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Kurzfristige Beschäftigung im Prüffokus : Erntezeit ist Prüfungszeit: Rechtssicher durch die Saison

Mit Beginn der Erntesaison greifen viele landwirtschaftliche Betriebe auf kurzfristig beschäftigte Saisonarbeitskräfte, die meist aus osteuropäischen Ländern stammen, zurück. Ihre Arbeitskraft ist unverzichtbar, ihre sozialversicherungsrechtliche Einordnung hingegen oft komplex.

Lesezeit 4 Min.

Insbesondere die Einstufung als kurzfristige Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IV wirft in der Praxis zahlreiche Fragen auf und wird regelmäßig durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) im Rahmen von Betriebsprüfungen beanstandet.

Voraussetzungen der kurzfristigen Beschäftigung

Eine Beschäftigung gilt als kurzfristig, wenn sie im Kalenderjahr auf maximal drei Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt ist und nicht berufsmäßig ausgeübt wird. Dabei ist es zulässig, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Monats- oder die Arbeitstagegrenze berufen – eine formale Festlegung per Arbeitsvertrag oder Rahmenvereinbarung ist ratsam. Die Höhe des Verdienstes spielt für die Sozialversicherung keine Rolle, wohl aber für die Anwendung der Lohnsteuerpauschalierung nach § 40a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).

Risiko bei Wiederholung und Planungssicherheit

Probleme entstehen insbesondere dann, wenn Einsätze auf eine regelmäßige Wiederholung angelegt sind. Setzt ein Arbeitgeber wiederholt jährlich dieselben Saisonarbeitskräfte für Erntearbeiten ein, steht schnell die Frage im Raum, ob es sich noch um eine kurzfristige oder nicht doch um eine regelmäßige Beschäftigung handelt. In einem entsprechenden Verfahren entschied zunächst das Sozialgericht Landshut (Urteil vom 09.03.2023 – S 1 BA 3/21), dass bei jährlich wiederkehrender Beschäftigung derselben Erntehelfer – konkret im Spargelanbau – von regelmäßig wiederkehrenden Beschäftigungsverhältnissen und somit von Versicherungspflicht auszugehen sei. Das Bayerische Landessozialgericht (Urteil vom 18.09.2024 – L 16 BA 27/23) hob diese Entscheidung jedoch auf. Allein die Tatsache einer mehrfachen Beschäftigung in verschiedenen Jahren genügt nicht, um eine berufsmäßige oder dauerhafte Beschäftigung zu unterstellen – insbesondere, wenn der Arbeitgeber keinen Einfluss auf die Auswahl der von einer Vermittlungsagentur eingesetzten Kräfte hatte und die Einsatzdauer unvorhersehbar war.

Zeitliche und berufsmäßige Grenzen

Die aktuellen Geringfügigkeits-Richtlinien lassen eine erneute kurzfristige Beschäftigung derselben Arbeitnehmer zu – unter der Voraussetzung, dass zwischen zwei Einsätzen ein Mindestabstand von zwei Monaten liegt. Diese Regel gilt branchenunabhängig und ohne Begrenzung der Anzahl nachfolgender Beschäftigungsverhältnisse, sofern keine auf Dauer angelegte Tätigkeit besteht.

Zwingend zu beachten ist, dass alle kurzfristigen Beschäftigungen im Kalenderjahr zusammengerechnet werden müssen – auch über mehrere Arbeitgeber hinweg. Wird die DreiMonats- oder die 70-Tage-Grenze überschritten, entfällt der kurzfristige Status. Selbst wenn die zeitlichen Grenzen eingehalten werden, kann eine Beschäftigung nicht als kurzfristig gelten, wenn sie berufsmäßig ausgeübt wird und das Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet.

Berufsmäßigkeit: Auslegung und Fallstricke

Die Berufsmäßigkeit ist ein besonders konfliktträchtiger Aspekt in Betriebsprüfungen. Sie liegt vor, wenn die Tätigkeit nicht von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist – also typischerweise Teil der Existenzsicherung. Gerade bei osteuropäischen Saisonarbeitskräften – oft junge Männer – wird von Prüfern der DRV regelmäßig unterstellt, dass ein sogenannter Hausmannstatus nur vorgeschoben sei.

Rechtlich dürfen jedoch Nationalität, Geschlecht oder Alter keine Rolle spielen. Die aktuelle Geringfügigkeitsrichtlinie äußert sich zu dieser Problematik bislang nicht ausdrücklich.

Rechtsprechung: SG Landshut vs. LSG Bayern

In einem weiteren Verfahren entschied das Sozialgericht Landshut (Urteil vom 09.03.2023 – S 1 BA 3/21), dass bei Saisonkräften aus osteuropäischen Niedriglohnländern grundsätzlich Berufsmäßigkeit unterstellt werden könne. Begründet wurde dies mit dem hohen Anteil des Saisonverdienstes am gesamten Jahreseinkommen. In die Bewertung seien sämtliche Einkünfte – auch Kapitalerträge und Unterhaltsleistungen – einzubeziehen. Die bloße Angabe „Hausmann“ im DRV-Fragebogen reiche nicht, um Versicherungspflicht auszuschließen – sonst bestehe die Gefahr massenhafter Umgehung des Sozialversicherungssystems.

Der betroffene Landwirt legte jedoch Berufung ein – mit Erfolg: Das Bayerische Landessozialgericht (Urteil vom 18.09.2024 – L 16 BA 27/23) entschied zugunsten des Arbeitgebers. Maßgeblich sei, ob die betroffene Person tatsächlich existenziell auf das Einkommen aus der Saisonarbeit angewiesen ist. Ein hoher Verdienst relativ zum Lohnniveau des Herkunftslandes allein reicht nicht, um Berufsmäßigkeit zu unterstellen. Dies sei diskriminierend und würde faktisch die Möglichkeit einer kurzfristigen Beschäftigung ausschließen.

Beweislast und Mitwirkungspflichten

Nach der Rechtsprechung sowohl des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.10.2023 – L 8 BA 2385/22) als auch des LSG Bayern trägt die DRV die Beweislast für das Vorliegen der Berufsmäßigkeit. Arbeitgeber erfüllen ihre Pflichten, wenn ihnen ein vollständig ausgefüllter Personalfragebogen vorliegt, in dem Angaben zu Vorbeschäftigungen und zur Lebenssituation enthalten sind. Eine weitergehende Nachweispflicht, etwa zu Einkünften im Herkunftsland, besteht nicht – auch in den aktuellen Fragebögen der DRV ist dies nicht vorgesehen.

Personalfragebögen dienen sowohl der Prüfung der Berufsmäßigkeit als auch der Erfassung von Vorbeschäftigungen. Problematisch kann es werden, wenn Ehepartner übereinstimmend angeben, Hausfrau bzw. Hausmann zu sein, während beide beim selben Arbeitgeber tätig sind. Nach Ansicht des Sozialgerichts Freiburg (Urteil vom 22.07.2022 – S 22 BA 10033/20 ER) spricht in solchen Fällen die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass zumindest für einen der Ehepartner die Tätigkeit nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist.

Was Arbeitgeber beachten sollten

Arbeitgeber sollten die folgenden Punkte beachten, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein:

  • Beschäftigungsdauer, -häufigkeit und Abstand zwischen den Einsätzen sorgfältig dokumentieren;
  • Personalfragebogen vollständig und plausibel ausfüllen lassen;
  • darlegen, dass nachweislich keine berufsmäßige Ausübung gegeben ist (z. B. parallele Hauptbeschäftigung, Selbstständigkeit, freiwilliges soziales Jahr (FSJ), Bundesfreiwilligendienst (BFD) oder Vorruhestandsgeld);
  • Rahmenarbeitsverträge zur Ausgestaltung der Einsätze verwenden.

Merke

Eine kurzfristige Beschäftigung gilt nicht als berufsmäßig, wenn der Arbeitnehmer

  • eine sozialversicherungspflichtige Hauptbeschäftigung ausübt,
  • einer selbstständigen Tätigkeit nachgeht,
  • sich in einem freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahr befindet,
  • am Bundesfreiwilligendienst teilnimmt oder
  • Vorruhestandsgeld bezieht.

Fazit

Die kurzfristige Beschäftigung bleibt für viele Betriebe eine wichtige und sozialversicherungsfreie Gestaltungsmöglichkeit. Angesichts der komplexen Anforderungen und der häufig konfliktbeladenen Beurteilung der Berufsmäßigkeit empfiehlt sich jedoch eine sorgfältige Dokumentation, ebenso wie eine vorausschauende Gestaltung. Die aktuelle Rechtsprechung stärkt dabei die Position der Arbeitgeber – insbesondere durch die Klarstellung, dass die DRV in der Beweispflicht ist und ordnungsgemäß ausgefüllte Fragebögen als Erfüllung der Mitwirkungspflichten ausreichen.

Markus Stier

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