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Im Blick: Sozialversicherungsrecht (Ausgabe 1/2022)

Lesezeit 5 Min.

Insolvenzgeldumlage für 2022 gesenkt

Kaum zu glauben, aber wahr: Die Insolvenzgeldumlage, im Jahr 2021 noch von zuvor 0,06 Prozent auf 0,12 Prozent erhöht, wurde mit Wirkung zum 01.01.2022 auf 0,09 Prozent abgesenkt. Nach dem Gesetz ist ein Umlagesatz von 0,15 Prozent vorgesehen. Von diesem Wert kann aber durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates abgewichen werden. Trotz oder wegen Corona, das ist hier die Frage. Vermutlich liegt der Grund in der vorübergehend ausgesetzten Pflicht der Unternehmen, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn Zahlungsunfähigkeit droht.

Mit der Insolvenzgeldumlage, die ausschließlich vom Arbeitgeber gezahlt wird, wird das Insolvenzgeld finanziert. Diese Leistung erhalten Arbeitnehmer für maximal drei Monate, wenn ihr Arbeitgeber den Lohn wegen Zahlungsunfähigkeit nicht mehr auszahlen kann. Ausgezahlt wird das Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit. Der Beitragseinzug erfolgt allerdings im Rahmen des Gesamtsozialversicherungsbeitrags über die Krankenkassen als Einzugsstellen bzw. bei Minijobs über die Minijobzentrale.

Für die Umlage herangezogen wird grundsätzlich das rentenversicherungspflichtige Entgelt. Dabei ist die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung zu beachten. Bei Beschäftigten, die nicht der Rentenversicherungspflicht unterliegen, ist das Entgelt umlagepflichtig, von dem im Falle der Rentenversicherungspflicht die Beiträge berechnet worden wären.

Besonderheiten:

  • Beim Kurzarbeitergeld wird nur das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt herangezogen, das fiktive Entgelt wird nicht berücksichtigt.
  • Bei Altersteilzeit ist nur das tatsächlich ausgezahlte Arbeitsentgelt umlagepflichtig, nicht jedoch der vom Arbeitgeber gezahlte Aufstockungsbetrag.
  • Bei Vorruhestandsgeldempfänger wird keine Insolvenzgeldumlage erhoben.
  • Liegt das Arbeitsentgelt bei einer geringfügigen Beschäftigung unterhalb des Mindestentgelts in der Rentenversicherung von 175,00 Euro, so wird die Insolvenzgeldumlage nur aus dem tatsächlich erzielten Entgelt erhoben.
  • Im Übergangsbereich (monatliches Entgelt zwischen 450,00 Euro und 1.300,00 Euro) wird das mithilfe des Faktors F verminderte beitragspflichtige Entgelt auch für die Insolvenzgeldumlage maßgebend.

A1-Bescheinigung und kein Ende

Die Notwendigkeit, bei jeder Auslandsentsendung eine Bescheinigung A1 beantragen zu müssen, führt in der Praxis immer wieder zu Problemen und einem hohen Arbeitsaufwand. Schon vor einigen Jahren hieß es, dass die EU-Kommission über eine Geringfügigkeitsregelung nachdenke, die bei nur kurzfristigen Auslandsaufenthalten Ausnahmen von der A1-Pflicht beinhalten könnte. Passiert ist seither leider nichts.

Nun soll – auf Initiative Niedersachsens – ein neuer Anlauf gemacht und die Bundesregierung aufgefordert werden, in dieser Sache wieder in Brüssel vorstellig zu werden und eine Lösung des Problems anzustoßen (siehe Beitrag Seite 8). Man kann nur hoffen, dass ein solcher Vorstoß zum Erfolg führt. Wobei es sinnvoll und notwendig wäre, parallel dazu auch entsprechende Geringfügigkeitsregelungen für die Meldepflichten nach der EU-Entsenderichtlinie einzuführen. Einzelne Länder sehen zwar schon jetzt solche Ausnahmebestimmungen vor, leider jedoch nicht flächendeckend.

Im Blick Sozialversicherungsrecht 2022-1
Im Blick Sozialversicherungsrecht 2022-1

Nebenjob als Notärztin oder Notarzt regelmäßig versicherungspflichtig als Beschäftigung

Ärztinnen und Ärzte, die im Nebenjob regelmäßig als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst tätig sind, wurden vom 12. Senat des Bundessozialgerichts am 19.10.2021 in drei Fällen als sozialversicherungspflichtig beschäftigt eingestuft (Aktenzeichen: B 12 KR 29/19 R, B 12 R 9/20 R, B 12 R 10/20 R). Ausschlaggebend sei, dass die Ärztinnen und Ärzte während ihrer Tätigkeit als Notärztin und Notarzt in den öffentlichen Rettungsdienst eingegliedert waren. Sie unterlagen verschiedenen Verpflichtungen, darunter die Pflicht, sich während des Dienstes örtlich in der Nähe des Notarztfahrzeuges aufzuhalten und nach einer Einsatzalarmierung durch die Leitstelle innerhalb einer bestimmten Zeit auszurücken. Dabei sei unerheblich, dass dies durch öffentlich-rechtliche Vorschriften vorgegeben ist. Zudem nutzten sie überwiegend fremdes Personal und Rettungsmittel. Dass es sich dabei in einem Fall nicht um Rettungsmittel des betroffenen Landkreises als Arbeitgeber, sondern der Stadt handelte, rechtfertige keine andere Entscheidung. Denn der Arzt setzte jedenfalls keine eigenen Mittel in einem wesentlichen Umfang ein.

Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit fielen demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht. Dass die Beteiligten davon ausgingen, die Tätigkeit erfolge freiberuflich beziehungsweise selbstständig, sei angesichts der Vereinbarungen und der tatsächlichen Durchführung der Tätigkeit irrelevant. Zudem konnten die Ärztinnen und Ärzte nur dadurch ihren Verdienst vergrößern und damit unternehmerisch tätig werden, indem sie mehr Dienste übernahmen. Während der einzelnen Dienste – und nur darauf käme es an – hatten sie insbesondere aufgrund ihrer Eingliederung in eine fremde Organisation keine Möglichkeit, ihren eigenen Gewinn durch unternehmerisches Handeln zu steigern.

Das Urteil kann Auswirkungen auch für andere, ähnlich gelagerte Arbeitsverhältnisse haben.

EuGH schränkt grenzüberschreitende Leiharbeit ein

Eine Entsendung in einen anderen EU-Mitgliedstaat ist grundsätzlich auch für Leiharbeitsfirmen und deren Mitarbeiter möglich. In diesen Fällen – unter der Voraussetzung der Erfüllung der üblichen Kriterien (z. B. Befristung auf maximal 24 Monate) – bleiben die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen des Entsendestaates anwendbar.

Um als in einem Mitgliedstaat „gewöhnlich tätig“ angesehen werden zu können, muss ein Leiharbeitsunternehmen einen nennenswerten Teil seiner Tätigkeit der Überlassung von Arbeitnehmern für entleihende Unternehmen verrichten, die im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats niedergelassen und dort tätig sind.

Die Tätigkeit der Auswahl und der Einstellung von Leiharbeitnehmern im Mitgliedstaat des Sitzes des Leiharbeitsunternehmens reicht nicht aus, um annehmen zu können, dass dieses Unternehmen dort „nennenswerte Tätigkeiten“ ausübt. Das sind die vom EuGH aufgestellten Grundsätze.

Das_Urteil_im_Volltext-min
Das_Urteil_im_Volltext-min

 

Höherer Zuschlag für Kinderlose in der Pflegeversicherung

Im Blick Sozialversicherungsrecht 2022-2
Im Blick Sozialversicherungsrecht 2022-2

In der gesetzlichen Pflegeversicherung zahlen kinderlose Versicherte einen Zuschlag zum Beitrag. Dieser betrug bisher 0,25 Prozent des beitragspflichtigen Entgelts. Ab 01.01.2022 wird dieser auf 0,35 Prozent angehoben. Damit zahlen Kinderlose dann insgesamt 3,4 Prozent. Bei Beschäftigten wird die Hälfte des regulären Beitrags vom Arbeitgeber gezahlt, der Beitragszuschlag wird aber vom Arbeitnehmer allein getragen. In der privaten Pflegeversicherung gibt es einen solchen Zuschlag nicht.

Arbeitslosenversicherung und Altersrentner: Arbeitgeber muss wieder zahlen

Rentner, die nebenher mehr als geringfügig arbeiten, sind in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig. Die Versicherungspflicht endet mit Erreichen der Regelaltersgrenze. Bei Versicherungsfreiheit muss der Arbeitgeber grundsätzlich seinen Beitragsanteil weiter leisten. Durch das sogenannte Flexirentengesetz wurde diese Pflicht für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2021 ausgesetzt. Ab dem 01.01.2022 ist der Arbeitgeberanteil in diesen Fällen wieder zu entrichten.

Der Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung bleibt trotz der Belastungen durch die Corona-Pandemie zunächst unverändert und soll erst ab 2023 steigen.

Im Blick Sozialversicherungsrecht 2022-3
Im Blick Sozialversicherungsrecht 2022-3

Namens- und Anschriftenänderungen: Meldungen entfallen

Die gesonderte Meldung von Namens- oder Anschriftenänderungen, das sind Meldungen mit Abgabegrund 60 und 61, entfallen künftig. Die Versicherungsträger erhalten diese Daten von den Meldebehörden. Hintergrund des Wegfalls sind unter anderem datenschutzrechtliche Bedenken, die im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte aufgetaucht sind. Die Meldungen waren schon bisher nur optional und für die Arbeitgeber nicht verpflichtend. Natürlich müssen veränderte Daten bei den übrigen Meldungen (Anmeldungen, Entgeltmeldungen) berücksichtigt werden.

Fälligkeitstermine für Beiträge und Beitragsnachweise: Um Säumniszuschläge bei den Sozialversicherungsbeiträgen zu vermeiden, ist die pünktliche Zahlung der Beiträge an die Einzugsstellen zu beachten. Beiträge für Arbeitnehmer werden jeweils am drittletzten Bankarbeitstag fällig, müssen also spätestens an diesem Tag bei der Einzugsstelle eingegangen sein. Der Beitragsnachweis ist jeweils zwei Arbeitstage vorher einzureichen.

Übersicht zu den Terminen für 2022
Übersicht zu den Terminen für 2022

 

Jürgen Heidenreich

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