arbeitsplatzes. Der BFH bestätigte die Auffassung des Finanzamtes. Die Aufstockungsbeträge seien dem Kläger aus dem mit der Transfergesellschaft geschlossenen Arbeitsverhältnis zugeflossen und durch dieses unmittelbar veranlasst. Daher stellten sie eine Gegenleistung für die vom Kläger aus dem Arbeitsverhältnis geschuldeten Arbeitnehmerpflichten dar. Der Annahme von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit stehe nicht entgegen, dass der Kläger weder einen Anspruch auf Beschäftigung gegenüber der Transfergesellschaft hatte noch diese zur tatsächlichen Beschäftigung des Klägers verpflichtet war.
Der BFH begründete dies damit, dass ein Arbeitgeber auf die Arbeitsleistung eines Mitarbeiters auch ganz verzichten könne, ohne dass dies Einfluss auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses habe.
BFH-Pressemitteilung 36 vom 13.06.2019
Bundesrechnungshof fordert vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags
Die Bundesregierung sollte, entgegen der jetzigen Planung, den Solidaritätszuschlag vollständig und zügig abschaffen, empfiehlt der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, in seiner Funktion als BWV. Nach seiner Meinung sollten hierfür im neuen Finanzplan 2019 bis 2023 die erforderlichen Planungsreserven vorgesehen werden.
Nach den Plänen der Regierungskoalition sollen mittlere und untere Einkommen ab dem Jahr 2021 beim Solidaritätszuschlag entlastet werden. Im Übrigen soll der Solidaritätszuschlag über das Ende des Finanzplanungszeitraums hinaus unverändert fortgeführt werden.
Präsident Scheller sieht in der Vorgehensweise erhebliche verfassungsrechtliche und finanzwirtschaftliche Risiken. Die Grundlage für den Solidaritätszuschlag fällt Ende 2019 weg. „Wie im Fall der Kernbrennstoffsteuer ist die Gefahr real, dass der Bund zu milliardenschweren Steuerrückzahlungen verurteilt wird.“ Dies würde ein erhebliches Loch in die Finanzplanung des Bundes reißen, so Scheller.
Nach Einschätzung des BWV wäre es möglich, zumindest bis zum Ende des neuen Finanzplanungszeitraums im Jahr 2023 einen vollständigen Abbau umzusetzen — auch mit Blick auf die Vorgaben der Schuldenregel.
Der BWV macht in seinem Gutachten Vorschläge, wie die Mindereinnahmen gegenüber der aktuellen Finanzplanung kompensiert werden könnten. Darunter fällt eine kritische Überprüfung der Leistungen des Bundes für Aufgaben von Ländern und Kommunen sowie der vielfältigen Steuervergünstigungen. Zur Vermeidung von Einnahmeverlusten könnte ggf. auch der Einkommensteuertarif umgestaltet werden.
Bundesrechnungshof-Pressemitteilung vom 04.06.2019
BFH bestätigt Reisekostenrecht
Das steuerliche Reisekostenrecht, das seit dem Jahr 2014 den Werbungskostenabzug für nicht ortsfest eingesetzte Arbeitnehmer und Beamte — wie z. B. Streifenpolizisten — einschränkt, ist verfassungsgemäß, wie der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 04.04.2019 (VI R 27/17) entschieden hat. Zeitgleich hat der BFH vier weitere Urteile veröffentlicht, die die Folgen der geänderten Rechtslage für andere Berufsgruppen — wie etwa Piloten, Luftsicherheitskontrollkräfte oder befristet Beschäftigte — verdeutlichen (Urteile vom 10.04.2019 (VI R 6/17), vom 11.04.2019 (VI R 36/16), vom 11.04.2019 (VI R 40/16) und vom 11.04.2019 (VI R 12/17)).
Steuerrechtlich sind beruflich veranlasste Fahrtkosten von nichtselbständig Beschäftigten grundsätzlich in Höhe des tatsächlichen Aufwands als Werbungskosten abziehbar. Abzugsbeschränkungen bestehen allerdings für den Weg zwischen der Wohnung und dem Arbeits- oder Dienstort. Werbungskosten liegen hier nur im Rahmen der sog. Pkw-Entfernungspauschale i. H. v. 0,30 Euro je Entfernungskilometer vor. Dabei definiert das neue Recht den Arbeits- oder Dienstort als „erste Tätigkeitsstätte“ (bis 31.12.2013: „regelmäßige Arbeitsstätte“). Nach dem neuen Recht bestimmt sich die erste Tätigkeitsstelle anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber (§ 9 Abs. 4 EStG). Demgegenüber kam es zuvor auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers an. Diese Änderung ist für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG) sowie der Verpflegungspauschalen (§ 9 Abs. 4a Satz 1 EStG) von Bedeutung.
Der Streitfall VI R 27/17 betraf einen Polizisten, der arbeitstäglich zunächst seine Dienststelle aufsuchte und von dort seinen Einsatz- und Streifendienst antrat. Die Tätigkeiten in der Dienststelle beschränkten sich im Wesentlichen auf die Vor- und Nachbereitung des Einsatz- und Streifendienstes. In seiner Einkommensteuererklärung für 2015 machte er Fahrtkosten von seiner Wohnung zu der Polizeidienststelle sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Er ging davon aus, dass keine erste Tätigkeitsstätte vorliege, da er schwerpunktmäßig außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig sei. Das Finanzamt (FA) berücksichtigte Fahrtkosten lediglich in Höhe der Entfernungspauschale. Mehraufwendungen für Verpflegung setzte es nicht an. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Der BFH hat die Vorinstanz bestätigt. Nach neuem Recht ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer oder Beamte einer ersten Tätigkeitsstätte durch arbeits- oder dienstrechtliche Festlegungen sowie diese ausfüllende Absprachen und Weisungen des Arbeitgebers (Dienstherrn) dauerhaft zugeordnet ist. Ist dies der Fall, kommt es auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht an. Ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer (Beamte) am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat. Dies war nach den Feststellungen des FG bei dem Streifenpolizisten im Hinblick auf Schreibarbeiten und Dienstantrittsbesprechungen der Fall.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung verneint der BFH. Der Gesetzgeber habe sein Regelungsermessen nicht überschritten, da sich Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken könnten.
Der Streitfall VI R 40/16 betraf eine Pilotin. Auch sie machte die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Flughafen sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen erfolglos gegenüber FA und FG geltend. Der BFH hat auch in diesem Fall das FG-Urteil bestätigt. Fliegendes Personal — wie Piloten oder Flugbegleiter —, das von seinem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die arbeitsvertraglich geschuldet sind, hat nach dem Urteil des BFH dort seine erste Tätigkeitsstätte. Da die Pilotin in den auf dem Flughafengelände gelegenen Räumen der Airline in gewissem Umfang auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Flugvor- und Flugnachbereitung zu erbringen hatte, verfügte sie dort über eine erste Tätigkeitsstätte. Unerheblich war somit, dass sie überwiegend im internationalem Flugverkehr tätig war. Der BFH weist zudem darauf hin, dass auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) als (großräumige) erste Tätigkeitsstätte in Betracht kommt.
Ebenso hat der BFH in der Sache VI R 12/17 den Ansatz der Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen bei einer Luftsicherheitskontrollkraft verneint, die auf dem gesamten Flughafengelände eingesetzt wurde.
Mit zwei weiteren Urteilen (VI R 36/16 und VI R 6/17) hat der BFH bei befristeten Arbeitsverhältnissen entschieden, dass eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer des befristeten Dienst- oder Arbeitsverhältnisses an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung tätig werden soll. Erfolgt während der Befristung eine Zuordnung zu einer anderen Tätigkeitsstätte, stellt letztere keine erste Tätigkeitsstätte mehr dar, weshalb ab diesem Zeitpunkt wieder die Dienstreisegrundsätze Anwendung finden. Damit war der Kläger in der Sache VI R 6/17 erfolgreich. Der BFH bestätigte hier die Klagestattgabe durch das FA, so dass dem Kläger Reisekosten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit mit 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer zustehen. Im Fall VI R 36/16 kam es zu einer Zurückverweisung an das FG, damit geprüft wird, ob überhaupt ortsfeste Einrichtungen vorliegen.
Quelle: BFH-Pressemitteilung 43 vom 18.07.2019
