Banner Online Kompaktkurse für fundiertes Wissen zu neuesten Gesesetzesänderungen und Abrechnungskriterien
Free

Diskriminierung durch „Googeln“? BAG zieht Grenze bei Online-Recherchen im Bewerbungsverfahren

Das Bundesarbeitsgericht hat Leitplanken für Online-Recherchen über Bewerber gezogen: Öffentlich verfügbare Infos dürfen nicht unreflektiert verwertet werden – und erfordern in jedem Fall die Einhaltung der DSGVO-Informationspflichten.

Lesezeit 3 Min.
Nahaufnahme von Händen auf einer Laptop-Tastatur mit eingeblendeter Suchleiste – symbolisiert eine Online-Recherche, etwa im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens.
Foto: © stock.adobe.com/chartphoto

BAG zur Google-Recherche im Bewerbungsverfahren: Datenschutz geht vor

Die schnelle Google-Suche nach einem Bewerber gehört heute in vielen Personalabteilungen zum Alltag – sei es zur Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch oder zur informellen Meinungsbildung. Doch was arbeitsrechtlich bislang in einer Grauzone lag, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun mit klaren Leitplanken versehen: Öffentlich zugängliche Informationen dürfen nicht unreflektiert in Auswahlentscheidungen einfließen – vor allem dann nicht, wenn sie Rückschlüsse auf Merkmale zulassen, die nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt sind.

Verortung des Urteils

Digitale Personalauswahl: BAG setzt Grenzen für Online-Recherchen über Bewerber

Online-Recherchen gehören in vielen Unternehmen zum Alltag – mal beiläufig, mal gezielt, teils auch systematisch. Doch dürfen Arbeitgeber Bewerber einfach „googeln“ und gefundene Informationen verwerten? Und wo verläuft die Grenze zwischen legitimer Hintergrundprüfung und verbotener Diskriminierung?

Die Digitalisierung hat die Personalauswahl grundlegend verändert. Während früher lediglich Bewerbungsunterlagen zur Verfügung standen, können Arbeitgeber heute mit wenigen Klicks Informationen aus sozialen Netzwerken, Veranstaltungsfotos oder Nachrichtenarchiven abrufen. Doch was technisch möglich ist, ist nicht automatisch rechtlich zulässig.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt vor Diskriminierung wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Geschlecht, Behinderung, Alter oder sexueller Identität (§ 1 AGG) – und dieser Schutz gilt auch im digitalen Raum. Problematisch wird es, wenn Online-Recherchen Informationen zutage fördern, die Rückschlüsse auf geschützte Merkmale zulassen – und diese (bewusst oder unbewusst) in die Auswahlentscheidung einfließen.

Der Sachverhalt

Universität nutzte Online-Informationen ohne ausreichende Information des Bewerbers

Ein Anwalt hatte sich bei der Universität Düsseldorf auf eine Stelle beworben. Kurz vor dem Bewerbungsgespräch gab der Personalleiter seinen Namen in die Suchmaschine ein. Dabei stieß er auf verschiedene Informationen, darunter Medienberichte und einen Wikipedia-Eintrag, der eine frühere, nicht rechtskräftige Verurteilung des Anwalts enthielt.

Obwohl der Anwalt den Job nicht bekam – was nach Ansicht der Gerichte in Ordnung war, da eine andere Bewerberin besser geeignet schien – wurde der Universität vorgeworfen, die gesammelten Informationen aus dem Internet genutzt zu haben, ohne den Anwalt darüber umfassend zu informieren.

Die Entscheidung

BAG stärkt Datenschutz: Informationspflicht gilt auch bei öffentlich zugänglichen Online-Daten

Das BAG sah hierin einen eindeutigen Verstoß gegen die Informationspflichten nach Art. 14 DSGVO. Diese Vorschrift verpflichtet Datenverarbeiter, betroffene Personen auch dann zu informieren, wenn sie Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen beziehen – und zwar grundsätzlich zeitnah nach der Erhebung. Die Tatsache, dass die Informationen im Internet auffindbar waren, entband die Universität nicht von dieser Pflicht.

Keine AGG-Diskriminierung erkennbar – Ablehnung war sachlich begründet

Der Kläger verlangte neben der DSGVO-Entschädigung auch weitergehenden Schadensersatz nach dem AGG – unter anderem wegen angeblicher Altersdiskriminierung – sowie Ersatz eines behaupteten entgangenen Gewinns. Diese Forderungen wies das Gericht jedoch zurück. Die Universität habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Nichtberücksichtigung des Klägers im Auswahlverfahren nicht auf seinem Alter, sondern auf dem laufenden Strafverfahren und weiteren dienstlichen Erwägungen beruhte – unter anderem auf der Einschätzung, dass die öffentliche Berichterstattung und der offene Ausgang des Verfahrens die charakterliche Eignung infrage stellen könnten. Zudem habe es auch persönliche und teambezogene Aspekte gegeben, die gegen eine Einstellung sprachen. Das Gericht erkannte darin keine unzulässige Diskriminierung im Sinne des AGG.

1.000 € DSGVO-Entschädigung angemessen – Schwere des Eingriffs war begrenzt

Auch die Höhe der DSGVO-Entschädigung – 1.000 € – hielt das BAG für angemessen. Zwar hatte der Kläger eine deutlich höhere Summe gefordert, um einen abschreckenden Effekt zu erzielen. Das Gericht stellte jedoch klar, dass der bloße Verstoß gegen Art. 14 DSGVO allein keine „abschreckend hohe“ Entschädigung rechtfertigt. Maßgeblich sei vielmehr die Schwere des Eingriffs, die hier als begrenzt eingestuft wurde.

#KurzErklärt

  • Online-Recherchen sind nicht verboten – aber die datenschutzrechtlichen Anforderungen müssen eingehalten werden.
  • Die bloße Verfügbarkeit der Informationen im Netz (hier: Wikipedia Eintrag und Presseartikel) entbindet nicht von der Informationspflicht.
  • Ein DSGVO-Verstoß kann einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz begründen.
  • Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach Art und Intensität des Eingriffs – nicht allein nach Abschreckungsgesichtspunkten.
Praxistipp

Praxistipp

Dieses Urteil zeigt deutlich, wie wichtig der sorgfältige Umgang mit Daten im Bewerbungsprozess ist. Für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen bedeutet dies:

- Informationspflicht beachten: Wenn Sie Informationen über Bewerber aus dem Internet recherchieren, müssen Sie die Bewerber darüber informieren, welche Daten Sie gesammelt haben und wofür Sie diese nutzen.

- Rechtliche Grenzen kennen: Nicht alle öffentlich zugänglichen Informationen dürfen im Bewerbungsprozess uneingeschränkt genutzt werden. Insbesondere sensible Daten erfordern Vorsicht.

BAG, Urteil vom 05.06.2025 – 8 AZR 117/24

 

Weitere Beiträge zum Thema:

Rechtsprechung für Sie aufbereitet

Aktuelles aus dem Arbeitsrecht