Arbeitswelt 4.0 : Wie intelligent kann der Lohnzettel der Zukunft sein?
Gerade die Lohnbuchhaltung, die stark von Informationsverarbeitungsprozessen bestimmt wird und großes Automatisierungspotenzial hat, ist dafür prädestiniert, von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) verändert zu werden. Dabei wird sie helfen, Routineaufgaben besser zu erfüllen und so neue Möglichkeiten für die Lohnbuchhaltung zu erschließen. Durch ihre Analysefähigkeiten wird die KI Human Resources (HR) dabei unterstützen, zum Beispiel in der Unternehmensplanung sowie in anderen Bereichen eine aktivere Rolle zu spielen.

Auch wenn momentan KI-Systeme im Bereich Payroll noch kaum im Einsatz sind, so ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert. Neben dem festgesetzten Lohn bestimmen immer mehr Faktoren – wie etwa Ausfallzeiten, Boni oder Zulagen sowie sich ständig ändernde gesetzliche Vorgaben –, was am Ende auf dem Gehaltszettel steht. Das erfordert eine intelligente und hocheffiziente Informationsverarbeitung.
Künstliche Intelligenz hat in erster Linie einen praktischen Wert bei der Optimierung von Prozessen. Die Möglichkeiten der Automatisierung und Digitalisierung werden dabei durch das Erfassen von Zusammenhängen von Daten aus verschiedenen Quellen weiter verbessert. KI hilft, Abläufe schneller, reibungsloser und korrekter durchzuführen, und entlastet so den Lohnbuchhalter.
Prozessunterstützung durch KI
Der KI kommt dabei eine prüfende und unterstützende Rolle zu. Das beginnt schon mit der Dateneingabe beim Anlegen eines neuen Mitarbeiters. Unmittelbar überwacht sie die Abfrage personenbezogener Daten etwa durch Feldvalidierung, Quervalidierung oder Plausibilitätsprüfungen. Auf Fehler weist dann ein KI-basierter Bot oder Assistent sofort hin. So bemerkt der Anwender diese frühzeitig und behebt sie. Das heißt: Korrekturen erfolgen umgehend nach Dateneingabe und nicht erst im engen Zeitfenster der eigentlichen Abrechnung. Das vermeidet unnötige Aufwände.
Ein möglicher Einsatzbereich von KI ist auch der vorausschauende Check von Daten vor dem Hintergrund anstehender Audits durch Wirtschaftsprüfer. Für den Fall, dass auffällige und möglicherweise zu korrigierende Datenmuster vorliegen, erkennt KI diese und weist auf zu erwartende Risiken hin. Damit können beispielsweise fehlerhafte Doppelüberweisungen oder unbekannte Kontonummern durch die interne Revision unmittelbar bemerkt werden, bevor sie eine externe Überprüfung nach sich ziehen.
Bei weiterführenden, nicht routinemäßigen Aufgaben, wie etwa der Hinterlegung einer Pfändung oder eines Elektroautos als Firmen-Pkw für einen Mitarbeiter, kommt der KI zudem eine wichtige Rolle in der Informationssuche zu. Intelligente Assistenten werden in der Lage sein, den Anwender bei der Suche nach relevanten Daten zu unterstützen – etwa bei der Recherche nach einschlägigen Gesetzesgrundlagen, indem externe Quellen für diese Informationen von intelligenten Algorithmen analysiert werden. Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von KI im Bereich Payroll ist die bevorstehende Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Hier kann KI etwa bei längeren Fehlzeiten automatisiert darauf hinweisen, dass der betreffende Mitarbeiter aus der Entgeltfortzahlung zu fallen droht und dem Anwender in diesem Zusammenhang sofort entsprechende Bescheinigungen zur Berechnung des Krankengelds zur Verfügung stellen.
Analyse durch KI
Neben den Fähigkeiten im Bereich der Prozessunterstützung verfügt KI zudem über umfassende Instrumente zur vorausschauenden Datenanalyse unter Berücksichtigung sowohl interner wie auch externer Informationen. Sie bietet neue Möglichkeiten etwa im Bereich der Lohnkostenplanung und verschafft der HR-Abteilung weitere Kompetenzen im Dialog mit der Geschäftsleitung. So können beispielsweise für den Fall, dass der Gesetzgeber neue Beitragsbemessungsgrenzen verabschiedet, automatisierte Analysen im Hintergrund ablaufen und der Anwender kann direkt aus dem System heraus auf mögliche Verschiebungen in den Lohnkosten hingewiesen werden.
Das aktuelle differenzierte Reporting der Lohnkosten kann mit Hilfe von KI zudem durch intelligente Prognosen ergänzt werden. Es ist etwa möglich, externe Studien in systembasierte Analysen mit einfließen zu lassen – zum Beispiel wenn es um den Vergleich der Gehaltsstruktur eines Unternehmens mit anderen Arbeitgebern in einer bestimmten Region oder Branche geht. Sollte die Analyse ergeben, dass der Betrieb beim Lohnniveau unter dem Durchschnitt liegt, kann KI die Löhne automatisiert hochrechnen und den Personalverantwortlichen eine entsprechende Empfehlung für eine Gehaltsrunde geben.
Aber auch eine Analyse der Geschäftsentwicklung eines Unternehmens von der Auftragslage bis zu dem sich daraus ergebenden Personalbedarf lässt sich heranziehen, um zukünftige Möglichkeiten der Lohngestaltung zu bestimmen. Die technologische Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass etwa die Warenwirtschaft genauso wie die Personalprozesse via Software abgebildet wird und beide Systeme über eine Schnittstelle integriert sind.

Neue Kompetenzen und Fähigkeiten gefordert
Durch diese zusätzlichen Aufgaben und Möglichkeiten wird sich das Anforderungsprofil des Lohnbuchhalters verändern. Das heißt nicht, dass klassische Kompetenzen nicht mehr gefragt sind. Es werden aber neue hinzukommen, so dass der Lohnbuchhalter Teil der informationsgestützten Personalplanung werden und in den Dialog mit Entscheidern treten kann. Dies beinhaltet auch zusätzliche Fähigkeiten bei der Nutzung solcher Systeme – und gegebenenfalls die Notwendigkeit, Anwender entsprechend weiterzubilden.
Eine Frage der Kontrolle
Bei allen technologischen und analytischen Möglichkeiten wird KI aber auch in Zukunft immer nur eine unterstützende Rolle haben: Sie präsentiert verschiedene Szenarien, die vom Nutzer durchgespielt werden können. Der Personalverantwortliche, beziehungsweise das Gremium der Entscheider im Unternehmen, stellt nach wie vor die letzte Instanz dar.
Unternehmen bleiben zudem für die datenschutzkonforme Verarbeitung von Daten verantwortlich. Gerade weil KI die Automatisierung der Informationsverarbeitung beschleunigt, sind Sicherungsmechanismen unverzichtbar. Dazu zählt die Anonymisierung von Daten ebenso wie die zweckgebundene Nutzung und Weiterleitung der Informationen.
Hausaufgabe Automatisierung
Vor dem Hintergrund der technologischen Möglichkeiten der KI wird es den klassischen Lohnbuchhalter in Zukunft nicht mehr geben. Lohn und Gehalt werden über die Kernaufgaben hinaus immer enger mit HR, Unternehmensplanung und weiteren Unternehmensbereichen verzahnt. Eine einfachere Gestaltung der Abläufe durch KI erleichtert es Unternehmen zudem, Payroll-Prozesse wieder intern abzuwickeln oder die zusätzlichen Kapazitäten, die durch effizientere Prozesse frei werden, für weiterführende HR-Aufgaben, beispielsweise im Bereich der strategischen Personalentwicklung, zu nutzen.
Doch auf dem Weg dahin gilt es vor allem, die allgemeine Automatisierung und Digitalisierung der HR-Abläufe endgültig abzuschließen. Denn nur wenn entsprechende digitale Infrastrukturen vorhanden sind, können KI-gestützte Systeme zielführend implementiert werden.
Oliver Henrich, Vice President Product Engineering Central Europe bei Sage