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Offener Brief

Special
Lesezeit 3 Min.

Künstliche Intelligenz

Liebe Leserinnen und Leser,

kürzlich war ich bei einer Konferenz, auf der es um künstliche Intelligenz – neudeutsch KI – ging. Hörte sich alles sehr innovativ und modern an. Computer, die selbstständig dazulernen, die auch komplexe Sachverhalte schnell und gründlich analysieren, daraus ihre Schlussfolgerungen ziehen und Entscheidungen treffen.

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Schöne neue Welt? Manchmal zweifle ich ein wenig. Können Maschinen und Programme wirklich intelligenter sein als wir Menschen? Ok, bei einigen menschlichen Exemplaren sicherlich. Aber so generell? Was alle Wissenschaftler und Entwickler sagen, ist, dass die KI keine wirklichen Emotionen und keine Empathie empfinden oder entwickeln kann. Also keine emotionale Intelligenz – kommt mir bei einigen Mitmenschen auch bekannt vor.

Mathematische oder logische Prozesse – das kann ich mir gut vorstellen. Da sind Computer sicher schneller als wir Durchschnittsmenschen. Nun soll KI aber auch im HR-Bereich Einzug halten. Bei der Entgeltabrechnung? Einverstanden, da geht es um Zahlen und logische Entscheidungsprozesse. Habe ich eben logisch gesagt? Stimmt bei einer Reihe von Steuer und Sozialversicherungsvorschriften eher nicht so ganz. Aber dass ich die Logik nicht nachvollziehen kann, heißt ja nicht unbedingt, dass es keine gibt. Und wenn der Computer diese erkennen und danach handeln kann – meinethalben.

KI bei Recruiting-Prozessen? Da beginne ich zu zweifeln. Ich war selbst lange Jahre Ausbilder, habe die Bewerbungen gelesen, die Kandidaten zum Test und zum Gespräch eingeladen. Das war und ist viel Arbeit, die Verlockung, eine erste Auswahl dem Computer zu überlassen, durchaus groß. In Deutsch eine Vier minus? Automatisch aussortiert. Mathematik mit Vier? Auch nicht zu gebrauchen – aussortiert. Das macht der Computer konsequent und zuverlässig. Aber ist das immer richtig?

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen – und die meisten Ausbilder werden mir da zustimmen –, Schulnoten sind nicht wirklich aussagekräftig. Sie bilden nicht den einzelnen Menschen und seine Fähigkeiten ab. So manche „Perle“ habe ich entdecken können, die durch jedes KI-Raster gefallen wäre. Aber das Bewerbungsschreiben oder eine Kleinigkeit im Lebenslauf hat mich neugierig gemacht und ich habe den Bewerber oder die Bewerberin zum Gespräch und zum Test eingeladen. Mitunter mit überraschenden Ergebnissen. Und: Mein Bauchgefühl hat mich nie enttäuscht. Hat ein Computer „Bauchgefühl“? Mangels Bauch eher nicht. Und wenn es keine emotionale Intelligenz gibt, kann es auch kein Bauchgefühl geben. Schade um den jungen Menschen, der so keine Chance bekommt, schade auch für das Unternehmen, dem ein top geeigneter Auszubildender entgeht.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich bin auch gern mal faul und lasse mir die Arbeit von einem Computer erledigen – und wenn der dann auch noch intelligent ist, umso besser. Aber es gibt Dinge, die erledigt man lieber selbst – mit menschlicher Intelligenz und menschlichem Gefühl.

Es gibt da einen Test zur Qualität von künstlicher Intelligenz: Wenn man mit einem – unbekannten – Telefonpartner spricht und nach einigen Minuten nicht gemerkt hat, dass es sich um einen Computer handelt, dann ist der intelligent. Oder bin ich dann vielleicht nur zu blöd? Ich weiß es nicht. Sprechen mit einer künstlichen Intelligenz? Ich habe da lieber einen echten Menschen am anderen Ende der Leitung – mit all seinen Schwächen und Fehlern. Wenn das altmodisch ist, bin ich gern altmodisch.

Natürlich weiß ich um das Fachkräfteproblem, und wenn man einfache Fragen per Computer beantworten und so die wertvolle Ressource Mensch einsparen kann, ist das ein echtes Argument für den Einsatz von KI. Ich würde mir nur wünschen, dass ich es selbst entscheiden kann, mit wem ich spreche – Mensch oder Computer.

Hoffen wir mal, dass uns die künstliche Intelligenz nicht vollständig ersetzt. Auch wenn sie mit vielen Mängeln behaftet ist – lassen Sie es uns doch weiter mit der menschlichen Intelligenz versuchen. Gefühle sind zwar manchmal hinderlich, aber darauf verzichten, möchte ich auch nicht.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine intelligente Zeit!

Ihr Felix, der Glückliche

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