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Advocatus Diaboli – Das Sozialpartnermodell im Faktencheck

Am Sozialpartnermodell scheiden sich die Geister. Die einen jubeln, die anderen sind mehr als skeptisch. Wir haben einen ausgewiesenen bAV-Experten mit allen Vorurteilen im Markt konfrontiert und ein interessantes Stimmungsbild erhalten.

Lesezeit 6 Min.

Die Historie des BRSG

m Jahr 2018 ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) in Kraft getreten und mit ihm auch das neue Sozialpartner-/Tarifpartnermodell. Es soll Gewerkschaften und Arbeitgebern in Tarifverhandlungen die Möglichkeit geben, eine neue Form der betrieblichen Altersversorgung zu installieren, die ohne Haftung des Arbeitgebers die Chancen an der Börse nutzen soll. Viele sind skeptisch, aber die Vorbereitungen für den Piloten laufen emsig.

Ein lächelnder Mann mit kurzen grauen Haaren und Brille trägt einen dunklen Blazer über einem hellblauen Hemd. Er steht vor einer strukturierten hellgrauen Wand.

Das Interview

Deshalb haben wir Hans-Joerg Lenz (IVS-Sachverständiger und fachlich Verantwortlicher der HUK-COBURG für bAV/Konsortium Rentenwerk) zu den gängigen Vorurteilen intensiv befragt.

Herr Lenz, wir konfrontieren Sie nun mit einigen Vorurteilen mit Blick auf das Sozialpartnermodell und sind gespannt auf Ihre jeweilige Einschätzung.

Erstes Vorurteil: „Das Sozialpartnermodell ist nur eine politische Kopfgeburt und wird von den Marktakteuren nicht angenommen.“

 

Das Gegenteil ist der Fall. Die Politik hat erkannt, dass die bisherigen Altersvorsorgesysteme allein nicht ausreichend sind, um in der Breite der Bevölkerung eine akzeptable Vorsorge fürs Alter darzustellen. Mit dem Sozialpartnermodell und insbesondere den diesbezüglichen Lösungen des Rentenwerks wird auf intelligente Art und Weise ein Instrument geschaffen, das dank seiner günstigen Kostenstruktur für Arbeitnehmer die Chance bietet, auch mit geringeren Beiträgen ansehnliche Renten zu erwirtschaften.

Das Modell braucht sicher Vorlaufzeit, aber klar ist auch: Die Sozialpartner können die Rentenprobleme von morgen lösen und gemeinsam die Arbeitnehmer überzeugen, neben der gesetzlichen Rente auch betrieblich vorzusorgen. Das ist gerade für Geringverdiener wichtig, aber nicht nur.

Das neue Modell erlaubt es, umlage- und kapitalgedeckte Vorsorge zu kombinieren, sprich: Viele Beschäftigte sparen in einen gemeinsamen Topf, also im „Kollektiv“ – und ihre Beiträge fließen in Anlagen, die sich langfristig lohnen sollen. Bei diesen Anlagen ist oft von „Produktivvermögen“ die Rede, insbesondere Aktien, das heißt: Durch breit gestreute Fonds halten die Arbeitnehmer gewissermaßen Anteile an vielen, vielen Unternehmen und profitieren so von deren Wachstum. Rendite fließt dabei während des Sparens, aber auch, wenn die Beschäftigten in Rente gehen: Das Rest-vermögen bleibt ja angelegt.

Gerade die Tarifparteien sind geeignet, eine solche kollektive, kapitalgedeckte Altersversorgung für ganze Branchen zu verhandeln. Das Rentenwerk ist in einem solchen Modell natürlicher Partner: Alle bei uns beteiligten Versicherer sind genossenschaftlich geprägt, also allein ihren Mitgliedern verpflichtet, nicht etwa dem Kapitalmarkt.

Zweites Vorurteil: „Betriebliche Altersvorsorge ohne Garantien im Sozialpartnermodell ist an die Arbeitnehmer/Mitarbeiter nicht vermittelbar.“

Man muss das Modell gut erklären und dafür brauchen wir natürlich die Gewerkschaften, Betriebsräte und Arbeitgeber. Dass Garantien wegfallen, ist eine gute Nachricht, selbst wenn „wegfallen“ erstmal nicht so klingt.

Seit vielen Jahren leben wir im Euro-Raum mit quasi null Zinsen, und erst der Verzicht auf Garantien ermöglicht es den Beschäftigten, dass ihr Vermögen fürs Alter wieder stärker wachsen kann, weil ihre Beiträge beim Rentenwerk auch in langfristig und nachhaltig angelegte Wertpapiere fließen dürfen. Die versprechen nun mal mehr Rendite als eine Garantie-Anlage – niemand will ja, dass die Inflation sein Erspartes nach und nach dezimiert. Die Kurse von Aktien und anderen Wertpapieren können zwar schwanken, aber wer für die spätere Rente spart, tut das über Jahre und Jahrzehnte. Zwischenzeitliche BörsenTiefs haben sich in der Vergangenheit über lange Zeiträume stets ausgeglichen.

Zentral ist zudem: Sicherheit ist auch ohne Garantien möglich – speziell beim Rentenwerk. Die fünf hier beteiligten Versicherer stehen für Verlässlichkeit, Planbarkeit und solide Anlagen. So wollen wir mit den Tarifpartnern abstimmen, welche Sicherungsmechanismen wir einbauen und wie wir Risiken streuen, so dass Kurse erwartungsgemäß weniger schwanken. Chancen nutzen, aber mit Sinn und Verstand, das ist unser Ziel.

Drittes Vorurteil: „Gewerkschaften haben traditionell kein glückliches Händchen mit Geld/Geldanlage (z. B. Neue Heimat, Coop) und taugen nicht zu Aufsehern über die Sozialpartnermodell-Rente.“

Wir haben es hier mit ganz anderen Vorgängen zu tun: Im Sozialpartnermodell sind neben uns als Versicherer Arbeitgeber wie Arbeitnehmer beteiligt. Also: Nicht eine Partei entscheidet über die Geldanlage, sondern gemeinsam entwickeln wir eine Strategie dafür, begleitet von Experten, die beraten. Alle Seiten haben das gleiche Interesse: Die Anlagen der Gewerkschaften sollen Rendite erzeugen, aber nicht zu stark schwanken. Außerdem meißeln wir hier keinen Beton, sondern können bei Bedarf bei den Geldanlagen jederzeit nachsteuern.

Viertes Vorurteil: „Das Sozialpartnermodell wird analog Riester viel zu teuer, um Rendite abzuwerfen.“

Nein, wird es nicht! Der Vergleich mit Riester zeigt: Das Sozialpartnermodell erzeugt weniger Verwaltungsaufwand. Gerade der Verzicht auf Garantien ermöglicht eine renditeorientierte, langfristige Kapitalanlage, die den Sicherheitsaspekt trotzdem stets im Blick hält. Außerdem sind es die Sozialpartner, die zusammen mit den Anbietern die Kosten festlegen. So viel lässt sich schon sagen: Beim Rentenwerk werden die Kosten transparent und niedrig sein.

Fünftes Vorurteil: „Eine (freiwillige) Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung wäre viel besser als in das Sozialpartnermodell.“

Die Politik hat gute Gründe dafür, neben der gesetzlichen Rente auch eine betriebliche Altersvorsorge zu empfehlen und zu fördern. Unser Land altert schnell – und die Leistungen der gesetzlichen Rente hängen sehr stark davon ab, wie viele Rentner zu versorgen sind und wie viele Menschen zugleich arbeiten und einzahlen. Diese Rechnung gilt auch für jemanden, der freiwillig Beiträge leistet, so das möglich ist. Wenn Sie noch 10, 20, vielleicht 40 Jahre bis zum Rentenalter haben, können Sie kaum abschätzen, wie sich diese Faktoren entwickeln. Daher ist es hier auf jeden Fall sinnvoll, kapitalgedeckte und umlagefinanzierte Altersvorsorge zu kombinieren. Die Vorteile einer Kapitaldeckung sind beim Sozialpartnermodell besonders groß, da kein fester Kapitalbetrag zum Rentenbeginn zur Verfügung stehen muss. So können die Vorteile einer langfristigen Kapitalanlage und günstige ökonomische Entwicklungen zu niedrigen Kosten genutzt werden.

Sechstes Vorurteil: „Das Sozialpartnermodell ist nur ein neues lukratives Geschäftsmodell für die Versicherungsunternehmen/ Anbieter.“

Über die Höhe der Kosten entscheiden nicht wir, sondern die Sozialpartner – also Gewerkschaften und Arbeitgeber. Einzige Auflage: Die Kosten müssen realitätsnah, sprich: fair und auskömmlich, vereinbart werden. Als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, die keinen Aktionären verpflichtet sind, sind es die Konsorten des Rentenwerks gewohnt, Kostenüberschüsse – und generell Überschüsse – an die Versicherten weiterzugeben. Wir stehen hier entschieden für Transparenz.

Siebtes Vorurteil: „Das Sozialpartnermodell ist nichts für ältere Arbeitnehmer und kurze Laufzeiten, da Aktienanlage einen langen Atem braucht.“

Gerade hier bietet das Sozialpartnermodell einen großen Vorteil gegenüber bisherigen Angeboten. Denn es kennt keine kurzen Laufzeiten: Jede Laufzeit dauert bis zum Lebensende. Dadurch ist die Kapitalanlage nachhaltig und kurzfristige Marktschwankungen fallen so nicht unbedingt ins Gewicht. Klar ist aber, dass die Leistungen umso höher ausfallen können, je früher und je mehr man einzahlt. Darum hoffen wir, dass sich die Sozialpartner der jeweiligen Branchen bald auf einen Tarifvertrag einigen, der den Arbeitnehmern Zugang zu diesem Modell ermöglicht.

Achtes Vorurteil: „Ohne signifikante Beteiligung der Arbeitgeber macht das Sozialpartnermodell keinen Sinn.“

Natürlich macht das Sozialpartnermodell grundsätzlich auch Sinn, wenn sich die Arbeitgeber nicht finanziell beteiligen. Die Chancen, die sich ergeben, fallen dadurch ja nicht weg. Aber: Ein Arbeitnehmer, der für sein Alter investieren soll, braucht Vertrauen. Und das entsteht eher, wenn auch Arbeitgeber hinter dem Modell stehen und das durch ihren Beitrag dokumentieren. Wichtig ist zudem, dass sich die Arbeitnehmervertreter im Betrieb für diese Form der Vorsorge aussprechen.

Herr Lenz, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.

Der Ausblick

2020 startet das erste Sozialpartnermodell. Interessant werden die praktische Umsetzung und die Einlösung aller Heilsversprechen. Aber: Allem Anfang wohnt bekanntlich ein Zauber inne.

Links ist ein Graustufenporträt einer Person mit Brille, Schnurrbart und Anzug zu sehen. Rechts lautet der Text: „Andreas Nareuisch, Betriebs- und Finanzfachwirt und Bundessachverständiger, Berlin, www.nareuisch.de“ auf grünem Hintergrund.

 

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