Zeit für Veränderung : Ein Ausbildungsberuf für die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung ist überfällig
Die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung gehört zu den tragenden Funktionen jedes Unternehmens. Dennoch wird ihre Bedeutung in der öffentlichen Wahrnehmung und im Ausbildungssystem häufig unterschätzt.
Zeit, die strukturellen Grundlagen zu überdenken – und konkret zu fordern: Ein eigenständiger Ausbildungsberuf für diesen Bereich ist längst überfällig.
Verantwortung trifft Komplexität
Abrechnungsfehler bei Löhnen und Gehältern sind nicht nur ärgerlich – sie können rechtliche und wirtschaftliche Folgen haben. Payroll-Fachkräfte tragen Verantwortung für die pünktliche und korrekte Entlohnung von Beschäftigten sowie für die ordnungsgemäße Meldung an Sozialversicherungsträger, Finanzbehörden und andere Institutionen. Dabei bewegen sie sich in einem Spannungsfeld aus Steuer-, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, das sich ständig verändert.
Trotz dieser anspruchsvollen Rahmenbedingungen erfolgt die Qualifikation für diesen Beruf bisher meist über Weiterbildungen oder Quereinstiege – ein Zustand, der der Realität längst nicht mehr gerecht wird.
Fehlende Ausbildungsstruktur verschärft den Fachkräftemangel
Der Arbeitsmarkt im Bereich Payroll ist angespannt. Der Bedarf an qualifiziertem Personal wächst stetig – doch passende Bewerber*innen sind rar. Ein Grund dafür ist die fehlende Sichtbarkeit des Berufsbilds für Schulabgänger*innen und junge Menschen, die nach einer fundierten Ausbildung suchen. Wer heute in der Lohnabrechnung arbeitet, hat den Weg meist über Umwege gefunden: über kaufmännische Berufe, das Steuerwesen oder durch Learning on the Job.
Ein systematischer Ausbildungsweg würde nicht nur für mehr Fachwissen und Standards sorgen, sondern auch den Einstieg für interessierte Nachwuchskräfte vereinfachen – und dem Fachkräftemangel gezielt entgegenwirken.
Anspruch gestiegen – Ausbildung nicht
Die Anforderungen an Lohnbuchhalter*innen sind heute vielfältiger denn je. Gesetzliche Neuerungen, internationale Einsätze, neue Vergütungsmodelle, digitale Tools und komplexe Sozialleistungen machen die Abrechnung zu einem hochspezialisierten Bereich. Zugleich erwarten Unternehmen zunehmend, dass Payroll-Fachkräfte auch beratend tätig sind, Prozesse mitgestalten und sich souverän im digitalen Umfeld bewegen.
Diesem Anspruch kann nur eine fundierte, strukturierte Ausbildung gerecht werden – nicht ein Flickenteppich aus Teilqualifikationen.
Es geht: Andere Branchen gehen voran
In vielen Sektoren hat sich das Ausbildungssystem bereits modernisiert. Neue Berufe wie E-Commerce-Kaufleute oder spezialisierte IT-Ausbildungen sind Reaktionen auf veränderte Anforderungen. Auch die Pflegebranche hat Reformen durchlaufen, um Qualität und Attraktivität zu steigern.
Die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung verdient dieselbe Aufmerksamkeit. Ein anerkannter Ausbildungsberuf – beispielsweise „Fachkraft für Entgeltabrechnung“ – könnte zentrale Inhalte bündeln: von rechtlichem Wissen über Abrechnungssysteme bis hin zu Datenschutz, Kommunikation und Prozessverständnis.
Es ist Zeit, zu handeln
Es ist wichtig, das Thema Ausbildung in der Lohn- und Gehaltsbuchhaltung endlich anzupacken. Die Einführung eines eigenen Ausbildungsberufs in der Lohn- und Gehaltsbuchhaltung ist kein bürokratischer Luxus, sondern eine notwendige Investition in die Zukunft unserer Arbeitswelt.
Lassen wir nicht zu, dass eines der zentralsten Berufsfelder weiterhin unter dem Radar bleibt. Geben wir den Menschen, die Monat für Monat Verantwortung für Millionen von Abrechnungen tragen, die strukturelle Anerkennung und Ausbildung, die sie verdienen.
Denn gute Löhne beginnen mit guter Ausbildung.
Nancy Ferber, People & Culture/ Department Head Operations & Payroll, Deutsche GigaNetz GmbH