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Betriebliche Versicherungen : Staatsakt

Das Ringen um die Grundrente in den vergangenen Wochen machte vor allem eines deutlich: Es gibt einiges zu regeln rund um die Absicherung der Bürger, und es ist höchst strittig, wer sich daran in welchem Umfang zu beteiligen hat. Auch, dass Gesetze und Statistiken oftmals die Lebensrealität großer Gruppen überhaupt nicht abbilden, trat zutage. Was lehrt das für die betriebliche Absicherung?

Fokus
Lesezeit 9 Min.
Eine ältere Frau streckt die Hand aus, um Münzen aufzufangen, die ein hochgewachsener Mann im Anzug fallen gelassen hat.

Ein Rohrkrepierer ist ein Geschoss, das schon im Lauf explodiert; Schuld daran ist aber meist nicht das Geschoss selbst, sondern ein heiß geschossenes Rohr, und das passiert immer bei Schnellfeuer. Wollte man diese Analogie nun auf die Betriebsrente in Deutschland anwenden, träfe sie beileibe nicht auf das gesamte Instrument, wohl aber auf einzelne Durchführungswege zu, Stichwort heiß laufende Gesetzgebungsmaschinerie.

Nun ist es immer leicht, auf die Politik zu zielen und auch zu treffen, doch dahinter steht nur der beständige Wille, alles zu fördern, was nicht des Staates ist, um die belastete Rentenkasse künftig zu entlasten und die Rentnerinnen und Rentner der Zukunft neben der gesetzlichen Rente auch noch aus einem anderen Säckel zu versorgen. Ob die Politik das müsste, ist eine Frage des persönlichen politischen Standpunkts und nicht des volkswirtschaftlichen Status quo. Jedenfalls sollte das 2018 in Kraft getretene Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) Verbesserungen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen bringen und die betriebliche Altersversorgung (bAV) stärker verbreiten.

Zuwachs vor allem im öffentlichen Dienst

Noch lassen sich dessen Effekte nicht seriös abschätzen, die letzten verfügbaren, validen Zahlen gehen auf Ende 2017 zurück. Sie entstammen der regelmäßig durchgeführten Trägerbefragung zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung des Bundesarbeitsministeriums. Danach wurden im Dezember 2017 bei den Trägern der betrieblichen Altersversorgung für 20,8 Millionen aktiv Versicherte Beiträge geleistet.

Diese Zahl enthält Mehrfachanwartschaften in zwei oder mehr Durchführungswegen, jedoch keine Mehrfachanwartschaften innerhalb der Durchführungswege. Von den aktiven Versicherten entfallen rund 15 Millionen auf die Privatwirtschaft, der Rest auf den öffentlichen Sektor. Gegenüber Dezember 2015, dem Referenzzeitpunkt der Vorgängeruntersuchung, ist die Zahl der aktiv Versicherten absolut um rund 560.000 oder relativ um etwa 2,8 Prozent angestiegen.

Das bedeutet freilich nicht, dass die Verbreitung in eben diesem Maße zugenommen hätte, da auch die Anzahl der Beschäftigten im selben Zeitraum angestiegen ist. Überdies entfällt der Anstieg überwiegend auf die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und nur zu einem relativ geringen Anteil auf die Durchführungswege der Privatwirtschaft.

Pensionskassen laufen Direktversicherung den Rang ab

Auch innerhalb der Privatwirtschaft selbst fällt die Entwicklung bei den einzelnen Durchführungswegen höchst unterschiedlich aus. So sind vor allem die Verträge mit Pensionsfonds und -kassen beliebter geworden, sie verzeichnen ein Plus von 6,2 beziehungsweise 5,5 Prozent. Allerdings ist auch dieses Wachstum wieder nur auf dem Papier beeindruckend, da die Pensionsfonds insgesamt nach wie vor nur wenige Anwärter versichern.

Anders bei den Pensionskassen: Sie sind gemessen an der Zahl der aktiv Versicherten mit rund fünf Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der am stärksten verbreitete Durchführungsweg der bAV innerhalb der Privatwirtschaft. Bereits seit 2016 gibt es mehr aktiv Versicherte in Pensionskassen als in Direktversicherungen. Dennoch konnten auch

Letztere einen Zuwachs verzeichnen: Im Vergleich zu 2015 stieg die Zahl der Beschäftigten mit Direktversicherung um 1,8 Prozent an.

Rückläufig ist dagegen die Entwicklung bei den Direktzusagen und Unterstützungskassen, ein Trend, der bereits seit 2013 besteht. Das bedeutet allerdings nicht, dass Direktzusagen und Unterstützungskassen einen unerheblichen Part in der bAV spielen würden: Mit 4,7 Millionen aktiv Versicherten gehören sie vielmehr nach wie vor zu den großen Trägergruppen.

Die meisten sind nur einfach versichert

Dabei zeigen die Zahlen des Bundesarbeitsministeriums auch, dass der überwiegende Teil der Beschäftigten nur einfach und nicht mehrfach in der bAV versichert ist. Denn rechnet man die Mehrfachanwartschaften sowohl zwischen den Durchführungswegen in der Privatwirtschaft als

auch zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst heraus, so kommt man auf 18,1 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit einer Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung. Von laut Statistischem Bundesamt zuletzt 33,4 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist das etwas mehr als jeder Zweite. Das offenbart einen hohen Durchdringungsgrad der betrieblichen Altersversorgung – rund 54 bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten – und zeugt von einer erfolgreichen Gesetzgebung der vergangenen Jahre. Kein Rohrkrepierer also, anders als bei den privaten Riester-Verträgen kann bei diesen Zahlen auch davon ausgegangen werden, dass nicht rund ein Fünftel aller Verträge derzeit beitragsfrei gestellt ist.

Unseriöse Berichterstattung befördert Geschäft

Letzterer Zusammenhang indiziert ein Phänomen, das ganz unmittelbar mit betrieblicher und privater Altersvorsorge zusammenhängt: die Angst vor einer ungenügenden Absicherung in der gesetzlichen Rente. Diese wird seit vielen Jahren systematisch angeheizt, ganz anders als etwa die Befürchtung, dass auch Versicherer durchaus ausfallen könnten. Das lässt Verbraucher Verträge abschließen, auch wenn das Geld für die Beiträge fehlt, und konterkariert damit den eigentlichen Sinn und Zweck einer Versicherung gegen materielle Limits.

So sollten nicht nur Verbraucher, sondern auch Arbeitgeber immer dann kritisch sein, wenn etwa die Deutsche Institut für Altersvorsorge GmbH und ihr „DIA-Deutschland-Trend Vorsorge“ zitiert werden. Denn die Studien dieser GmbH werden oftmals unkritisch herangezogen, ganz ohne den eigentlich notwendigen Hinweis auf deren Banken- und Versicherungsbackground, der eine objektive Bewertung zumindest in Frage stellt.

Ab 2022 sind 15 Prozent Zuschuss

Pflicht Das ist insbesondere deshalb von Belang, weil Arbeitgeber ab 2022 auch bei bereits bestehenden Verträgen mit mindestens 15 Prozent Zuschuss im Obligo stehen. Diese Mindestzahlung gilt für Neuverträge bereits seit 2019. Es heißt also einmal mehr, ganz genau zu rechnen, was die bAV an Investitionsaufwand für das Gesamt-Unternehmen bedeutet, auch und gerade wenn die Versicherungswirtschaft massiv die Werbetrommel schlägt.

Indes beträgt der steuerfreie Höchstbetrag für den Arbeitgeberzuschuss aus dem ersten Dienstverhältnis an Pensionskasse, -fonds oder Direktversicherung mittlerweile 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze West und liegt seit diesem Jahr nunmehr bei 6.624 Euro; den zusätzlichen Höchstbetrag von 1.800 Euro gibt es nicht mehr, der sozialversicherungsfreie Höchstbetrag beträgt weiterhin 4 Prozent.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die unterjährig neu ins Unternehmen einsteigen, können den Höchstbetrag indes ungeachtet etwaiger Vorverträge beim alten Arbeitgeber erneut erhalten. Der bAV-Förderbetrag beträgt ab 2018 mindestens 72 Euro und höchstens 144 Euro; bei Geringverdienern soll er im Zuge des geplanten Grundrentengesetzes rückwirkend zum 1. Januar 2020 auf 288 Euro erhöht werden.

Verpflichtende bAV eine Option?

Ein Ordner mit der Aufschrift „Grundrente“ liegt auf einem Tisch, im Hintergrund sind bunte statistische Diagramme zu sehen, die die Finanzplanung oder Diskussionen rund um die Altersvorsorge symbolisieren.

Ob dies dann vor allem jene Gruppe zu mehr Vorsorge motiviert, die ohnehin an der Grenze des Existenzminimums lebt, darf dahingestellt bleiben. Man könnte sie andernfalls aber immer noch dazu verpflichten. Derartiges ist Realität, etwa in den Niederlanden, wo fast alle Beschäftigten verbindlich in die bAV einzahlen müssen. Kritiker argumentieren aber, dass mit einer Zwangs-bAV nicht unbedingt mehr, sondern nur anders vorgesorgt würde.

Überhaupt scheint vieles im gesamten System immer mehr nach dem Prinzip Linke-Tasche-rechte-Tasche organisiert zu werden. Das gilt für steuerfreie Beitragszahlungen und stattdessen Besteuerung bei Auszahlung ebenso wie beim Splittingtarif in der Einkommensteuer – denn in der steuerbegünstigten Hauptverdiener-Care-Arbeiterinnen-Ehe zahlt ja überwiegen einer in die Rentenkasse ein, im Alter leben aber beide Partner von den Auszahlungen, weshalb viele Rentnerinnen heute trotz mauester Auszahlungen nicht zusätzlich auf Grundsicherung angewiesen sind.

Betriebliche Krankenversicherung (bKV) lockt mit Argument „ganz ohne Gesundheitsprüfung“

Möglichst genau die realen Verhältnisse der eigenen Belegschaft in den Blick zu nehmen, gilt es daher auch bei der betrieblichen Krankenversicherung. Denn in Sachen Krankheitsvorsorge buhlt die Versicherungsbranche seit Jahren um die Unternehmen, um über sie eine neue Kundengruppe zu erschließen, die ihr aufgrund der Einkommenshöhe sonst verwehrt bliebe. Die überwiegende Anzahl der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist gesetzlich krankenversichert, die betriebliche Zusatzabsicherung ein nettes Gutsel. Dabei führt die betriebliche Krankenversicherung gern das Verkaufsargument „ganz ohne Gesundheitsprüfung“ ins Feld.

Genutzt hat dies offenbar bislang wenig, so vermeldet der Verband der privaten Krankenversicherer zwar eine Verdoppelung der anbietenden Unternehmen binnen drei Jahren bis Ende 2018 – allerdings ausgehend von einer Fallzahl von 3.500 bei rund 3,5 Millionen Unternehmen gesamt, das einspricht einer Marktdurchdringung von 2 Prozent.

Diese geringe Verbreitung ist insofern auch wenig überraschend, da das Leistungsspektrum doch zumeist bei vergleichsweise hohen Beiträgen überschaubar ist: ein bisschen mehr Vorsorge, da muffeln viele ohnehin, Zahnersatz, ok, das hat auch so mancher bereits privat, Reise, muss sowieso separat sein, und dann noch Heilpraktiker, nun gut. Ob das wirklich „besser als ein Dienstwagen“ bei den Mitarbeitern ankommt, wie der selbst ernannte Marktführer in diesem Segment schreibt, mag jeder selbst beurteilen. Jedenfalls ist die bKV schwieriger einer großen Mehrheit von Arbeitnehmern zu offerieren und insofern verwaltungsaufwendig, da immer im Einzelfall zu prüfen ist, wer welche Versicherungen bereits hat. Bei einem Auto genügt da der Blick auf den Firmenparkplatz.

Jahressteuergesetz belässt Förderung

Die Versicherungsbranche freut sich im Moment jedenfalls noch („Ein Signal, ein Symbol, und ein Zeichen finanzpolitischer Gerechtigkeit“, frohlockt sie), denn der Gesetzgeber hat sie abermals erhört, und zwar im Ringen darum, ob die Beiträge zur betrieblichen Krankenzusatzversicherung nun steuer- und sozialabgabenfrei gestellt werden oder nicht. Im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2019 – offizieller Name „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ – hatte die Branche vehement auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gepocht.

Jener hatte seit 2011 regelmäßig nur mit „Steuervereinfachung“ argumentiert, wenn es um die Qualifizierung der Beiträge als Sachlohn ging. Das oberste deutsche Finanzgericht setzte das Bundesfinanzministerium aber dennoch mit seinen bKV-freundlichen Urteilen in der Vergangenheit mehrfach unter Zugzwang, ohne dass dies jedoch weiter Wirkung gezeigt hätte.

So sucht man eine entsprechende klare Regelung in die eine oder andere Richtung nun im Jahressteuergesetz 2019 wieder vergeblich. Vorausgegangen war eben der unüberhörbare Aufschrei der Versicherungswirtschaft, nachdem der ursprüngliche Gesetzentwurf die Zahlungen noch aus der Gruppe der steuerbegünstigten Sachlöhne ausnehmen wollte. Geschehen ist dies nun nicht.

Betriebliche Berufsunfähigkeitsversicherung (bBU) als unabhängige Versicherungsalternative

Dabei ist nun allerdings die Frage, ob es Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirklich am dienlichsten ist, die Freigrenze von 44 Euro für den steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Sachlohn, der so nur einmal zur Verfügung steht, tatsächlich für Versicherungsleistungen zu verwenden. Außerdem kann der Gesetzgeber die jetzt geltende Regelung jederzeit erneut auf den Prüfstand stellen und die Förderung kappen.

Aus dem Pool der Kollektivversicherungen hat dann möglicherweise eher noch die betriebliche Berufsunfähigkeitsversicherung (bBU) einen gewissen Charme, ganz unabhängig oder gemeinsam mit der bAV vereinbart, sofern man tatsächlich davon ausgeht, dass jeder Vierte im Laufe seines Berufslebens berufsunfähig wird. Jeder fünfte Beschäftigte soll bereits eine entsprechende, die maue gesetzliche Absicherung ergänzende Police haben – das sind selbstverständlich nicht genau die später 20 Prozent.

In der Tat sind private Berufsunfähigkeitsversicherungen oftmals vergleichsweise teuer und mit besonderen Gesundheitsprüfungen verbunden. Auch nicht in allen Berufen lassen sich so einfach Verträge abschließen. Insofern können Arbeitgeber hier ihren Angestellten tatsächlich einen Dienst erweisen, da der Beitrag in der Kollektivversicherung möglicherweise nicht mehr von der Risikoprüfung abhängt, sondern sich nach dem Eintrittsalter oder der gewünschten Absicherung bemisst.

Arbeitgeber werden damit zum Solidarsystem light, eine Entwicklung, die dem Ruf nach stärkerer gesellschaftlicher Verantwortung durchaus Rechnung trägt.

Eine kleine, ältere Zeichentrickfigur sitzt da und streckt einer viel größeren Figur, die Münzen hineinwirft, die Hand entgegen. Dadurch wird ein starker Größenkontrast hervorgehoben und möglicherweise auf Themen wie Wohltätigkeit, Ungleichheit oder Unterstützung hingewiesen.

Wichtig wäre dann – und jetzt muss der Staat doch ins Visier – aber eine verlässliche Gesetzgebung, die sich nicht permanent getrieben von Lobbyinteressen zu Kehrtwendungen im Kleinen, Aufschüben im Großen und Ausnahmeregelungen allerorten hinreißen lässt.

Alexandra Buba

Corporate Employee Benefits

Unternehmenswerbung für das Mitarbeitervorsorgeprogramm der axa konzern ag, bei der zwei Fachleute ein Dokument betrachten, um die Attraktivität ihrer Angebote für potenzielle und aktuelle Mitarbeiter hervorzuheben.
AXA Konzern AG Corporate Employee Benefits

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