Im Gespräch mit Steuerberater Bernhard Siglbauer : Die Arbeit an der Steuerkanzlei ist genauso wichtig wie die Arbeit in der Steuerkanzlei
Bernhard Siglbauer führt eine digitale Steuerkanzlei in Traunstein, die kein Papier mehr kennt.
In Zeiten von Corona zeigt sich nun, dass diese Entscheidung nicht nur mit Blick auf effiziente Abläufe goldrichtig war. Wir haben mit Herrn Siglbauer über seinen Weg in und durch die Arbeitswelt 4.0 gesprochen.
Herr Siglbauer – als Steuerberater üben Sie einen systemrelevanten Beruf aus und hatten in den vergangenen Monate vermutlich allerhand zu tun. Wie geht es Ihnen und wie geht es Ihren Mandanten seit dem Ausbruch von Corona?
Es sind in der Tat sehr herausfordernde Zeiten – das gilt für mich als Steuerberater und für meine Mandanten gleichermaßen. Als digitale Steuerkanzlei arbeiten wir komplett papierlos mit unseren Mandanten zusammen. Das hatte gerade in der Phase, in denen physische Begegnungen tabu waren, enorme Vorteile. Und dabei spreche ich nicht von den Postlaufzeiten, die wir uns durch unsere Arbeitsweise ersparen konnten. In einem cleveren Ökosystem betreuen wir unsere Mandanten gerade in Zeiten, in denen man „auf Sicht fahren muss“ uneingeschränkt weiter. Damit bleiben unsere Mandanten weiterhin handlungsfähig und können sich auf ihr tägliches Business konzentrieren!
Digitale Steuerberatung ist für Sie nichts Neues. Seit der Gründung Ihrer Kanzlei arbeiten Sie vollkommen elektronisch. Wie genau muss ich mir das vorstellen?

Nennen wir es eine „grüne Wiese“, auf der ich Anfang des Jahres im Chiemgau mit der Gründung meiner jungen Kanzlei begonnen habe. Mein Ziel war es, einen sperrigen Prozess möglichst einfach einfacher zu machen. Ich habe es als nicht mehr zeitgemäß empfunden, elektronische Daten auszudrucken, zu versenden, um sie dann anschließend wieder einzuscannen. Meine jahrelange Prozesserfahrung für eine mittelständische Steuerkanzlei hat mir dabei sehr geholfen. So habe ich einen Workflow entwickelt, der für meine Mandanten möglichst „handy“ ist.
Technisch war mir dabei wichtig, dass elektronische Daten das Haus möglichst selten verlassen und als sogenannte Hash-Werte übertragen werden. Wissen Sie – da hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. So erfolgen Datenübertragungen meistens über die Kanzlei-Cloud. Pendelordner? Damit kann man arbeiten, jedoch ist es mir wichtig, einfachere und schnellere Wegen den Mandanten aufzuzeigen, um sie effizienter zu unterstützen. Die täglichen Abläufe geschehen vollständig digital über Tablets. Handschriftliche Notizen und Arbeitsergebnisse sind so redundant abgebildet.
Das hatte bereits bei meiner Kanzleigründung einige Vorteile: Die Frage nach sogenannten „Merchandise-Artikeln“ wie Stifte, Blöcke, usw. hat sich für mich nie gestellt. Diese benötigt meine Kanzlei dank der digitalen Arbeitsweise nicht. Ich war von Anfang an gezwungen, die täglichen Workflows so zu organisieren, dass alles übers Tablet abgebildet werden kann. Das hat sich natürlich von Beginn an etwas anders als gewohnt angefühlt. Aber diese Arbeitsweise hat sich schnell etabliert. Und heute möchte ich sie nicht mehr in meiner Kanzlei missen. Sicherer, schneller und natürlich auch leichter – das sind in meinen Augen die größten Vorteile, die sich dadurch ergeben haben. Immerhin muss niemand mehr dicke Papierakten von A nach B schleppen.
Der Weg in die digitale Welt ist meines Erachtens keine Gerade. Es gibt viele Abzweigungen, die Sie als Kanzlei-Inhaber nehmen müssen, um am Ende an Ihr Ziel zu gelangen. Zu Beginn habe ich versucht, meine bisherige Arbeitsweise digital 1:1 abzubilden. Erst in einem zweiten Schritt, habe ich an feinen Stellschrauben gedreht. Und das ist bis heute so. Ich möchte dabei am Puls der Zeit agieren und verfolge gespannt, wie es weitergeht. Die Arbeit an der Steuerkanzlei ist mithin genauso wichtig wie die Arbeit in der Steuerkanzlei.
Welche Auswirkungen hat das auf die Mandanten, die Sie betreuen?
Als digitale Steuerkanzlei betreuen wir neben etablierten Branchen auch die digitale Welt. Gerade das Thema Kryptowährungen ist steuerlich sehr spannend. Wie immer steckt der fachliche „Teufel“ im Detail. Aktuell diskutieren wir zudem das Thema „Digitale Betriebsstätte“. Mir ist es wichtig, meine Mandanten an die Hand zu nehmen. Ich möchte niemanden vor den Kopf stoßen. Daher gibt es in meiner Kanzlei nicht eine Entweder-Oder-Lösung. Sprich: In meiner digitalen Steuerkanzlei darf natürlich auch Papier existieren. Nehmen wir beispielsweise einen in Papier gebundenen Jahresabschlussbericht. Der hat natürlich eine gewisse Wertigkeit, die ein digitales Exemplar nicht derart zu vermitteln mag.
Das Thema „digitale Unterlagen“ führt mich zwangsläufig zu dem Aspekt „revisionssichere Aufbewahrung“. Da ist natürlich eine gewisse Affinität für IT von Vorteil: Wo befinden sich die Server des Mandanten? Besteht die Gefahr, dass beispielsweise die Buchhaltung unbemerkt ins Ausland verlagert wird, nur weil sie elektronisch auf einem anderen Server gespeichert ist? Da gilt es als Berater Augen und Ohren offen zu halten. Schließlich ist insoweit ggf. eine Bewilligung der Verlagerung der elektronischen Bücher gem. § 146 (2a) Abgabenordnung von der Finanzverwaltung einzuholen.
„Digitalisierungsschub für den Mittelstand“ sehen viele als Konsequenz der Krise. Würden Sie das unterstreichen? Wohin wird der Weg Ihrer Einschätzung nach in der Steuerberatung führen?
Die aktuelle Situation führt definitiv zu einem Digitalisierungsschub für den Mittelstand. Wenn ich mit Leuten spreche, bemerke ich ein Umdenken – gerade in der Krise hat vielen eine ausreichende, digitale Infrastruktur großartige Dienste geleistet. Als junger Berufsträger empfinde ich meine Rolle in Zukunft so, dass ich meine Mandanten umfassend betreue. Und das nicht nur in steuerlichen Angelegenheiten. Ich möchte meine Mandanten beraten als Sparringspartner in Sachen Digitalisierung, als Strategieentwickler und als Datenmanager. Viele Daten erfasst der Mittelstand ohnehin von sich aus. Aus diesem Pool entwickle ich zusammen mit meinen Mandanten Strategien, wie wir die eh schon vorhandenen Informationen – quasi als Abfallprodukt der eigenen Arbeit – aufgreifen und steuerlich wiederverwenden können.
Ich vergleiche die Daten gerne mit frischem Obst – mit zunehmendem Alter werden sie nicht unbedingt besser. Die Digitalisierung ermöglicht an dieser Stelle einen enormen Geschwindigkeitsvorteil. Schnittstellen erleichtern das Auslesen von Daten gegenüber einer manuellen Erfassung. Auch wenn kein DATEV-Export zur Verfügung steht, solange die Daten Semikolon getrennt sind, kann man daraus Informationen herausziehen und nutzbar machen. Aber das geht eben nur, wenn ich mit meinem Mandanten an einer Tischseite sitze.
Mein Ziel ist: gemeinsam und nicht einsam erfolgreich werden!
Seit 2019 sind Sie Dozent für Abgabenordnung bei der IHK Akademie für München und Oberbayern. Präsenzschulungen sind derzeit nicht möglich – wie gehen Sie mit der Lage um? Präsenzschulungen sind in der aktuellen Situation kaum möglich. Die IHK für München und Oberbayern hat mit virtuellen Klassenzimmern meines Erachtens eine gute Alternative für Präsenzschulungen gefunden. Das frühere physische Whiteboard gibt es noch, nun eben digital. Da ich ausschließlich mit berührungsempfindlichen PC-Systemen arbeite, kann ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einfach aufzeichnen, worauf es zu achten gilt.
Ich empfinde diese Arbeitsweise als sehr wertvoll. Mir kann es nicht passieren, dass ich ein analoges Schaubild aus meinem Gedächtnis heraus rekonstruieren muss, weil jemand in der Folgestunde eine Frage dazu stellt. Ich rufe es einfach umgehend auf meinem Tablet auf, teile es mit meinen Kursteilnehmern und kann dadurch direkt in die Diskussion einsteigen. Ich denke, von diesem Vorteil profitiere nicht nur ich, sondern meine Seminarbesucher und Seminarbesucherinnen gleichermaßen.
Das Gespräch führte Philipp Kinzel