So machen Sie den Unterschied : Mitarbeiterbindung stärken, Fluktuation senken
Obwohl sich die Arbeitszufriedenheit in den letzten Jahren weiter verbessert hat, steigt gleichzeitig die Wechselbereitschaft in den Unternehmen. Als Hauptgründe für einen Wechsel nennen viele den Wunsch nach einem höheren Gehalt (35 Prozent), Unzufriedenheit mit der aktuellen Tätigkeit (34 Prozent) oder zu viel Stress (33 Prozent).

Thomas Kiefer, Führungskräfte-Coach, Teamentwickler und Change-Management-Berater, http://www.thomas-kiefer.de
Vielen Firmen scheint immer noch nicht klar zu sein, wie teuer Fluktuation ist, sonst würden sie viel mehr Ressourcen und Zeit in die Verbesserung ihrer Führungsqualität investieren“, erklärt Marco Nink, Director of Research and Analytics bei Gallup, in der Oktober- Ausgabe des Management-Magazins impulse. Firmen bräuchten im Schnitt 160 Tage, so Nink, um eine Stelle neu zu besetzen.
Wenn es darum geht, einem Unternehmen „treu zu sein“, ist die Bindung ans Unternehmen eine wichtige Steuerungsgröße. Wir fragen Thomas Kiefer, Führungskräfte-Coach, Teamentwickler und Change-Management-Berater, wo Management, Führung und Personalentwicklung in diesem Kontext idealerweise ansetzen.
Die Stärkung und die Erhöhung der Mitarbeiterbindung sind ein Dauerbrenner. Wo braucht es hier neue Impulse?
Ich weiß von vielen Unternehmen, die täglich vor der Herausforderung stehen, ihr Angebot und ihre Verfügbarkeit überhaupt aufrechtzuerhalten, weil Mitarbeitende fehlen. Von daher liefert diesen notwendigen Impuls der Markt von ganz allein. Flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice und eine gute Arbeitsumgebung reichen längst nicht mehr aus. Menschen wollen mitgestalten und Verantwortung übernehmen und eben nicht kontrolliert und überwacht werden. Wenn Mitarbeitende für sich im Unternehmen vernünftige Entwicklungsmöglichkeiten sehen, ehrliche Wertschätzung erfahren und echtes Zutrauen erleben, warum sollten sie dann wechseln wollen?
Dabei ist es essenziell, miteinander im Gespräch zu bleiben. Oft höre ich immer noch von Führungskräften, dass „diese Dinge“ doch im jährlichen Gespräch mit den Mitarbeitenden behandelt würden. Und genau das reicht längst nicht aus. Es braucht konstant Raum und Zeit für den Austausch und die Arbeit am „Wie“ und am „Warum“ im Unternehmen. Nur derjenige, dem es gelingt, eine tragfähige, geschäftlich geprägte und doch redliche Beziehung zum Mitarbeitenden aufzubauen, wird die Loyalität zum Arbeitgeber als kostbaren Wert genauso wie als unschlagbaren Wettbewerbsvorteil erfahren.
Die „People-Themen“ rücken angesichts des zunehmenden „Dauerkrisenmodus“ in den Hintergrund. Wie sollte hier gegengesteuert werden?
Ich erlebe häufig Führungskräfte, die fest daran glauben, genau für diese People-Themen in Stress-Phasen keine Zeit zu haben. Es braucht hier den Schalter im Kopf, der umgelegt werden muss. Denn es ist doch umgekehrt. Wenn du es eilig hast, gehe langsam. Zumindest so, dass du auf dem Weg deine Mitarbeitenden nicht verlierst. Wer dafür den Mut aufbringt, wird hintenraus reich belohnt werden, weil sich dieses Zeit-Investment vielfach rentieren wird. Zum Beispiel, weil mitdenkende Mitarbeitende weniger Fehler machen, Rück-Delegation und das Warten auf Entscheidungen der Vorgesetzten auf ein Minimum reduziert werden.
Oft braucht es nicht viel, um die sogenannte psychologische Sicherheit zu stärken. Vielleicht ein liebevoll organisiertes Team-Frühstück, ein Leitungs-Spaziergang, bewusste Reflexions- Runden. Oder auch Coaching-Angebote, um die Mitarbeitenden in ihren Lebensthemen zu unterstützen.
Und, als jemand, dem unnötige Bürokratie und nicht zeitgemäße Prozesse Kopfschmerzen bereiten, stelle ich die Behauptung auf, dass in zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland bis zu 30 Prozent Effizienz-Potenziale vorhanden sind. Wer diese hebt, gewinnt Zeit zurück, die er dann z. B. in Team-Coaching, Entwicklungsräume und in das gemeinsame Vorwärtskommen investieren kann.
Wie schafft man es, Menschen in unsteten Zeiten für Veränderungen zu begeistern? Wie kann man verhindern, dass die Beschäftigten und ihre Bedürfnisse untergehen?
Eigentlich ist es ganz einfach. Etwas verkürzt: Veränderung sollte Nutzen bringen. Wenn die Menschen diese Vorteile sehen, werden sie sich dafür auch öffnen. Als Beispiel möchte ich ein betriebsinternes Chat-System nennen, das zumindest teilweise die hohe Zahl an E‑Mails reduziert. Wenn so ein System einmal gut installiert und vernünftig eingeführt ist, wird der Zeit- und Effizienz-Gewinn daraus seine Anhänger finden. Ganz bestimmt.
Jede Veränderung macht auch Angst. Deshalb muss ich die zwangsläufig entstehende Unsicherheit auffangen, z. B. durch eine hohe Präsenz der Führungskräfte, durch Gesprächsrunden usw. Wenn ich mich ehrlich bemühe, zu ergründen, was meine Mitarbeitenden umtreibt, werden deren Bedürfnisse auch nicht untergehen.
Und noch ein Beispiel. Ein einziger Tag mit dem Team, an dem Fragen gestellt werden wie: Was brauchen wir mehr und was sollten wir besser loslassen, und an dem über diese Fragen dann ein echter, ehrlicher Austausch stattfinden kann, der auch um Tabu-Themen und den sogenannten Elefanten im Raum keinen Bogen macht, so ein Team-Tag kann einen unwahrscheinlichen Schub auslösen, der neue Klarheit schafft, schwelende Konflikte löst und das Team auf eine ganz andere Entwicklungsstufe stellt. Die Voraussetzung dafür ist, dass alle Beteiligten ihr Ego zurückstellen, sich auch mal verletzlich zeigen und das Team-Ziel zur Chef-Sache machen. Wer Wertschöpfung möchte, sollte in Wertschätzung investieren.
Welches sind die wichtigsten Führungsqualitäten?
Jede Führungskraft braucht menschliche Reife und eine Haltung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und auf ethischen Werten gründet. Vorbild sein, präsent sein, in Resonanz gehen. All das sind wichtige Schlüssel guter Führung.
Führungskräfte sind gut beraten, im Zweifel noch mehr als bisher in die Entwicklung ihrer Persönlichkeit und ihrer Begabung zur Selbstführung zu investieren. Es braucht Kritikfähigkeit und die Bereitschaft zur ehrlichen Selbstreflexion. Emotionale und soziale Kompetenz sowie kraftvolle und klare Kommunikation sind essenziell. All diese Fertigkeiten kann man lernen und wie einen Muskel regelmäßig im Training halten.
In Zeiten gesellschaftlicher Brüche und Umbrüche sind es die Führungskräfte, die schon kraft ihrer Funktion eine hohe soziale Verantwortung für ihre Mitarbeitenden tragen. Einen Beitrag leisten zu einer lebenswerten Gesellschaft, auch in dieser Verantwortung sehe ich Führungskräfte, jeweils nach ihren Möglichkeiten und Talenten.
Führungskräfte, die ihren Mitarbeitenden etwas zutrauen, die dafür sorgen, dass gute Arbeit gerade auch in schwieriger Zeit trotzdem mit Freude getan werden kann, die erreichbare Ziele vorgeben und die damit verbundene Komplexität beherrschen und die den Menschen ermöglichen, diese Ziele zu erreichen, werden mit erstklassigem Engagement, Treue zum Arbeitgeber und hoher Zufriedenheit belohnt werden. Ganz gewiss.
Vielen Dank für das Gespräch.