Lohnsteuerrecht : Vermiete Arbeitszimmer an den Chef
Ist die Vermietung eines Arbeitszimmers oder einer Wohnung an den Arbeitgeber steuerpflichtiger Arbeitslohn?
Liegt steuerpflichtiger Arbeitslohn vor, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Zahlungen für die Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers leistet? Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Schreiben vom 18.04.2019 zu dieser Frage Stellung genommen. Die Finanzverwaltung unterscheidet bei Zahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer je nach Sachverhaltskonstellation zwischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
I. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Dient das Arbeitszimmer oder die als Homeoffice genutzte Wohnung in erster Linie dem Interesse des Arbeitnehmers, sind die Einnahmen als Arbeitslohn zu beurteilen. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung liegen dann nicht vor (§ 21 Absatz 3 EStG). Ein für den Arbeitslohncharakter der Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sprechendes gewichtiges Indiz liegt vor, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers über einen weiteren Arbeitsplatz verfügt und die Nutzung des Arbeitszimmers oder der als Homeoffice genutzten Wohnung vom Arbeitgeber lediglich gestattet oder geduldet wird. In diesem Fall ist grundsätzlich von einem vorrangigen Interesse des Arbeitnehmers an der Nutzung auszugehen. Zur Widerlegung dieser Annahme muss der Steuerpflichtige das vorrangige Interesse seines Arbeitgebers am zusätzlichen Arbeitsplatz, hinter welches das Interesse des Steuerpflichtigen zurücktritt, nachweisen.
II. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
Die Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer zählen zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Sinne von § 21 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG, wenn neben dem Dienstverhältnis eine gesondert bestehende Rechtsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht. Zudem muss die als Homeoffice genutzte Wohnung vorrangig im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers genutzt werden und dieses Interesse über die Entlohnung des Arbeitnehmers sowie über die Erbringung der jeweiligen Arbeitsleistung hinausgehen. Für das Vorliegen eines betrieblichen Interesses des Arbeitgebers sprechen beispielsweise folgende Anhaltspunkte:
- Für den Arbeitnehmer ist im Unternehmen kein geeigneter Arbeitsplatz vorhanden; die Versuche des Arbeitgebers, entsprechende Räume von fremden Dritten anzumieten, sind erfolglos geblieben.
- Der Arbeitgeber hat für andere Arbeitnehmer des Betriebs, die über keine für ein Arbeitszimmer geeignete Wohnung verfügen, entsprechende Rechtsbeziehungen mit fremden Dritten begründet, die nicht in einem Dienstverhältnis zu ihm stehen.
- Es wurde eine ausdrückliche, schriftliche Vereinbarung über die Bedingungen der Nutzung der überlassenen Räumlichkeiten abgeschlossen.
Auch in diesen Fällen muss der Steuerpflichtige das vorrangige betriebliche Interesse seines Arbeitgebers nachweisen, ansonsten sind die Leistungen als Arbeitslohn zu beurteilen. Für das Vorliegen eines betrieblichen Interesses kommt es nicht darauf an,
- ob ein entsprechendes Nutzungsverhältnis zu gleichen Bedingungen auch mit einem fremden Dritten hätte begründet werden können,
- ob der vereinbarte Mietzins die Höhe der ortsüblichen Marktmiete unterschreitet, denn das geforderte betriebliche Interesse an der Nutzung der betreffenden Räumlichkeiten wird durch eine für den Arbeitgeber vorteilhafte Gestaltung der zugrundeliegenden Rechtsbeziehung grundsätzlich nicht in Frage gestellt.
Bei der zweckentfremdeten Vermietung von Wohnraum an den Arbeitgeber zu dessen betrieblichen Zwecken (z. B. Arbeitszimmer, als Homeoffice genutzte Wohnung) handelt es sich um Gewerbeimmobilien, für die die Einkünfteerzielungsabsicht ohne typisierende Vermutung durch objektbezogene Überschussprognose festzustellen ist (vgl. BFH vom 17. April 2018, s. o.). Ist das vorrangige betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Vermietung des Arbeitszimmers oder der als Homeoffice genutzten Wohnung vom Arbeitnehmer an den Arbeitgeber nachgewiesen, mangelt es aber an der Einkünfteerzielungsabsicht nach § 21 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG infolge negativer Überschussprognose, handelt es sich um einen steuerlich unbeachtlichen Vorgang auf der privaten Vermögensebene. Eine Zuordnung der Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer als Arbeitslohn kommt dann im Hinblick auf § 21 Absatz 3 EStG nicht mehr in Betracht.
III. Werbungskostenabzug für das Arbeitszimmer oder die als Homeoffice genutzte Wohnung des Arbeitnehmers
Liegen die Voraussetzungen für die Zuordnung der Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vor, sind die das Arbeitszimmer oder die als Homeoffice genutzte Wohnung betreffenden Aufwendungen (z. B. anteilig Strom, Wasser und Heizung) in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Sie fallen nicht unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 6b EStG. Sind die Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer hingegen als Arbeitslohn zu erfassen, unterliegt der Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer oder die als Homeoffice genutzte Wohnung ggf. der Abzugsbeschränkung des § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 6b EStG.
Praxishinweis
Es wird für vor dem 01.01.2019 abgeschlossene Mietverträge nicht beanstandet, wenn bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG unverändert entsprechend den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 16.09.2004 (BStBl 2006 II S. 10) eine Einkünfteerzielungsabsicht typisierend angenommen wird.