Modern, flexibel oder anders? : Homeoffice – ein Must-have-Benefit?
Leben, um zu arbeiten, oder arbeiten, um zu leben? Eine philosophisch anmutende Frage, die wohl jede Generation anders beantworten wird. Denn gerade die Generation X (1966 bis 1980), die Generation Y (1981 bis 1995) und die Generation Z (geboren nach 1995) legen zunehmend Wert auf eine ausgeprägte Work-Life-Balance, Selbstverwirklichung und Sinnhaftigkeit im Job. Bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber spielen gerade für die ganz jungen Talente unternehmerische Benefits eine Rolle – allen voran das Homeoffice.

Zufriedenheit ist der Wert, der der Generation Z bei der Arbeit am wichtigsten ist. Das belegt die aktuell 18. Studie „Recruiting Trends“ des Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universitäten Bamberg und Erlangen-Nürnberg sowie des Karriereportals Monster. CHRIS befragte dafür Personaler von 1.000 deutschen Top-Unternehmen sowie 300 Arbeitgeber aus der IT-Branche. CHRIS verglich dabei das Ergebnis von mehr als 3.500 Kandidaten.
Generation Z: Homeoffice wird zum Must-have
A und O, um bei einem Arbeitgeber zu unterschreiben, war für die Generation Z bereits vor der Corona-Pandemie die Möglichkeit zum Homeoffice. Ohne die Option, von zu Hause aus zu arbeiten, traten vier von zehn jungen Talenten eine Stelle gar nicht erst an. Wohl die überraschendste Aussage der empirischen Studie: „Ich lebe, um zu arbeiten“ bejahte immerhin jeder fünfte Kandidat der Generation Z.
Corona-Pandemie erhöht über Generationen hinweg Verlangen nach Heimarbeit
Doch nicht nur für die Generation Z ist das Thema Homeoffice attraktiv, das zeigte sich in den vergangenen Monaten deutlich. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Nachfrage nach Heimarbeit über alle Generationen hinweg drastisch erhöht. Das bestätigte auf Anfrage auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), dessen Mitgliederallianz nach eigenen Angaben mit mehr als 30 Partnerverbänden die Interessen von über 900.000 Unternehmerstimmen vertritt. „Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen – und sollten – aktuell aufgrund von Infektionsrisiken oder angeordneter Quarantäne von zu Hause aus arbeiten“, so der BVMW. Für viele sei das ein willkommenes Modell, „möchten sie beispielsweise aufgrund langer Fahrwege, nicht zuletzt in öffentlichen Verkehrsmitteln, keinen größeren Menschenmengen ausgesetzt sein“. Exakte Zahlen, wie viele Mitglieder bisher ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schickten, liegen dem BVMW nicht vor. Der Trend sei jedoch eindeutig: „Nahezu alle Unternehmen berichten vom verstärkten Verlangen der Mitarbeiter nach Homeoffice-Arbeitsplätzen. Diesem Wunsch wird auch immer stärker entsprochen.“
Corona-Pandemie verändert Arbeitsmarkt nachhaltig
Dass das Pendel nach der Corona-Pandemie wieder in die andere Richtung zurückschlagen werde, davon geht der BVMW aus: „Dennoch wird wohl die Anzahl der häuslichen Arbeitsplätze dauerhaft höher ausfallen als vor der Pandemie.“
Welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf den Arbeitsmarkt haben wird, das lässt sich bis jetzt noch nicht abschließend beurteilen. Eines scheint jedoch sicher: Dieser wird nicht mehr derselbe sein wie noch vor einem Jahr. Und das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Kampf um junge Talente. Hatten sie vor der Pandemie branchenbedingt häufig ein Überangebot an Jobs, könnte sich das Blatt jetzt zu ihren Ungunsten wenden.
Flexibilität bleibt das A und O bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen
Flexibilität bleibt wohl auch in Zukunft das Credo, wenn es um die Gestaltung von Arbeitsplätzen geht. Und dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die Altersgruppe X, Y oder Z handelt. Während viele in diesen turbulenten Monaten die Heimarbeit für sich entdecken, erkennen einige andere, dass die Kinderbetreuung und das gleichzeitige Arbeiten von zu Hause aus sie an ihre Grenzen bringen.
„Vorausschauende Unternehmen verfolgen hier einen ganzheitlichen Ansatz“, sagt der BVMW. „Für die Personalplanung spielt das Homeoffice für alle Altersgruppen eine deutlich größere Rolle als in der Vergangenheit. Das fängt bei der Rekrutierung an und erstreckt sich dann auf alle Bereiche des Personalwesens, von der Karriereplanung und der Weiterbildung über die Gestaltung des Arbeitsplatzes bis hin zu den benötigten Gewerbeflächen.“
Recht auf Homeoffice – ja oder nein?
Bislang streiten sich die Geister, ob der Fiskus ein Recht auf Homeoffice, respektive einen Erörterungsanspruch darauf, in Zukunft gesetzlich verankern sollte. Nein, meint der BVMW: „Homeoffice hat sich in der Krise bewährt.

Aber in der Zeit danach darf die Erholung der Wirtschaft nicht durch steigende Arbeitskosten und zusätzliche Bürokratie gefährdet werden.“ Der Verband setzt auf Freiwilligkeit. Damit ist er nicht allein.
Auch seitens der Politik bekommt der Vorschlag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil Gegenwind. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier beispielsweise ist ebenfalls der Meinung, dass eine Homeoffice-Übereinkunft weiterhin Sache zwischen Firma und Mitarbeiter bleiben muss.
Homeoffice hat besonders im Dienstleistungssektor Potenzial
Wie sich der Blick der einzelnen Generationen auf das Thema Heimarbeit durch die Pandemie abschließend verändern wird, bleibt abzuwarten. So ist die Affinität für Heimarbeit vermutlich weniger ein Generationen- als ein Branchendiskurs. Ist für das verarbeitende Gewerbe aus organisatorischen Gründen das Homeoffice eher weniger praktikabel, entdecken Dienstleistungsunternehmen im Finanz-, Informations- und Kommunikationssektor das Modell für sich. Sicher ist: Wer aktuell von einem Digitalisierungsschub spricht, der meint damit gleichzeitig auch einen Homeoffice-Schub. Denn in den vergangenen Monaten haben viele Arbeitgeber die Erfahrung gemacht, dass sich Arbeitsprozesse genauso gut digital abbilden lassen. Eine Anwesenheit der Mitarbeiter im Büro ist dafür nicht zwingend erforderlich. Ob Videokonferenzen oder Weiterbildungen per E-Learning – durch die Corona-Pandemie sind neue Technologien im Eiltempo zum Alltag vieler Arbeitnehmer geworden. Und das oft einfacher und unkomplizierter als zuvor angenommen.
Philipp R. Kinzel