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Die Zukunft der Payroll : Aftermath

Vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise mit nie gekannten Ausmaßen stellen sich viele Fragen neu. Und wenn jetzt selbst die Bundespolitiker die Verkleinerung des Bundestags ernsthaft diskutieren, so stellt sich auch die Frage, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf die Payroll hat.

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Eine Person, die mit einer digitalen Schnittstelle interagiert, die ein komplexes Netzwerk aus verbundenen Punkten und Linien aufweist und fortschrittliche Technologie, Datenkonnektivität oder virtuelle Interaktion symbolisiert.

Auswirkungen der Corona-Krise

Da die Arbeitgeber zuletzt große Mühe hatten, Spitzentalente zu finden und zu binden, rückten freiwillige Sozialleistungen (Fringe Benefits) in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Arbeitgeber. Und so wurden nicht nur Hightech-Unternehmen für ihre betrieblichen Zusatz- oder Sonderleistungen (Benefits und Vergünstigungen) für Mitarbeiter gelobt, sondern viele Basisangebote wie Krankenversicherung, bezahlter Urlaub und Wellness-Programme wurden in der Folge auch in zahlreichen anderen Branchen ausgeweitet.

Ein Beispiel dafür ist die schrittweise Einführung großzügigerer Regelungen für den Erholungsurlaub, als dies das Bundesurlaubsgesetz vorschreibt. Ebenso war zu beobachten, dass es die ersten Angebote über Familien(Pflege-)zeiten schon gab, bevor der Gesetzgeber den Rechtsanspruch für Arbeitnehmer regelte. Mehr als die Hälfte der Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern gewährt derzeit den gesetzlichen Mindesturlaub, ein Viertel gewährt einen Zusatzurlaub. Wenn auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) für das Jahr 2020 auf die Gewährung von Erholungsurlaub vor der Beantragung von Kurzarbeitergeld (KUG) verzichtet, so gilt das nur ausnahmsweise und befristet bis 31.12.2020. Auf Nachfragen äußern zwei Drittel der Unternehmen, zusätzlichen Urlaub anbieten zu wollen. Wir rechnen daher aktuell mit einer Zunahme von Forderungen nach einer Erhöhung des betrieblichen Zusatzurlaubs sowohl im tariflichen Bereich als auch im Rahmen der einzelvertraglichen Vertragsverhandlungen.

Arbeiten im Homeoffice und Mitarbeiterengagement

Die Arbeitgeber hatten zuletzt ein größeres Gewicht darauf gelegt, die Arbeitnehmer bei der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben (WorkLife-Balance) einschließlich Teilzeit- und Telearbeit (Homeoffice) zu unterstützen. So gab es von 2018 bis 2019 einen fünfprozentigen Anstieg bei der Teilzeit- und Telearbeit, und es wurden deutlich mehr Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter die notwendige technische Infrastruktur haben, die sie für die Telearbeit benötigen. Die Pandemie hat dies merklich beschleunigt. Wenn man kurz nach Ausbruch der Pandemie mit IT-Dienstleistern sprach, so verzeichneten diese eine deutliche Zunahme an Aufträgen in dieser Hinsicht. Dies deutet darauf hin, dass viele Arbeitnehmer sehr kurzfristig ins Homeoffice „geschickt“ wurden. Neueste Umfragen zeigen, dass mittlerweile mehr als zwei Drittel der Beschäftigten mobil arbeiten können, verglichen mit etwas mehr als 10 Prozent vor der Pandemie. Fast alle Arbeitgeber unterstützen die gesetzlichen Vorgaben zur Wahrung des medizinisch als notwendig erachteten Abstands (Social Distancing) und haben gleichermaßen den Einsatz von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln für Mitarbeiter im Unternehmen gesteigert. Mehr als jedes zweite Unternehmen trägt den Mehraufwand für die Telearbeit. Das beinhaltet die höheren Kosten für schnelles Internet (z. B. VDSL), Endgeräte wie Notebooks und die Infrastruktur für Online-Besprechungen und –Konferenzen.

Gesundheitsförderung

Wir gehen derzeit davon aus, dass das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes bei der Arbeit bis 2021 wahrscheinlich notwendig sein wird. Vor Beginn der Pandemie nutzten die Arbeitgeber die technologischen Möglichkeiten, die Kosten für das Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu senken. Telemedizin und Telegesundheit nahmen von Jahr zu Jahr um etwa 10 Prozent zu, und drei Viertel der Arbeitgeber boten 2019 diesen Service an. Seit der Pandemie ermutigen fast alle Unternehmen ihre Mitarbeiter, telemedizinische Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, wenn sie Pflege benötigen. Etwa ein Fünftel der Unternehmen zahlt seit Ausbruch der Pandemie Gesundheitsprämien, um eine ausreichende Kernbelegschaft zu haben. Weitere Unternehmen ziehen dies in Erwägung. Hierunter fallen auch neue Services wie Online-Therapiesitzungen, die derzeit auch von Psychologen konsequent angeboten werden. Im Zuge des sogenannten Social Distancing gewinnen Services wie etwa Lebensmittellieferungen an Bedeutung.

Eine Hand, die mit einem digitalen Diagramm auf einer Benutzeroberfläche interagiert und verschiedene arbeitsbezogene Faktoren wie Grundgehalt, Urlaub, flexible Arbeitszeiten und Sozialversicherung darstellt, wobei Pfeile anzeigen, ob sie steigen oder fallen.

Steuerfreie Zuschläge

Wenn heute Arbeitnehmer von Kurzarbeit betroffen sind, dann besteht ein große Lücke zwischen denjenigen, die vornehmlich in großen tarifgebundenen Unternehmen häufig einen Arbeitgeberzuschuss zum Kurzarbeitergeld bis fast 100 Prozent erhalten, und denjenigen, die z. B. in einfachen Dienstleistungsbranchen auf die 60 bzw. 67 Prozent Kurzarbeitergeld zurückfallen. Wenn dann noch Vergütungsbestandteile steuer- und sozialversicherungsfrei gewährt wurden, reduziert sich zusätzlich die Höhe des Kurzarbeitergeldes.

Steuerfreie Corona-Beihilfen

Daher ist es sehr erfreulich, dass der Gesetzgeber nun eine steuerfreie Beihilfe von bis zu 1.500 Euro (bisher max. 600 Euro) eingeführt hat. Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmern in der Zeit vom 1. März bis zum 31. Dezember 2020 aufgrund der Corona-Krise Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500 Euro nach § 3 Nummer 11 EStG steuerfrei in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewähren. Voraussetzung ist, dass diese zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen (R 3.11 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 bis 3 LStR) müssen nicht gesondert vorliegen. Vielmehr können diese aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Betroffenheit durch die Corona-Krise jedenfalls aus Sicht der Finanzverwaltung allgemein unterstellt werden. Diese sehr weit gefasst Vorschrift findet ihre Grenzen bei den oben erwähnten arbeitgeberseitig geleisteten Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld sowie bei Zuschüssen, die der Arbeitgeber als Ausgleich zum Kurzarbeitergeld wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze leistet. Die steuerfreien Leistungen sind im Lohnkonto aufzuzeichnen.

Payroll-Coaching

All dies führt dazu, dass die gesetzlichen Vorgaben für eine sachlich und rechnerisch einwandfreie Payroll weiter ausdifferenziert werden. Dies erfordert, dass die Mitarbeiter im Lohnbüro stetig die Entwicklungen im Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht kennen und mit deren Auswirkungen bestens vertraut sind, um Nachforderungen im Rahmen von Betriebsprüfungen zu vermeiden. In jüngerer Zeit wird deutlich, dass klassische Schulungen, die nur einmal pro Jahr anlässlich des Jahreswechsels stattfinden, angesichts der Fülle an Themen und Rechtsänderungen nicht geeignet sind, einen Wissenstransfer in die betriebliche Praxis zu gewährleisten.

Hände beschwören eine Energiesphäre, die ein Gefühl von Magie und Macht hervorruft.

Eine weitere Bearbeitung im Betrieb und in moderierten Fachgruppen, sei es online oder im Rahmen von Präsenzformaten, ist daher unerlässlich. Coaching als Methode der Organisations- und Persönlichkeitsentwicklung wird hier künftig deutlich stärker zum Einsatz kommen müssen, um erwartete Krisen erfolgreich zu bestehen.

Raschid Bouabba

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