Schutzfristen bei Fehlgeburten : Mutterschutzrecht neu gefasst
Im Februar 2025 wurde das „Mutterschutzanpassungsgesetz“ im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es bringt eine bedeutende Erweiterung des Schutzrahmens für schwangere Frauen mit sich: Fehlgeburten führen künftig zu einer gesetzlich geregelten Mutterschutzfrist. Die Neuregelung tritt zum 01.07.2025 in Kraft.
Bisher war die Mutterschutzfrist von acht beziehungsweise zwölf Wochen nach der Entbindung im Sinne des § 3 Abs. 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) nicht auf Fehlgeburten anwendbar. Grund dafür war, dass diese nach geltendem Begriffsverständnis und entsprechender Rechtsprechung nicht als Entbindung galten.
Neue gesetzliche Definition des Begriffs „Entbindung“
Mit der Neuregelung schafft der Gesetzgeber Klarheit: Eine Legaldefinition des Entbindungsbegriffs wurde eingeführt. Künftig gilt auch eine Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche (bzw. ab der 15. Woche post menstruationem) als Entbindung im Sinne des Mutterschutzgesetzes, sofern keine abweichenden Regelungen im MuSchG oder in anderen Gesetzen bestehen. Diese Definition trägt insbesondere der physischen und psychischen Belastung Rechnung, die Frauen in einem solchen Fall erfahren.
Schutzzeiträume nach Fehlgeburten
Ein neu eingefügter Absatz im Gesetz regelt die gestaffelten Schutzfristen für Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden:
- zwei Wochen Schutzfrist ab der 13. Schwangerschaftswoche,
- sechs Wochen Schutzfrist ab der 17. Schwangerschaftswoche,
- acht Wochen Schutzfrist ab der 20. Schwangerschaftswoche.
Innerhalb dieser Zeiträume dürfen betroffene Frauen grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Frau ausdrücklich ihre Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme erklärt. Diese Entscheidung kann sie jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Nimmt eine Frau die Arbeit auf, ohne dass der Arbeitgeber Kenntnis von einer vorangegangenen Fehlgeburt hat, genügt die tatsächliche Arbeitsaufnahme zur rechtlichen Absicherung des Arbeitgebers.
Die vorgeburtlichen Schutzfristen gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG bleiben in Fällen von Fehlgeburten außen vor. Auch die Regelung zur Verlängerung der Mutterschutzfrist bei vorzeitiger Entbindung findet keine Anwendung, da sie explizit ausgeschlossen ist.
Anspruch auf Mutterschaftsgeld
Da die gesetzliche Definition Fehlgeburten ab der 13. Schwangerschaftswoche nun in die Regelung zur Entbindung einbezieht, haben betroffene Frauen während der Schutzfristen auch Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 19 MuSchG. Für die Dauer der Fristen ist somit eine finanzielle Absicherung gewährleistet, ohne dass es zu nennenswerten Einkommensverlusten kommt.
Fortgeltung des Kündigungsschutzes
Unverändert bleibt das Verbot der Kündigung in § 17 Abs. 1 Nr. 2 MuSchG bestehen. Dieses untersagt die Kündigung einer Frau bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt, sofern diese nach der zwölften Schwangerschaftswoche erfolgt ist.
Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung Kenntnis von der Fehlgeburt hatte oder diese innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.
Sanktionen bei Verstößen
Ein Verstoß gegen das Beschäftigungsverbot im Rahmen der gestaffelten Schutzfristen kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Dies ist nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG der Fall, wenn der Arbeitgeber trotz bestehender Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis eine Frau innerhalb des Schutzzeitraums beschäftigt.
Zusammenfassung
Die Gesetzesänderung schließt eine bislang bestehende Schutzlücke im Mutterschutzrecht. Mit der Einführung abgestufter Fristen und der Möglichkeit zur freiwilligen Arbeitsaufnahme durch die betroffene Frau wird ein ausgewogener Rechtsrahmen geschaffen, der sowohl den gesundheitlichen Erfordernissen als auch dem Selbstbestimmungsrecht Rechnung trägt. Während früher Fehlgeburten keinerlei Anspruch auf Schutzzeit oder Mutterschaftsleistungen nach sich zogen, gewährleistet das neue Gesetz ab Juni 2025 eine angemessene Schutz- und Regenerationsphase für Frauen, die von einem solchen Verlust betroffen sind.
Markus Stier



