Corona, Kurzarbeit und Klagen : Wie Arbeitgeber in Verdacht geraten können
Es gehen Gerüchte um: Massiver Betrug beim Kurzarbeitergeld, Anzeigen durch Mitarbeiter, Rückforderungen der Bundesagentur, Strafverfahren – was ist dran? Wir sind der Sache nachgegangen.
Nach aktueller Auskunft der Bundesagentur für Arbeit gibt es bisher im Kontext der Corona-Krise keine Fälle einer nachgewiesenen missbräuchlichen Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld. Bei den bisher bekannt gewordenen Fällen wurden lediglich in der Antragstellung (Form-)Fehler gemacht. Es gibt bislang (Stand Ende Juni 2020) noch keinen einzigen strafrechtlich nachgewiesenen Missbrauchsfall.
Allerdings gibt es eine Reihe von Anzeigen von Mitarbeitern, die annehmen, dass ihr Arbeitgeber Missbrauch mit dem Kurzarbeitergeld betreibt, aber auch – meistens anonym – von eigentlich Unbeteiligten wie Nachbarn oder Bekannten. Woher kommt das?
Es gibt eine Reihe von Gründen, die auch der Bundesagentur bekannt sind. Wahrscheinlich der wichtigste: Durch die Corona-Pandemie sind zahlreiche Unternehmen mit dem Thema Kurzarbeitergeld erstmalig konfrontiert worden. Das Antragsverfahren ist ja nicht gerade einfach und nutzerfreundlich. Da kann es schnell passieren, dass völlig ohne Absicht Angaben fehlerhaft oder gar nicht gemacht werden. Durch die massive Ausweitung der Anzahl der Anträge und die notwendige schnelle Reaktion auf beiden Seiten konnten die einzelnen Anträge nicht bereits im Vorfeld sorgfältig geprüft werden. Auch die normalerweise gerade von kleineren Unternehmen beauftragten Steuerberater kamen mit der Beantragung nicht mehr hinterher, so dass viele kleinere Arbeitgeber die Anträge selbst gestellt haben, um die Fristen einzuhalten. Was dann zu Fehlern geführt hat.

Das sind aber nach Auskunft der Bundesagentur durchweg Fälle, die sich korrigieren lassen, beispielsweise indem Unterlagen nachgereicht oder fehlende Angaben nachgeholt werden. Und die Anzeigen der Mitarbeiter? Neben den üblichen Querulanten oder Racheaktionen nach Kündigungen ist es oft die Unkenntnis über das Verfahren. Gerade bei kleineren Arbeitgebern ohne Arbeitnehmervertretung muss die Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter für die Kurzarbeit eingeholt werden.
Das haben etliche Unternehmen „vorsorglich“ getan, dann aber tatsächlich gar keine Kurzarbeit in Anspruch nehmen müssen. Maßgebend ist nämlich nicht die vorherige Anzeige der Kurzarbeit, sondern die tatsächliche Nutzung mit Auszahlung des Kurzarbeitergeldes und die Abrechnung mit der Arbeitsagentur. Die Zustimmung der Beschäftigten ist notwendig, um die Anzeige – vor Beginn der Kurzarbeit! – erstellen zu können.
So kann es dazu kommen, dass der Beschäftigte frühzeitig informiert und aufgeklärt wird, er dann aber gar keine Kurzarbeitergeldzahlung erhält. Da er die Voraussetzungen und Umstände nicht kennt, kann er auf die Idee kommen, dass der Arbeitgeber missbräuchlich Gelder von der Bundesagentur abruft.
Tatsächlich gibt es zwar vielleicht Kurzarbeitergeld, aber nur in einer anderen Abteilung oder einem anderen Betriebsteil. So kann es schnell zu Missverständnissen kommen. Allerdings lässt eine direkte Anzeige bei der Arbeitsagentur seitens eines Beschäftigten zumindest auf ein schlechtes Betriebsklima oder Misstrauen schließen.
Ohne Einbeziehung des Beschäftigten ist ein Betrug beim Kurzarbeitergeld nur schwer möglich. Denn bei der Abrechnung müssen die Namen und die konkrete Kürzung sowie die ausgezahlten Beträge detailliert aufgeführt werden. Zudem wird das Kurzarbeitergeld in der Entgeltabrechnung für den Beschäftigten ausgewiesen. Ein rechtswidriges Vorgehen würde eine direkte Manipulation an der Abrechnungssoftware voraussetzen. Da die Abrechnung gerade bei kleineren Betrieben meist über den Steuerberater vorgenommen wird, müsste auch dieser in die Manipulation einbezogen werden. Ein eher unwahrscheinliches Szenario.
Trotzdem macht eine solche Anzeige bei der Bundesagentur (von wem auch immer) erheblichen Ärger und bindet Kapazitäten. Denn die Agentur muss einer solchen Anzeige natürlich nachgehen und eine Stellungnahme oder Unterlagen vom Arbeitgeber anfordern. Das Risiko kann man aber minimieren. Dazu gehört es, die Arbeitnehmer, die ihre Zustimmung zur Kurzarbeit gegeben haben, aktiv zu informieren, wenn und warum es nun doch nicht zur Zahlung kommt. Dann können Irritationen oder ein Verdacht gar nicht erst entstehen. Eine Anzeige eines unzufriedenen oder entlassenen Mitarbeiters, der dem Betrieb nur Ärger machen will, kann man allerdings nicht in jedem Fall vermeiden.
TIPP: Falls die Arbeitsagentur mit einer entsprechenden Anfrage an das Unternehmen herantritt, sollten sofort und ohne Einschränkung die notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Selbst wenn es in Einzelfällen durch Fehler des Arbeitgebers zu Überzahlungen gekommen sein sollte, wird die Agentur zwar diese Beträge zurückfordern, in der Regel aber eben von einem Fehler ausgehen und keine kriminelle Absicht unterstellen.
Jürgen Heidenreich