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Neugeringfügigkeits-Richtlinien

Lesezeit 6 Min.

Neue Geringfügigkeits-Richtlinien ab 01.01.2019

Zum 01.01.2019 haben die Spitzenverbände in der Sozialversicherung (GKV-Spitzenverband, Deutsche Rentenversicherung Bund, Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und Bundesagentur für Arbeit) neue Geringfügigkeits-Richtlinien erlassen. Wir erläutern Ihnen, worauf Sie bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Minijobbern künftig achten müssen.

Änderungen seit der letzten Fassung vom 12.11.2014:

  • Dauerhafte Verlängerung der Zeitgrenzen für eine kurzfristige Beschäftigung seit 01.01.2019 auf drei Monate bzw. 70 Arbeitstage
  • Unter den drei Monaten, die eine kurzfristige Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres ausgeübt werden darf, sind sowohl Kalender- als auch Zeitmonate zu verstehen
  • Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 05.12.2017 (Az.: B 12 R 10/15 R) zur monatlichen Entgeltgrenze bei geringfügigen Beschäftigungen
  • Pauschalbeitragspflicht in der Krankenversicherung bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung von Arbeitnehmern aus einem anderen EU/EWR-Mitgliedsstaat sowie der Schweiz

Dauerhafte Verlängerung

Von einer kurzfristigen Beschäftigung ist auszugehen, wenn die Beschäftigung für eine Zeitdauer ausgeübt wird, die im Laufe eines Kalenderjahres auf nicht mehr als drei Monate oder insgesamt 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart oder im Voraus vertraglich begrenzt ist. Die drei Monate bzw. 70 Arbeitstage gelten seit 01.01.2019 auf Dauer (bisher nur für die Zeit vom 01.01.2015 bis 31.12.2018).

Alle Tage

Bei den drei Monaten bzw. 70 Arbeitstagen sind alle Tage zu berücksichtigen, auch Tage, für die ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht. Dazu gehören unter anderem auch Tage, an denen ein bezahlter Urlaub gewährt oder Bereitschaftsdienst geleistet wird.

Nicht regelmäßig

Eine kurzfristige Beschäftigung liegt nur dann vor, wenn sie nicht regelmäßig, sondern gelegentlich ausgeübt wird. Hierzu gehören auch Beschäftigungen, die z. B. durch eine längstens für ein Jahr befristete Rahmenvereinbarung mit Arbeitseinsätzen von maximal 70 Arbeitstagen bzw. 90 Kalendertagen befristet sind. Das BSG führt in seinem Urteil vom 05.12.2017 (Az.: B 12 KR 16/15 R) zwar aus, dass auch eine auf nicht mehr als ein Jahr befristete Beschäftigung bereits regelmäßig sein kann. Dieser Auffassung folgen die Spitzenverbände in der Sozialversicherung augenblicklich bei auf bis zu einem Jahr bestehenden Rahmenvereinbarungen nicht. Hier ist die weitere Entwicklung abzuwarten.

Zusammenrechnung

Bei der Prüfung, ob die Zeiträume von drei Monaten oder 70 Arbeitstagen überschritten werden, sind die Zeiten mehrerer aufeinanderfolgender kurzfristiger Beschäftigungen zusammenzurechnen, unabhängig davon, ob sie geringfügig entlohnt oder mehr als geringfügig entlohnt sind.

90 Kalendertage statt drei Monate

Bei der Zusammenrechnung treten an die Stelle des Dreimonatszeitraums 90 Kalendertage. Hier werden volle Kalendermonate mit 30 Kalendertagen und Teilmonate mit den tatsächlichen Kalendertagen berücksichtigt.

Beispiel: Eine Hausfrau nimmt am 13.08.2019 eine Beschäftigung als Aushilfsverkäuferin gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von 1.300 Euro auf. Die Beschäftigung ist von vornherein bis zum 20.09.2019 befristet. Im laufenden Kalenderjahr war die Hausfrau wie folgt beschäftigt (die Arbeitsvergütung betrug jeweils mehr als 450 Euro bei einer Fünf-Tage-Woche): a) vom 02.03.2019 bis 15.06.2019 (Personengruppenschlüssel 101) = 105 Kalendertage b) vom 13.08.2019 bis 20.09.2019 = 38 Kalendertage zusammen = 143 Kalendertage

Lösung: Eine Zusammenrechnung der beiden Beschäftigungszeiten scheidet aus, da hiernach nur geringfügige Beschäftigungen (das heißt Beschäftigungen mit einer Dauer von nicht mehr als drei Monaten bzw. 70 Arbeitstagen) zusammengerechnet werden können. Für die Prüfung der Berufsmäßigkeit sind die Beschäftigungen jedoch in jedem Falle zusammenzurechnen, weil die Arbeitsentgelte jeweils mehr als 450 Euro betrugen. Da die Beschäftigungszeiten im laufenden Kalenderjahr insgesamt 143 Kalendertage, also mehr als drei Monate, betragen, wird die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt. Es besteht deshalb Versicherungspflicht in allen Sozialversicherungszweigen. Umfasst ein Zeitraum keinen Kalendermonat, aber einen Zeitmonat, ist dieser ebenfalls mit 30 Kalendertagen zu berücksichtigen.

BSG-Urteil zur monatlichen Entgeltgrenze

Die Arbeitsentgeltgrenze von 450 Euro gilt einheitlich für die alten und neuen Bundesländer. Hier handelt es sich um einen Monatswert, der auch dann gilt, wenn die Beschäftigung nicht während des gesamten Kalendermonats besteht (Urteil des BSG vom 05.12.2017, Az.: B 12 R 10/15 R). Von einer geringfügig entlohnten Beschäftigung ist auch dann auszugehen, wenn eine Aushilfe an einem Tag 450 Euro vom Arbeitgeber bekommen hat.

Pauschalbeitragspflicht

Für geringfügige Beschäftigungen von Arbeitnehmern, die sich innerhalb der EU/EWR-Mitgliedsstaaten sowie der Schweiz bewegen, gelten die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Danach unterliegen Arbeitnehmer grundsätzlich den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates, in dem sie die Beschäftigung ausüben (Artikel 11 Abs. 3 Buchstabe a VO (EG) 883/2004). Das ist auch dann zu berücksichtigen, wenn es sich um eine geringfügige Beschäftigung handelt. Wird von diesem Grundsatz abgewichen, wenn beispielsweise ein Arbeitnehmer in Deutschland eine geringfügige und eine weitere Beschäftigung im Ausland ausübt, muss das der Beschäftigte durch die Vorlage der sogenannten „A1-Bescheinigung“ nachweisen. Mit dieser Bescheinigung wird dokumentiert, dass die ausländischen Sozialversicherungsbestimmungen auch für die Beschäftigung in Deutschland gelten. In diesem Fall finden die Regelungen für geringfügige Beschäftigungen in Deutschland keine Anwendung.

Beispiel: Ein österreichischer Staatsbürger nimmt in Lindau am Bodensee (Deutschland) eine geringfügig entlohnte Beschäftigung als Hausmeister auf. Seine monatliche Vergütung beträgt 440 Euro. In Bregenz am Bodensee (Österreich) ist der Arbeitnehmer als Busfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Die Aushilfe legt seinem Arbeitgeber, bei dem er einen Minijob in Deutschland ausübt, eine „A1-Bescheinigung“ aus Österreich vor.

Lösung: Der Minijobber fällt, aufgrund der vorgelegten „A1-Bescheinigung“, nicht unter die deutschen Sozialversicherungsvorschriften.

Keine „A1-Bescheinigung“

Ausländische Arbeitnehmer, die ausschließlich eine geringfügige Beschäftigung in Deutschland ausüben, unterliegen grundsätzlich den deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit. Dabei spielt es keine Rolle, welche Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer besitzt, wo er seinen Wohnsitz hat oder wo der Firmensitz seines Arbeitgebers ist.

Praxishinweis: Es sind versicherungs- und beitragsrechtlich keine Besonderheiten zu beachten, selbst wenn der Arbeitnehmer im Ausland lebt, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und/oder der Arbeitgeber seinen Sitz oder seine Niederlassung außerhalb Deutschlands hat. Da die geringfügige Beschäftigung selbst krankenversicherungsfrei ist, begründet sie keine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Allerdings kommt für diese Personen, sofern sie nicht familienversichert oder freiwillig krankenversichert sind, eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch (SGB) V (sogenannte „Auffang-Versicherungspflicht“) in Betracht.

Ausnahme

Ausgenommen von der „Auffang-Versicherungspflicht“ sind nur Arbeitnehmer, die zuletzt privat krankenversichert waren. Dies kann bei Arbeitnehmern aus einem EU-/EWR-Mitgliedsstaat sowie der Schweiz auch eine in ihrem Heimatland bestehende oder zuletzt bestandene private Krankenversicherung sein. Der Arbeitnehmer muss dafür seinem Arbeitgeber einen entsprechenden Nachweis vorlegen. Sofern der Arbeitnehmer in Deutschland gesetzlich krankenversichert ist bzw. die Voraussetzungen hierfür erfüllt, fallen Pauschalbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung an.

Verbot privatrechtlicher Vereinbarungen zum Nachteil des Arbeitnehmers

Privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs (SGB) abweichen, sind nach § 32 SGB I nichtig. Die Regelung hat im Zusammenhang mit der Abgrenzung eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses von mehreren Beschäftigungen – zum sozialversicherungsrechtlichen Schutz von Arbeitnehmerinteressen und zur Abwehr möglicher Manipulationsmöglichkeiten zu Lasten der Solidargemeinschaft – vor allem in den Fällen Bedeutung, in denen die bisher ausgeübte Beschäftigung in Teilen mit dem Ziel ausgelagert wird, in gleichem Umfang und mit gleichem Inhalt entweder als vermeintlich rechtlich selbstständige Tätigkeit oder geringfügige Beschäftigung fortgeführt zu werden. Dies gilt insbesondere im Fall der Arbeitnehmerüberlassung, wenn ein Teil des Arbeitsverhältnisses auf ein Leiharbeitsunternehmen übergeht, dieses die Arbeitnehmer „zurück“ verleiht und diese dort die gleichen bzw. berufstypisch vergleichbare Tätigkeiten unter gleichen Direktiven wie bisher verrichten.

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