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Im Blick: Sozialversicherungsrecht

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD kündigt umfassende Sozialreformen an: Von der Pflichtversicherung für Selbstständige über BAföG-Erleichterungen bis zur Frühstart-Rente. Ziel ist ein digitalisierter, effizienterer Sozialstaat.

Lesezeit 5 Min.

Koalitionsvertrag – Sozialversicherung und Sozialleistungen

Mit dem neuen Koalitionsvertrag stellen Union und SPD die Weichen für umfassende Reformen im Sozialwesen. Wie schnell und konsequent die ambitionierten Reformpläne umgesetzt werden, bleibt allerdings abzuwarten.

Mehr Effizienz: Sozialleistungen aus einer Hand

Ein Kernanliegen der Koalition ist es, die Vielzahl sozialer Leistungen besser aufeinander abzustimmen. So sollen etwa Wohngeld und Kinderzuschlag zusammengeführt werden, um Doppelstrukturen zu vermeiden und Anreize für eine Erwerbsaufnahme zu erhöhen. Künftig sollen Anträge stärker digitalisiert werden.

Zusätzlich wird eine Kommission für eine umfassende Sozialstaatsreform eingesetzt. Sie soll Vorschläge erarbeiten, wie Leistungen vereinheitlicht, Verwaltungsverfahren verschlankt und Rechtsgrundlagen modernisiert werden können.

Selbstständige im Fokus

Wer neu in die Selbstständigkeit startet und keiner Pflichtversicherung angehört, soll künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Alternativ können Selbstständige auch andere geeignete Altersvorsorgemodelle wählen . Damit soll Altersarmut besser vorgebeugt und Scheinselbstständigkeit wirksam bekämpft werden.

Ein überarbeitetes Statusfeststellungsverfahren soll zudem schneller, rechtssicherer und transparenter klären, ob jemand selbstständig oder abhängig beschäftigt ist. Neu eingeführt wird eine Genehmigungsfiktion – wird innerhalb einer Frist keine Entscheidung getroffen, gilt der Antrag automatisch als genehmigt.

BAföG und Studienfinanzierung: mehr Unterstützung

Die Wohnkostenpauschale im BAföG wird ab dem Wintersemester 2026/27 auf 440 Euro monatlich angehoben und künftig regelmäßig überprüft .

Die Freibeträge beim BAföG werden dynamisiert, um besser auf wirtschaftliche Veränderungen reagieren zu können. Außerdem soll der Antragsprozess deutlich vereinfachter und vollständig digitalisiert werden.

Rente und Reha: Sicherheit für die Zukunft

Für die Rente wurde vereinbart, das Rentenniveau von mindestens 48 Prozent bis 2031 gesetzlich zu sichern, finanziert über Steuermittel . Eine neue Rentenkommission soll zudem prüfen, ob künftig ein umfassendes Gesamtversorgungsniveau über alle drei Säulen der Altersvorsorge eingeführt wird.

Ein neues Konzept ist die Frühstart-Rente: Ab 2026 wird für jedes Kind in Deutschland ein Altersvorsorgedepot eingerichtet, das durch staatliche Einzahlungen und später private Beiträge bis zum Renteneintritt wachsen soll – steuerfrei und geschützt vor staatlichem Zugriff.

Reha-Leistungen sollen einfacher beantragbar und besser auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten werden. Geplant sind unter anderem digitale Antragsverfahren und ein flächendeckender Ü45-Check für präventive Gesundheitsmaßnahmen.

Gesundheit und Pflege

In der Kranken- und Pflegeversicherung wird eine Kommission eingesetzt, um Maßnahmen zur finanziellen Stabilisierung zu entwickeln und Beitragserhöhungen möglichst zu vermeiden. Gleichzeitig wird die elektronische Patientenakte eingeführt und der digitale Austausch im Gesundheitswesen erheblich verbessert.

Eine große Pflegereform soll die ambulante Pflege stärken und neue Wege der Finanzierung eröffnen. Auch die Wartezeiten beim Zugang zu Fachärzten sollen verkürzt und ein neues Primärarztsystem eingeführt werden, dass die Versorgung besser steuert.

Neue DGUV Vorschrift 2

Schrittweise Einführung

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat Ende 2024 eine überarbeitete Version der DGUV Vorschrift 2 beschlossen. Diese Unfallverhütungsvorschrift, die für die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz verantwortlich ist, ist am 01.04.2025 schrittweise in Kraft getreten. Mit den Änderungen wird es für Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit künftig möglich, auch per Telefon oder online zu beraten, nachdem sie zuvor einen persönlichen Eindruck vom Betrieb gewonnen haben – etwa durch eine Begehung.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Öffnung der Fachkräftequalifikation: Absolventen aus weiteren Fachbereichen wie Arbeits- und Organisationspsychologie, Biologie oder Ergonomie dürfen sich nun ebenfalls als Fachkräfte für Arbeitssicherheit qualifizieren. Dies bietet Unternehmen die Möglichkeit, Fachkräfte gezielt nach den Anforderungen ihrer Branche auszuwählen.

Besonders kleine Betriebe profitieren von der Neuregelung: Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitenden können sich künftig durch das Kompetenzzentrum einiger Berufsgenossenschaften (KPZ) betreuen lassen – bisher war dies nur für Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten möglich.

Die neuen Vorschriften verlangen zudem von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit, dass sie in ihren jährlichen Berichten nachweisen, welche Fortbildungen sie absolviert haben. Dies trägt dazu bei, die Qualität der Dienstleistungen zu sichern und die Kompetenzen der Fachkräfte transparent zu machen.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Überarbeitung der Zuordnung der Betriebe zu den Betreuungsgruppen, die nun je nach Gefährdungslage der Branche leichter auffindbar ist. Zentrale Begriffe der Vorschrift wurden zudem klarer definiert und in einer neuen DGUV-Regel 100-002 mit praxisnahen Beispielen versehen.

Neuerungen bei der Elternzeit ab Mai 2025

Beantragung und Kündigungsschutz

Am 01.05.2025 treten wichtige Änderungen im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in Kraft, die sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber von Bedeutung sind.

Elternzeit künftig per E‑Mail möglich

Bisher war es erforderlich, den Antrag auf Elternzeit schriftlich und mit eigenhändiger Unterschrift beim Arbeitgeber einzureichen. Ab dem 01.05.2025 genügt es, den Antrag in Textform zu stellen. Dies bedeutet, dass eine E‑Mail, ein Fax oder sogar eine Nachricht über Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Teams ausreicht, solange klar erkennbar ist, wer den Antrag stellt und für welchen Zeitraum die Elternzeit genommen werden soll.

Die Fristen für die Beantragung der Elternzeit bleiben unverändert:

  • 7 Wochen vor dem gewünschten Beginn der Elternzeit, wenn diese vor dem dritten Geburtstag des Kindes liegt.
  • 13 Wochen vor dem gewünschten Beginn der Elternzeit, wenn diese zwischen dem dritten und dem achten Geburtstag des Kindes liegt.

Wird die Frist versäumt, verschiebt sich die Elternzeit nach hinten, jedoch bleibt der Anspruch auf Elternzeit bestehen.

Sonderkündigungsschutz ab Antragstellung

Mit der neuen Regelung tritt der gesetzliche Sonderkündigungsschutz für Eltern ab dem Zeitpunkt in Kraft, an dem der Antrag auf Elternzeit beim Arbeitgeber eingegangen ist – auch wenn dieser per E‑Mail oder über andere digitale Kommunikationsmitteln übermittelt wurde. Dieser Schutz gilt für Geburten ab dem 01.05.2025. Arbeitgeber dürfen das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit grundsätzlich nicht kündigen, es sei denn, es liegen besondere Ausnahmefälle vor.

Antrag auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit

Auch der Antrag auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit kann künftig in Textform gestellt werden. Ebenso genügt es, wenn der Arbeitgeber diesen Antrag in Textform ablehnt, sofern er die Ablehnung begründet. Dies bietet sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern mehr Flexibilität und Klarheit in der Kommunikation.

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