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Happy Family, Happy Company? Familien und ihre Bedeutung für das Unternehmen

Lesezeit 5 Min.

Personalchef Weber ist verzweifelt. Händeringend sucht er nach Fachkräften, erhält auch einige vielversprechende Bewerbungen, zu einem Vertragsabschluss kommt es aber nicht. Dabei zahlt das Unternehmen recht gut, die Arbeit ist ansprechend, allerdings wird es mit der Arbeitszeit nicht so genau genommen. Eine 50-Stunden-Woche ist für die qualifizierten Mitarbeiter eher die Regel als die Ausnahme.

Weber trifft bei einer Veranstaltung einen Kollegen von der Konkurrenz. Der hört sich seine Sorgen an und kann die Probleme nicht nachvollziehen. „Bei uns kommen die Bewerber gern“, erklärt er seinem Kollegen, „und sie bleiben auch!“

Was macht das Unternehmen von Herrn Weber falsch? Einfache Antwort: Es reduziert alles auf die Arbeit, andere Bereiche interessieren nicht, sind schließlich Privatsache. Die Familie der Beschäftigten wird vom Unternehmen nicht beachtet. Dabei kann man das Herz eines Kandidaten in vielen Fällen über die Familie gewinnen.

Die „neuen“ Väter und Mütter wollen auch genau das sein: Väter und Mütter und nicht nur Arbeitsmaschinen, die abends gestresst nach Hause kommen und keine Zeit für die Familie haben. Unternehmen, die das erkannt haben und sich auf die Bedürfnisse der Familien einstellen, haben einen echten Wettbewerbsvorteil im War for Talents.

Die Bedeutung der Familie erstreckt sich nicht nur auf die Gewinnung neuer Mitarbeiter, sondern genauso auf die Bindung der vorhandenen Fachkräfte. Der demografische Wandel bewirkt, dass in den kommenden Jahren große Teile der Belegschaft, die sogenannten Babyboomer, aus dem Unternehmen ausscheiden und durch neue Kräfte ersetzt werden müssen. Nur haben die jungen Fachkräfte durchaus andere Vorstellungen von einem sinnvollen und erfüllenden Arbeitsleben. Arbeit um jeden Preis und zu jeder Zeit ist heute keine Option mehr. Vielmehr erwarten die jungen Fachkräfte ein ausgewogenes Mit- und Nebeneinander von Arbeit und Privatleben. Die Einstellungen und Erwartungen der Arbeitnehmer haben sich in den vergangenen Jahren erheblich verändert. Und der Markt hat sich gedreht. Waren früher viele Menschen froh, überhaupt einen Arbeitsplatz zu finden, und deshalb bereit, so manche Kröte zu schlucken, können sich zumindest die qualifizierten Arbeitnehmer ihren Job und ihren Arbeitgeber aussuchen. Und genau das tun sie auch!

Die Motivation ist heute eine andere. Es geht natürlich um das Geldverdienen, aber nicht mehr um jeden Preis. Viele sind heute mit einem angemessenen auskömmlichen Salär durchaus zufrieden. Es muss nicht immer mehr und noch mehr sein. Andere Dinge spielen inzwischen eine wichtigere Rolle, wie Zeit für die Kinder und die Familie, für Hobbys, Sport, Reisen. Eine längere Auszeit (Sabbatical) gehört für viele zu ihrer Lebensplanung dazu.

Was kann man also tun? Die Unternehmen sind gut beraten, sich auf die veränderten Wünsche und Ansprüche der jüngeren Generationen einzustellen. Sonst werden sie Schwierigkeiten bekommen, die erforderlichen Arbeitskräfte zu rekrutieren.

Wir wollen uns deshalb einmal anschauen, was die Betriebe unternehmen können, um ihren Beschäftigten das Familienleben zu erleichtern. Es ist letztlich eine Frage des Respekts und des pfleglichen Umgangs mit der wichtigen Ressource des Unternehmens.

Ein maßgeblicher Faktor ist die Arbeitszeit. Die meisten Arbeits- und Tarifverträge sehen eine Wochenarbeitszeit zwischen 35 und 39 Stunden vor. Von vorübergehenden kurzfristigen (!) Abweichungen abgesehen, sollte die vereinbarte Arbeitszeit auch eingehalten werden (können). Eine permanente Überlastung führt zu Stress und Frust. Findet sich dann eine Alternative, ist der Beschäftigte weg.

Je flexibler die Arbeitszeit ist, in Lage und Umfang, desto leichter fällt es den Beschäftigten, die Arbeit und ihr Privatleben in Einklang zu bringen. Gerade wenn schulpflichtige Kinder da sind, stellen starre Arbeitszeitregelungen ein echtes Problem dar. Die Infrastruktur in Deutschland ist in diesem Bereich nicht besonders flexibel. Eine Kinderbetreuung außerhalb der „normalen“ Arbeitszeit von 7 bis 16 Uhr ist absolute Mangelware. Kindergärten oder andere Betreuungseinrichtungen mit Öffnungszeiten vom frühen Morgen bis in den späten Abend (oder gar über Nacht) gibt es so gut wie nicht. Entweder das Unternehmen akzeptiert die dadurch bedingten zeitlichen Einschränkungen seiner Mitarbeiter oder es wird selbst aktiv, um Abhilfe zu schaffen. Warum sollen sich nicht mehrere Unternehmen in einer Region zusammentun, um eine sichere Kinderbetreuung auch zu ungewöhnlichen Zeiten zu organisieren, wenn dies aus betrieblichen Gründen sinnvoll und notwendig ist? Natürlich eine Frage der Unternehmensgröße, ob eine solche Einrichtung nur für das einzelne Unternehmen zu finanzieren und zu organisieren ist. Aber viele mittlere und kleinere Unternehmen zusammen können ein vergleichbares Potenzial darstellen und gemeinsam einen Betriebskindergarten mit entsprechenden Öffnungszeiten betreiben.

Oft geht es auch eine Nummer kleiner: Notfallbetreuung in einem nahegelegenen „normalen“ Kindergarten, die für die Mitarbeiter vorgehalten wird, kann auch schon helfen. Oder ein Mutter-Kind (oder Vater-Kind)-Büro mit Spielecke, in dem Beschäftigte im Notfall mit ihrem Kind arbeiten können. Oder die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten, etwa bei Krankheit des Kindes oder fehlenden Betreuungsmöglichkeiten.

Kinderbetreuung ist aber nur ein – wenn auch wichtiger – Aspekt. Stressbelastung im Job, fehlende Motivation, mangelnde Anerkennung sind Kriterien, die einen Mitarbeiter schnell mit Abwanderungsgedanken infizieren können. „Gute Arbeit“ ist gefragt. Dazu gehört selbstbestimmtes Arbeiten, ein angenehmes Arbeitsumfeld, gute Vorgesetzte, Anerkennung und viele Dinge mehr, die eine Arbeit auszeichnen oder abschreckend machen können.

Wichtig, dass es sich bei der Familienfreundlichkeit nicht nur um Lippenbekenntnisse handelt. Entscheidend ist vielmehr das Gesamtkonzept und wie es im Alltag tatsächlich gelebt wird. Ein von der Geschäftsleitung verordnetes „ab heute sind wir ein familienfreundliches Unternehmen“ hilft nichts, wenn die Führungskräfte nicht mitziehen. Und die kann man nicht gewinnen, wenn notwendige Ressourcen nicht zur Verfügung gestellt werden. Ein weiter wie bisher, aber jetzt bitte familienfreundlich funktioniert nicht. Wie jedes Serviceangebot kostet auch die Familienfreundlichkeit Geld, Zeit und Kapazitäten. Die muss das Unternehmen zur Verfügung stellen, wenn eine Umsetzung glaubwürdig und dauerhaft erfolgen soll. Und die Mitarbeiter merken sehr schnell, ob es sich um eine echte Unternehmenskultur oder nur um einen Papiertiger handelt.

Wie wäre es mit einem Zertifikat?

Es gibt inzwischen ein Zertifikat für familienfreundliche Unternehmen. In guter Qualität und zu akzeptablen Preisen. Mit einem solchen Zertifikat lässt es sich gut um neue Mitarbeiter werben. Es zeigt auf einen Blick und sehr plakativ, dass das Unternehmen seine Verantwortung für die Familien seiner Mitarbeiter erkannt hat und bereit ist, dafür einiges zu tun. Die Zertifikate werden nach einer Befragung der Mitarbeiter und des Unternehmens sowie einer Vor-Ort-Untersuchung erteilt. Hier zeigt sich dann sehr schnell die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Wenn die Maßnahmen bei den Beschäftigten nicht ankommen oder von ihnen nicht genutzt werden können, hilft die beste Idee nichts. Die Kosten einer Zertifizierung richten sich nach der Anzahl der Mitarbeiter und beginnen bei rund 1.000 Euro. In einer der nächsten Ausgaben werden wir ausführlich über Zertifizierungs- und Auditierungsmöglichkeiten berichten.

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