Stier meint…! Wenn Humor entgleist – Warum die Bahn lieber liefern statt lachen sollte
Die Bahn setzt in ihrer neuen Werbung auf Humor und Selbstironie – doch wer regelmäßig mit Verspätungen kämpft, dem bleibt das Lachen schnell im Hals stecken.

Ich gebe zu: Ich habe ein Faible für guten Humor. Für Menschen, die wissen, wann eine Pointe sitzt und wann man besser schweigt. Wenn jemand Witz, Haltung und Timing beherrscht, ziehe ich meinen Hut. Humor ist wie ein Zug. Er braucht ein Ziel, sonst bleibt er auf der Strecke. Und genau das scheint ein großer deutscher Konzern übersehen zu haben.
Die Bahn macht Witze über sich selbst – mutig oder merkwürdig?
Die Bahn hat sich nämlich etwas Besonderes einfallen lassen. Sie macht jetzt Werbung mit sich selbst und mit ihren Pannen gleich dazu. Verspätungen werden zum Gag, Ausfälle zur Pointe und genervte Fahrgäste zu Statisten im großen PR-Theater. Man könnte sagen, es ist eine Selbstparodie auf Rädern. Aber seien wir ehrlich: Das ist, als würde ein Restaurant mit kalter Suppe werben oder ein Friseur mit schlechtem Haarschnitt. Es ist nicht mutig, sondern merkwürdig.
Lachen statt Leistung – warum Bahnwerbung nicht ankommt
Nun soll also Anke Engelke das Bahnchaos charmant verpacken und den Kunden ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Aber mal ehrlich: Glaubt die Bahn wirklich, dass ein Fahrgast darüber lachen kann? Humor ist eine wundervolle Eigenschaft, und man sollte sie sich bewahren. Doch wer stundenlang auf Gleis sieben festsitzt, denkt kaum an Pointen. Dass die Bahn zur Fahrplanumstellung im Dezember keine Preiserhöhung vornimmt, begründet sie damit, dass sie derzeit eine schlechte Leistung abliefert. Immerhin ehrlich. Doch statt das Übel an der Wurzel zu packen, steckt man lieber Geld in witzige Werbespots.
Fahrgäste wollen Pünktlichkeit, keine Pointen
Denn wer mit der Bahn fährt, will keine Comedy, sondern Zuverlässigkeit. Menschen steigen nicht in den Zug, um sich über Ironie zu amüsieren, sondern weil sie zur Arbeit müssen, zu ihren Familien, zu Freunden, zu Prüfungen, Hochzeiten oder Beerdigungen. Sie wollen einfach ankommen. Und wenn dann wieder die Ansage ertönt, die Weiterfahrt verzögere sich auf unbestimmte Zeit, bleibt einem das Lachen im Hals stecken.
Zwischen Ausfällen und Anschlussverlust – persönliche Erfahrungen
Ich selbst habe in den letzten Jahren tausende Bahnkilometer hinter mir. Ich kenne jede Variante von Ausfall, Verspätung und verpasstem Anschluss. Irgendwann habe ich der Bahn den Rücken gekehrt. Nur noch selten fahre ich mit dem Zug, und wenn, dann mit kalkuliertem Risiko. Ich kann es mir schlicht und einfach nicht erlauben, mich auf sie zu verlassen. Denn am Ende empfindet der Kunde das Zu-spät-Kommen nicht als Scherz, sondern als bittere Wahrheit. Für mich zählen Verlässlichkeit und Pünktlichkeit, nicht Selbstironie und Spontanhumor.
Imagepflege statt Infrastruktur – das eigentliche Problem
Das Problem sitzt woanders. In den oberen Etagen, wo man lieber Imagefilme dreht, statt Schienen zu warten. Wo man glaubt, man könne strukturelles Versagen mit Humor kaschieren. Dort, wo man Satire beauftragt, um über das eigene Missmanagement zu lachen, als wäre es eine Form von Kundenbindung.
Wenn Selbstironie zur Selbsttäuschung wird
Natürlich kann man sich selbst auf die Schippe nehmen. Das ist sympathisch, wenn man liefert. Aber wenn das System schon am Limit läuft, wirkt Selbstironie schnell wie Hohn. Die Bahn wirbt mit dem Slogan „Wir sitzen alle im selben Zug“. Das klingt nett, ist aber falsch. Wir sitzen nicht alle im selben Zug. Manche fahren gar nicht mehr, sie sind längst ausgestiegen.
Humor ist eine Kunst. Verantwortung ist eine Pflicht. Und solange Letztere auf der Strecke bleibt, hilft kein noch so smarter Spot. Vielleicht sollte die Bahn weniger Witze produzieren und wieder Züge, die ankommen.
Bis dahin heißt es…Nerven nicht verlieren!

Herzliche Grüße
Ihr
Markus Stier

