Datenschutz : Mitarbeiter fotografieren? Aber sicher!
Fotos von Mitarbeitern sind in der Praxis in vielen Unternehmen allgegenwärtig. Sie zieren den Werksausweis, illustrieren die Webseite sowie andere Werbematerialien und dürfen als Erinnerung an (interne) Veranstaltungen nicht fehlen. Jedes Foto eines Menschen stellt zwangsläufig einen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht dar. Die Schwere des Eingriffs hängt von der abgebildeten Situation ab. Deshalb verwundert es nicht, dass die Grenzen des Erlaubten durch Gerichtsprozesse ausgeleuchtet wurden. Über die Jahre kristallisierte sich ein akzeptierter Umgang mit Fotos und Videos1 heraus. Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ändern sich die Spielregeln.
Die Rangfolge entscheidet Es gibt kein Gesetz, das alle Fragen zur Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis abschließend regelt. Bis zum Wirksamwerden der DS-GVO am 25.05.2018 bestimmten zwei Gesetze zusammen den Umgang mit Fotos. Das alte Bundesdatenschutzgesetz (BDSG-alt) regelte u. a. die Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis sowie allgemein den Umgang mit personenbezogenen Daten. Im „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie“ (KunstUrhG oder KUG) sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen zur Veröffentlichung von Fotos festgelegt.
Mit dem Wirksamwerden der DS-GVO kümmern sich jetzt drei Gesetze um den Umgang mit Fotos. Die DS-GVO enthält die allgemeinen Regeln zum Umgang mit personenbezogenen Daten. Das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG-neu) regelt u. a. die Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis. Unverändert geblieben ist das KunstUrhG.
Aus der Rangfolge ergibt sich, aus welchem Gesetz welche Regelung wirksam wird. Bis zur DS-GVO galt des KunstUrhG vorrangig vor dem BDSG-alt. Mit dem Wirksamwerden der DS-GVO ändert sich die Rangfolge in:
- DS-GVO
- BDSG-neu
- KunstUrhG Aus der Änderung der Rangfolge erwachsen praktische Konsequenzen, die zu neuen Regeln im Umgang mit Fotos führen.
Neue Regeln im Umgang mit Fotos Über die Konsequenzen der neuen Rangfolge wird in der juristischen Literatur lebhaft debattiert. Im Kern geht es um die Frage, wie lässt sich (argumentativ) das alte Rechtsverständnis in die neue Zeit hinüberretten? Bis Gerichte für mehr Klarheit sorgen, werden noch Jahre vergehen. In der Zwischenzeit bietet es sich an, in der Mitte der Straße zu gehen und nicht die Grenzen auszutesten. Die folgende Darstellung orientiert sich deshalb eng an dem Wortlaut der DS-GVO und konzentriert sich auf Fotos von Mitarbeitern. Für Bilder von anderen Personen, bspw. Veranstaltungsbesuchern, Passanten oder Kindern, können abweichende Vorschriften gelten.
Vereinfacht gesprochen bedarf es dreierlei, damit ein Foto rechtmäßig erstellt und verwendet werden kann:
- Zweck,
- Rechtsgrundlage und
- Löschfrist.
Der Zweck oder die Zwecke müssen grundsätzlich vor dem Erstellen des Fotos festgelegt werden. Eine nachträgliche Zweckänderung ist nur in engen Grenzen erlaubt. Sobald der letzte Zweck des Fotos entfällt, muss es gelöscht werden. Die Löschung kann ausnahmsweise verschoben werden, sofern eine gesetzliche Aufbewahrungspflicht bspw. aus dem Arbeits-, Handels- oder Steuerrecht für das Foto besteht. In diesem Fall ist nach Fristablauf zu löschen. Eine solche Aufbewahrungsfrist stellt bei Fotos die Ausnahme dar.
Aus dem Zweck ergibt sich, welche Rechtsgrundlage das Foto legitimieren könnte. Wenn das Foto erforderlich ist, um das Beschäftigungsverhältnis begründen, durchführen oder beenden zu können, trägt § 26 Abs. 1 BDSG-neu. Ein Mitarbeiterfoto steht regelmäßig in Beziehung zum Beschäftigungsverhältnis. Doch ist es eher in Ausnahmen „erforderlich“, d. h. das Beschäftigungsverhältnis ließe sich ohne Foto nicht begründen, durchführen oder beenden. Für ein Fotomodell oder eine Position mit vielen Außenkontakten mag ein Foto für das Beschäftigungsverhältnis erforderlich sein. Nicht jedoch für einen Buchhalter.
Wenn das Foto für journalistische oder künstlerische Zwecke verwendet werden soll, gelten die bekannten Regeln des KunstUrhG. Fotos auf Werksausweisen, in Werbemitteln oder Dokumentationen von Veranstaltungen dienen verschiedenen nicht-journalistischen oder -künstlerischen Zwecken wie z. B. Werbezwecken. Deshalb lässt sich das KunstUrhG nicht mehr wie in der Vergangenheit anwenden. Die Rechtsgrundlage muss insbesondere aus Art. 6 DS-GVO kommen. Praktisch bieten sich die folgenden Optionen an:
- Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO,
- Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO und
- Vertrag mit den abzubildenden Personen nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO.
1 Die folgenden Ausführungen gelten im Grundsatz auch für Video. Der besseren Lesbarkeit wegen wird der Begriff „Foto“ verwendet.
Wird ein Foto zur automatischen Personenidentifikation verwendet, gelten mit Art. 9 DS-GVO andere Rechtsgrundlagen, die deutlich restriktiver ausfallen. Gleiches gilt, wenn Fotos bspw. nach religiösen Symbolen hin ausgewertet werden. Aus Platzgründen werden diese Fälle an dieser Stelle nicht betrachtet.
Interessenabwägung
Bei einer Interessenabwägung wird das berechtigte Interesse des Unternehmens gegen das Interesse der zu fotografierenden Person abgewogen. Das bloße Vorliegen von Unternehmensinteressen rechtfertigt kein einziges Foto! Abwägen bedeutet vielmehr, dass geprüft wird, dass das Interesse der zu fotografierenden Person an einer Unterlassung des Fotos nicht überwiegt. Diese Abwägung ist so zu dokumentieren, dass sie jederzeit nachweisbar ist.
Dient ein Foto im Werksausweis zur Verifikation, ob der Träger und der Ausweisinhaber übereinstimmen und zutrittsberechtigt ist, dürften im Regelfall die berechtigten Interessen des Unternehmens an einer effektiven Zutrittskontrolle überwiegen. Die Veröffentlichung von Mitarbeiterportraits auf der Webseite, um jeden Mitarbeiter vorzustellen, lässt sich regelmäßig nicht auf eine Interessenabwägung stützen. Der weltweite Abruf und die damit einhergehende faktisch unkontrollierte Weiternutzung von Fotos durch Dritte lassen grundsätzlich das Interesse der Mitarbeiter an Unterlassung überwiegen.
Jede abgebildete Person ist berechtigt, der Verwendung des Fotos zu widersprechen. Der Widerspruch muss begründet werden. Die Gründe müssen in der besonderen Situation der widersprechenden Person liegen. Das Unternehmen muss nun erneut abwägen. Sofern es zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen kann und diese die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen, darf das Foto weiter verwendet werden. In der Praxis dürfte es schwierig werden, zwingende Gründe zu finden. Wird das Foto für eine Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen benötigt, ist ein Widerspruch nicht möglich.
Die abgebildete Person ist vor Anfertigen des Fotos neben anderen Sachverhalten auch über das Widerspruchsrecht zu informieren.
Einwilligung
Eine Einwilligung muss freiwillig sein, d. h. eine Nichterteilung darf keine negativen Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis nach sich ziehen. Sobald Druck ausgeübt wird, sind die betroffenen Einwilligungen unwirksam. Deshalb empfiehlt es sich, die Freiwilligkeit nicht nur ernst zu nehmen, sondern der besseren Nachweisbarkeit wegen auch in der Einwilligung selber darzulegen.
Der Satz „Hiermit willige ich in die Verwendung meiner Fotos ein“ ist bspw. unwirksam, da er zu unbestimmt ist und die Pflichtinhalte nicht enthält. Eine Einwilligung muss sich auf einen konkreten Zweck beziehen. Soll ein Foto für verschiedene Zwecke, bspw. Werksausweis, Vorstellung im Intranet und als Illustration eines Werbeflyers, verwendet werden, ist für jeden Zweck eine getrennte Einwilligung einzuholen. Pauschale Einwilligungen sind unwirksam. In der Einwilligung sind u. a. zu beschreiben:
- Firmierung des Unternehmens, das die Fotos verwenden will,
- Beschreibung des Zwecks,
- betroffene Daten, bspw. Beschreibung der aufzunehmenden Fotoinhalte,
- Nennung von Empfängern der Fotos (sofern zutreffend),
- Konsequenzen bei Nichterteilung,
- Hinweis auf das Widerspruchsrecht mit Wirkung für die Zukunft.
Für Fotos, die im Internet veröffentlicht werden, gilt es zusätzlich darauf hinzuweisen, dass ein weltweiter Datenabruf, auch aus Ländern mit einem von der EU abweichenden Datenschutzniveau, möglich ist. Damit erstreckt sich die Einwilligung auch auf den Datentransfer außerhalb der EU (Art. 49 Abs. 1 lit. a) DS-GVO). Fehlt der Hinweis, liegt zwar eine Rechtsgrundlage für die Fotoveröffentlichung vor, nicht jedoch die Erlaubnis, das Foto an Empfänger außerhalb der EU zu übermitteln. In der Vergangenheit stützten sich Einwilligungen für Fotos auf § 22 KunstUrhG, das an eine Rücknahme Bedingungen knüpfte. Da die DS-GVO hier die Regelungen des KunstUrhG verdrängt, erhalten die abgebildeten Personen das Recht, jederzeit ohne Angabe von Gründen ihre Einwilligung zu widerrufen. Der Widerruf richtet sich auf zukünftige Verarbeitungen. Bspw. muss ein Foto unverzüglich nach Eingang des Widerrufs von der Webseite gelöscht werden. Ein gedruckter Werbeflyer mit dem gleichen Foto kann weiterverteilt werden. Hier greift der Widerruf erst bei einer neuen Auflage. Getätigte Investitionen können an Wert verlieren.
Einwilligungen von Mitarbeitern müssen grundsätzlich schriftlich erteilt werden, ehe ein Foto angefertigt wird. Konkludente Einwilligungen sind unwirksam. Sind die abzubildenden Personen minderjährig (bspw. Azubis), ist die Einwilligung grundsätzlich durch alle Erziehungsberechtigten gemeinsam zu unterzeichnen.
Vertrag
Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO dürfen personenbezogene Daten zur Vertragsdurchführung verarbeitet werden. Was läge näher, als mit den Mitarbeitern einen Modellvertrag abzuschließen? Bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass ein solcher Modellvertrag wohl eher nicht als Rechtsgrundlage trägt. Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO knüpft an die Erforderlichkeit für die Vertragsdurchführung an. Die Aufnahme des Fotos dürfte dazugehören. Die anschließende Verwendung auf der Webseite ist für die eigentliche Vertragsdurchführung regelmäßig nicht erforderlich. Sie stellt eine Verwendung nach Vertragserfüllung dar. Um einen Modellvertrag als Rechtsgrundlage fruchtbar zu machen, ist denkbar, für jeden Zeitraum, die Tatsache und vielleicht auch Dauer der Veröffentlichung den Mitarbeiter gesondert zum Gehalt zu entlohnen. Damit wäre die Veröffentlichung zur Vertragsdurchführung erforderlich.
Übersicht von Zwecken zu Rechtsgrundlagen
Tabelle 1 gibt eine Anregung, welche Rechtsgrundlage für welchen Zweck im Regelfall tragen kann. Ob eine Rechtsgrundlage im konkreten Einzelfall trägt, hängt von dessen Konstellation ab. Deshalb muss jeder Fall, wie oben skizziert, individuell betrachtet werden.
Zweck | Mögliche Rechtsgrundlagen |
---|---|
Werbung für Unternehmen als Arbeitgeber, seine Produkte oder Leistungen | Gruppenbilder: Interessesabwägung Einzelbilder: Einwilligung |
Illustration von Verzeichnissen wie z. B. Active Directory | Betroffener pflegt freiwillig Profil: Interessenabwägung |
Personen-/Teamvorstellung | Betroffener pflegt freiwillig Profil: Interessenabwägung |
Werksausweis | Interessenabwägung |
Informationspflicht
Mit dem Erstellen und Verwenden von Fotos einher geht auch die Pflicht zur Information der betroffenen Person. Die Information muss spätestens vor dem Anfertigen des Fotos gegeben werden. Wird eine Einwilligung eingeholt, bietet es sich an, die Information zusammen mit der Einwilligung auszuhändigen. Soll auf einer Veranstaltung fotografiert werden, lässt sich die Information bspw. am Einlass aushängen oder mit der Einladung verteilen. Der Inhalt der Information ist in Art. 13 DS-GVO festgelegt und wurde in der LOHN+GEHALT mehrfach erläutert, sodass auf eine Wiederholung an dieser Stelle verzichtet wird.
Dokumentation und Löschung
Ein Unternehmen muss nachweisen können, dass es die DS-GVO einhält (Art. 5 Abs. 2 DS-GVO). Eine Dokumentation insbesondere der Zwecke, Rechtsgrundlagen und Löschfristen ist deshalb existenziell. Es bietet sich an, Fotos so abzulegen, dass für jedes Foto Zwecke, Rechtsgrundlage und Löschfrist nachweisbar sind. Umgekehrt sollten für jede Interessenabwägung und Einwilligung die zugehörigen Fotos auffindbar sein, da bei einem Widerruf die ggf. zu löschenden Fotos gefunden werden müssen. Stützt sich das Foto auf eine Interessenabwägung, ist diese – wie ausgeführt – zu dokumentieren, d. h. das Gegenüberstellen und Abwägen der Argumente ist darzustellen. Jede erteilte Einwilligung ist ebenfalls abzulegen.
Zu guter Letzt ist zu organisieren, dass das Foto fristgerecht, d. h. im Regelfall, wenn der Zweck entfallen ist, auch gelöscht wird. Wird eine Einwilligung widerrufen oder einer Interessenabwägung erfolgreich widersprochen, ist das Foto ebenfalls zu löschen, sofern es nicht für einen anderen Zweck verwendet werden darf.
Foto drucken
Sobald Fotos durch Dienstleister ausgedruckt werden sollen, wird für die Übermittlung des Fotos an den Dienstleister eine weitere Rechtsgrundlage insbesondere nach Art. 6 DS-GVO benötigt. Der Wunsch des Unternehmens nach einem Ausdruck reicht regelmäßig als Rechtsgrundlage nicht aus. Lässt sich keine Rechtsgrundlage finden, bspw. beim Druck eines Werksausweises, hilft die Auftragsvertragsverarbeitung weiter.
Der Dienstleister ist bei einer Auftragsverarbeitung sorgfältig auszuwählen. Ein Vertrag (häufig AVV genannt) ist abzuschließen, der die gesetzlich definierten Pflichtinhalte des Art. 28 DS-GVO umsetzt. Ist der Abschluss eines AVV mit einer Druckerei im Regelfall problemlos möglich, so bieten Drogerien häufig zwar einen Druckservice an, jedoch keinen AVV. Ohne AVV ist eine Auftragsverarbeitung nicht rechtskonform möglich.
Weiterhin besteht bei einer Auftragsverarbeitung gesetzlich eine gesamtschuldnerische Haftung des Unternehmens gemeinsam mit seinem Dienstleister gegenüber den betroffenen Personen.