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Arbeitsrecht : Mitbestimmungs- und Mitbeurteilungsrechte

Lesezeit 6 Min.

Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer im BetrVG

Im vierten Teil des BetrVG sind in den §§ 74 ff. Regelungen zur Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer enthalten. In § 87 BetrVG – dritter Abschnitt: soziale Angelegenheiten – sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aufgeführt. Kommt eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über eine Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 BetrVG nicht zustande, entscheidet nach § 87 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Einigungsstelle. § 99 BetrVG beinhaltet im dritten Unterabschnitt die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, dann kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen, § 99 Abs. 4 BetrVG. § 102 BetrVG enthält die Mitbestimmung bei Kündigungen und § 103 BetrVG Regelungen zur außerordentlichen Kündigung und Versetzung in besonderen Fällen.

Gesetzesvorbehalt in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG

Das BAG hat in dem Beschluss vom 22.07.2014 – 1 ABR 96/12 – AP Nr. 19 zu § 87 BetrVG 1972 Rn. 14 m. w. N. ausgeführt, dass nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG der Betriebsrat u. a. nicht nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen hat, soweit die betreffende Angelegenheit gesetzlich geregelt ist. Das beruhe auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr verbleibe, wenn eine den Arbeitgeber bindende und abschließende gesetzliche Vorschrift vorliege. Werde der Mitbestimmungsgegenstand durch diese inhaltlich und abschließend geregelt, fehle es an einer Ausgestaltungsmöglichkeit durch die Betriebsparteien. Verbleibe dem Arbeitgeber dagegen trotz der bestehenden normativen Regelung ein Gestaltungsspielraum, sei ein darauf bezogenes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eröffnet.

Gesetz im Sinne des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG

Gesetz im Sinne des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ist jedes förmliche oder materielle Gesetz, soweit es sich um eine zwingende Regelung handelt. Eine zwingende Regelung liegt auch dann vor, wenn von einer bestehenden gesetzlichen Regelung nur nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann (BAG – Beschluss vom 22.07.2014 – 1 ABR 96/12 – AP Nr. 19 zu § 87 BetrVG 1972 Rn. 15).

Grenzen der Ausübung des Mitbestimmungsrechts

Hierzu das Urteil des BAG vom 26.04.2005 – 1 AZR 76/04 – AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 unter I.2.a) m. w. N.: Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats darf ein Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nicht in der Weise ausüben, dass er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet. Zwar dürfen dem Arbeitgeber durch Betriebsvereinbarung gewisse Entscheidungsspielräume in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten eingeräumt werden. Der Betriebsrat kann aber über sein Mitbestimmungsrecht im Interesse der Arbeitnehmer nicht in der Weise verfügen, dass er in der Substanz auf die ihm gesetzlich obliegende Mitbestimmung verzichtet.

Reichweite des Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG

Beschluss des BAG vom 13.11.2013 – 4 ABR 16/12 – AP Nr. 64 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung Rn. 13 m. w. N.: Die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 99 BetrVG erfasst als ein einheitliches Verfahren eine Ein- oder Umgruppierung in allen ihren Teilen. Dementsprechend umfasst das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch die zutreffende Beschäftigungszeit einer bestimmten Vergütungsgruppe, wenn sich daraus ein unterschiedliches Entgelt ergibt.

Definition der Ein- oder Umgruppierung

Beschluss des BAG vom 19.04.2012 – 7 ABR 52/10 – AP Nr. 60 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung Rn. 28 m. w. N.: Eingruppierung ist die erstmalige Einreihung, Umgruppierung die Änderung der Einreihung in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Eine Umgruppierung kann in der Feststellung bestehen, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr den Merkmalen der Vergütungsgruppe entspricht, in die er bisher eingruppiert ist, sondern denen einer anderen. Anlass für eine Änderung der bisherigen Einreihung kann auch die Änderung des bisher geltenden Vergütungsschemas bei unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers sein.

Mitbeurteilungsrecht

Rn. 27 des Beschlusses des BAG vom 19.04.2012 – 7 ABR 52/10 – AP Nr. 60 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung m. w. N.: Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat u. a. vor jeder Eingruppierung und Umgruppierung zu unterrichten und seine Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Das „Mitbestimmungsrecht“ besteht in den Fällen der Ein- und Umgruppierung nicht in einem Mitgestaltungs-, sondern in einem Mitbeurteilungsrecht. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Ein- oder Umgruppierung i. S. v. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vornehmen will.

Beschluss des BAG vom 19.10.2011 – 4 ABR 119/09 – AP Nr. 58 zu 99 BetrVG 1972 Eingruppierung Rn. 19 m. w. N.: Unter Eingruppierung i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG versteht man die erstmalige Einordnung und unter Umgruppierung jede Änderung der bisherigen Einordnung eines Arbeitnehmers in ein kollektives betriebliches Entgeltschema. Ein solches ist eine kollektive, mindestens zwei Vergütungsgruppen enthaltende Regelung, die eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu einer der Vergütungsgruppen nach bestimmten, generell bestehenden Merkmalen vorsieht. Die Ein- oder Umgruppierung ist keine ins Ermessen des Arbeitgebers gestellte, rechtsgestaltende Maßnahme, sondern Rechtsanwendung. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG besteht in diesen Fällen daher in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage. Es soll dazu beitragen, hinsichtlich der Eingruppierung möglichst zutreffende Ergebnisse zu erzielen, und dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung des Vergütungsschemas und damit der Durchsetzung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und Transparenz der Vergütungspraxis.

Einstellung i. S. d. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG

Dazu Rn. 24 des Beschlusses des BAG vom 13.12.2016 – 1 ABR 59/14 – AP Nr. 66 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung m. w. N.: Eine Einstellung i. S. d. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG liegt nach ständiger Rechtsprechung des BAG vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Auf das Rechtsverhältnis, in dem die Personen zum Betriebsinhaber stehen, kommt es nicht an. Eingegliedert ist, wer eine ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeit verrichtet, die der Arbeitgeber organisiert. Der Beschäftigte muss so in die betriebliche Arbeitsorganisation integriert sein, dass der Arbeitgeber das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat und die Entscheidung über den Einsatz nach Inhalt, Ort und Zeit trifft.

Einstellung i. S. d. § 76 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG

Beschluss des BAG vom 15.08.2012 – 7 ABR 6/11 – AP Nr. 15 zu § 76 BPersVG Rn. 27: Das Mitbestimmungsrecht bei einer Einstellung nach § 76 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG beschränkt sich nicht auf den Aspekt der statusrechtlichen Begründung eines Beamtenverhältnisses, also der Ernennung im beamtenrechtlichen Sinne. Vielmehr sind auch die Fragen des konkreten Einsatzes des Beamten in der Dienststelle Gegenstand der Mitbestimmung und damit die Frage, welches Amt im funktionellen Sinne dem Beamten im Zusammenhang mit seiner beamtenrechtlichen Ernennung übertragen wird. Das ergibt der Zweck des Mitbestimmungsrechts.

Versetzung i. S. d. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG

Beschluss des BAG vom 17.02.2015 – 1 ABR 45/13 – AP Nr. 56 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung Rn. 28 m. w. N.: Nach § 99 Abs. 1 BetrVG bedarf in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Mitarbeitern die Versetzung von Arbeitnehmern der Zustimmung des Betriebsrats. Auch eine betriebsübergreifende Versetzung bedarf nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG regelmäßig der Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs. Versetzung ist nach der Definition des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder die Dauer von einem Monat voraussichtlich überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit geleistet werden muss. Die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung knüpft an die tatsächliche Zuweisung eines neuen Arbeitsbereichs als Realakt an. Der bloße Entzug des bisherigen Arbeitsbereichs ohne Übertragung eines neuen ist keine Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs i. S. d. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.

§ 102 BetrVG: Mitbestimmung bei Kündigungen

Urteil des BAG vom 25.05.2016 – 2 AZR 345/15 – AP Nr. 170 zu § 102 BetrVG 1972 Rn. 22 m. w. N.: Durch das in § 102 BetrVG ausgestaltete Beteiligungsverfahren wird dem Betriebsrat vor dem Kündigungsausspruch eine Einflussnahme auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers eingeräumt. Die vom Betriebsrat vorgebrachten Einwendungen sollen den Arbeitgeber ggf. dazu veranlassen, von seinem Kündigungsvorhaben Abstand zu nehmen oder es doch in geänderter Form zu verwirklichen, etwa anstatt einer Beendigungs- „nur“ eine Änderungskündigung zu erklären oder dem Arbeitnehmer mit einer Änderungskündigung einen geringeren Eingriff in seinen „Besitzstand“ anzutragen.

§ 103 BetrVG

Urteil des BAG vom 04.03.2004 – 2 AZR 147/03 – AP Nr. 50 zu § 103 BetrVG 1972 unter B.I.3d)aa) m. w. N.: Das Zustimmungserfordernis in § 103 BetrVG dient nicht dem Schutz des Erklärenden (Arbeitgebers). Dieser gehört nach der Vorstellung des Betriebsverfassungsgesetzes ersichtlich nicht zu dem Personenkreis, von dem anzunehmen wäre, er könne die Tragweite seiner Erklärungen möglicherweise nicht überblicken. Dagegen dient das Zustimmungserfordernis dem Schutz des zu kündigenden Betriebsratsmitglieds und dem Schutz des Betriebsrats.

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