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Prüfungsmanagement : Gute Vorbereitung zahlt sich aus

Die Rentenversicherungsträger prüfen jährlich rund 800.000 Betriebe. Bei rund einem Viertel der Prüfungen werden Beiträge nacherhoben, die Prüfungen werden mit einem Verwaltungsakt abgeschlossen. Alle übrigen Prüfungen werden mit der schlichten Mitteilung beendet, dass sich Beanstandungen nicht ergeben haben.

Lesezeit 7 Min.

Sozialversicherungsprüfung im Überblick

Im Rahmen der Sozialversicherungsprüfung (§ 28p Sozialgesetzbuch (SGB) IV) erfolgt durch den Prüfdienst des zuständigen Rentenversicherungsträgers nach vorheriger (mindestens 14 Tage) schriftlicher Ankündigung eine Überprüfung der Abführung der gesetzlichen Pflichtbeiträge durch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber ist regelmäßig für die Abführung der Beiträge verantwortlich und alleiniger Haftungsschuldner. Die Sozialversicherungsprüfung erstreckt sich auf sämtliche Pflichten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag (GSV) und beinhaltet ausgewählte Prüfschwerpunkte. Der GSV besteht aus Pflichtbeiträgen der kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (Arbeitnehmern) in den Zweigen der Kranken-, Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung (SGB), aus den Umlagen U1, U2 (AAG) sowie der Insolvenzgeldumlage. Zudem erfolgt eine Prüfung der Führung und Sicherung von Wertguthaben (Flexi II) im Rahmen von Langzeitkonten, der Künstlersozialabgabe (Künstlersozialversicherungsgesetz – KSVG) für selbstständig für den Arbeitgeber Tätige, der Einhaltung der gesetzlichen Mindestlohnvorschriften (Tariflohn, insbesondere mit Allgemeinverbindlichkeit und Mindestlohngesetz). Zahlreiche gesetzliche Änderungen rücken verstärkt in den Fokus der Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung.

Schwerpunkte

Diese Prüfschwerpunkte werden stichprobenartig beleuchtet. So riskieren Arbeitgeber den Wegfall der Sozialversicherungsfreiheit von steuerfreien oder pauschal versteuerten Zusatzleistungen an Arbeitnehmer. Daneben bereiten Beurteilungsfehler im Hinblick auf den Beschäftigungsstatus (Arbeitnehmer oder Selbstständige) oder die Beitragspflicht (Nettolohnoptimierung, Phantomlohnrisiko) immer wieder großen Ärger. Weiterhin wird die Beurteilung besonderer Personengruppen (Studenten, Praktikanten, Schüler und Rentner) überprüft und die beitragsrechtliche Behandlung besonderer Beschäftigungsverhältnisse (Minijobs, kurzfristig Beschäftigte, Mehrfachbeschäftigte, unständig Beschäftigte etc.) überwacht.

Das Bild zeigt eine textbasierte Liste im Personalmanagement an, in der verschiedene beschäftigungsrelevante Kategorien wie Beurteilungskriterien, Überstundennachweise, Urlaubsansprüche, Mindestlohn, Zusammensetzung des Personalrats, Nachweise aufgeführt sind
Tabelle Gute Vorbereitung zahlt sich aus

 

Im Mittelpunkt der Betriebsprüfung stehen häufig Statusfragen, regelmäßig etwa bei der Überprüfung, ob geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH als Beschäftigte oder Selbstständige anzusehen sind, in Ehegattenarbeitsverhältnissen, vorrangig aber im Zusammenhang mit dem Verdacht auf Scheinselbstständigkeit.

Vertrauensschutz ab 2021

Im Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.09.2019, Az. B 12 R 25/18 R wurde der Leitsatz aufgestellt, dass auch eine beanstandungsfrei durchgeführte Betriebsprüfung durch einen Verwaltungsakt beendet werden muss, der den Bestimmtheitsanforderungen genügt und Gegenstand sowie Ergebnis der Prüfung angibt.

Der Leitsatz wird von dem Gedanken getragen, dass der Prüfzeitraum mit dem Verwaltungsakt geschlossen wird und der Arbeitgeber auf die Richtigkeit aller Beurteilungen und Abrechnungen bauen kann, die Gegenstand der Prüfung waren und im Verwaltungsakt aufgeführt sind. Dies hört sich auf den ersten Blick richtig an. Bei gründlicher Betrachtung überzeugt der Leitsatz allerdings aus mehreren Gründen nicht. Aus dem Wortlaut des § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch (SGB) IV lässt sich keine Verpflichtung ableiten, jede Prüfung förmlich mit einem Verwaltungsakt abzuschließen. Vielmehr zeigt die Formulierung der Norm, dass sie die Kompetenzen und Berechtigungen der Träger der Rentenversicherung „im Rahmen der Prüfung“ von denen der Einzugsstellen außerhalb der Prüfungen bewusst abgrenzt.

Dass der Gesetzgeber mit § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV eine Norm zur Zuweisung der Kompetenzen und lediglich die Berechtigung, nicht jedoch eine Verpflichtung der Rentenversicherungsträger zum Erlass von Verwaltungsakten im Rahmen von Betriebsprüfungen geschaffen hat und schaffen wollte, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung; sie spricht ausdrücklich von einer „Berechtigung“ und nicht von einer „Verpflichtung“ zum Erlass eines Verwaltungsaktes. Der Leitsatz verträgt sich nicht mit der in § 11 Abs. 1 Beitragsverfahrensverordnung (BVV) normierten Stichprobenhaftigkeit der Prüfung. Diese hat der Verordnungsgeber ganz bewusst geschaffen. Die Prüfung hat nicht den Zweck und den Anspruch, dem Arbeitgeber Entlastung zu verschaffen. Eine dafür erforderliche Vollprüfung von jährlich 800.000 Arbeitgebern mit über 30 Millionen Versicherungsverhältnissen und allen Abrechnungen der letzten vier Jahre würde sowohl die Prüfinstitutionen als auch die Arbeitgeber und Steuerberater immens belasten. Die Rentenversicherungsträger haben nach alledem beschlossen, diesem Leitsatz nicht zu folgen.

Die Betriebsprüfung soll sich nach einem zweiten Leitsatz des Urteils zwingend erstrecken auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführende GmbH-Gesellschafter, sofern ihr sozialversicherungsrechtlicher Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt ist. Auch dafür gibt es keinen Anhaltspunkt im Gesetz. Allerdings hat der Gesetzgeber für diese Personenkreise im Jahr 2005 ein zwingendes Statusfeststellungsverfahren durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund für den Fall eingeführt, dass sie von ihrem Arbeitgeber als Beschäftigte angemeldet werden (§ 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Die Clearingstelle soll die „Entscheidung“ des Arbeitgebers bestätigen oder auch nicht. Sie soll auf jeden Fall verhindern, dass u. U. über Jahre Beiträge für ein Versicherungsverhältnis gezahlt werden, das im Leistungsfall später von einem anderen Sozialversicherungsträger nicht anerkannt wird.

Aus Gründen der Orientierung an den Interessen der Arbeitgeber und zur Förderung der Akzeptanz der Entscheidungen aus den Betriebsprüfungen sowie unter Beachtung der Beweggründe des Gesetzgebers aus dem Jahr 2005 haben die Rentenversicherungsträger beschlossen, für Angehörige des Arbeitgebers (Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge) oder geschäftsführende GmbH-Gesellschafter eine Selbstverpflichtung einzugehen: Seit 01.01.2021 werden bei jeder turnusmäßigen Betriebsprüfung Verwaltungsakte zum sozialversicherungsrechtlichen Status dieser Personen erlassen, wenn sie bisher nicht als Beschäftigte angemeldet wurden und ihr Status nicht bereits durch einen Verwaltungsakt festgestellt wurde. Dies kann ein Verwaltungsakt einer Krankenkasse, eines Rentenversicherungsträgers bei der Betriebsprüfung oder der Clearingstelle sein.

Eine detaillierte Finanz- und Personalanalyse: Hand hält eine Lupe über einem Dokument mit Diagrammen, daneben ein Taschenrechner und ein Notizblock.
Gute Vorbereitung zahlt sich aus

Elektronische Entgeltunterlagen ab 2022 verpflichtend

Bislang ist nicht geregelt, in welcher Form begleitende Entgeltunterlagen geführt werden müssen. Dies ändert sich mit Wirkung vom 01.01.2022.

Das Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020 sieht nämlich vor, dass diese Unterlagen dem Arbeitgeber künftig elektronisch zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies bedeutet, dass nicht nur der Arbeitgeber in der Pflicht ist, diese Unterlagen elektronisch zu führen. Schon derjenige, der dem Arbeitgeber eine solche Unterlage einreicht (ein Student reicht beispielsweise eine Immatrikulationsbescheinigung ein), muss dies elektronisch tun.

Die wichtigsten dieser Unterlagen und Daten sind Unterlagen

  • zur Staatsangehörigkeit,
  • zu einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht,
  • zu einer Entsendung,
  • Mitgliedsbescheinigung der gesetzlichen Krankenkasse,
  • Daten zu den erstatteten Meldungen,
  • Daten zu Rückmeldungen der Krankenkassen,
  • Anträge von Minijobbern zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht (Opt-out),
  • eine Niederschrift nach § 2 des Nachweisgesetzes,
  • Erklärungen von kurzfristig Beschäftigten über weitere kurzfristige Beschäftigungen,
  • Kopien von Anträgen auf ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund,
  • Bescheide von Krankenkassen über die Feststellung der Versicherungspflicht,
  • Entscheidungen der Finanzbehörden, dass Studiengebühren kein Arbeitsentgelt sind,
  • Nachweis der Elterneigenschaft,
  • Aufzeichnungen nach dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz.

Die Regelung steht im engen Zusammenhang mit der Verpflichtung zur elektronisch unterstützten Betriebsprüfung (euBP) ab dem Jahr 2023. Der Verordnungsgeber will erreichen, dass dann Unterlagen und Daten nur noch elektronisch ausgetauscht werden.

Elektronische Betriebsprüfung ab 2023 verpflichtend

Im Jahr 2019 wurden bereits 40 Prozent aller Betriebsprüfungen mithilfe der elektronisch unterstützten Betriebsprüfung (euBP) durchgeführt, das waren fast 313.000 Prüfungen.

Im Jahr 2020 ist der Anteil der Prüfungen, die mit euBP durchgeführt wurden, wegen der besonderen Umstände in der Corona-Krise noch einmal kräftig gestiegen: Ende Oktober lag der euBP-Anteil bei 54 Prozent. Gleichwohl ist die euBP derzeit immer noch ein freiwilliges Verfahren.

Ab dem 01.01.2023 wird die euBP grundsätzlich verpflichtend, soweit es die Daten der Entgeltabrechnung betrifft. So regelt es das Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020.

Ist das euBP-Modul in der Entgeltabrechnung bis dahin ein Zusatzmodul, so wird es ab 2023 ein Pflichtmodul werden. Auf Antrag des Arbeitgebers kann der zuständige Rentenversicherungsträger allerdings für Zeiträume bis 31.12.2026 auf die Übermittlung der Daten verzichten.

Der Verzicht ist an keinerlei Bedingungen geknüpft, die Rentenversicherungsträger werden ihn deshalb in der Regel erklären. Bei den Daten der Finanzbuchhaltung bleibt alles beim Alten: Die Übermittlung dieser Daten ist weiterhin freiwillig. Hier hat der Gesetzgeber den Rentenversicherungsträgern und den Arbeitgebern aufgegeben, zu prüfen, wie auch Finanzbuchhaltungsdaten strukturiert übermittelt werden können.

Die euBP ist für alle an der Prüfung Beteiligten eine Erleichterung. Mit der elektronischen Übermittlung der Daten gibt man dem Prüfer im Prinzip alles an die Hand, was er zur Prüfung braucht. Umgekehrt stellt die Rentenversicherung dem Arbeitgeber Datensätze für die Meldekorrekturen sowie das Prüfergebnis elektronisch zur Verfügung. Dies bedeutet für beide Seiten eine enorme Arbeitserleichterung.

Gute Vorbereitung – Prüfung erfolgreich bestehen

Da die oben dargelegten Prüfschwerpunkte von Jahr zu Jahr variieren, ist der gesetzliche Änderungsbedarf in die laufenden Prozesse einzupflegen. Durch praxisbezogene Schulungen sind die betroffenen Führungskräfte zu sensibilisieren. Die operativ befassten Mitarbeiter sind durch standardisierte Checklisten und Prüfhilfen in die Lage zu versetzen, die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeiten effizient auszuführen und die vorgeschriebenen Aufzeichnungen und Dokumentationen für Prüfzwecke zu gewährleisten. Die weitere Digitalisierung der Prozesse wird die professionelle Arbeit im Lohnbüro keinesfalls ersetzen. Sie wird sich vielmehr weg von der reinen Lohnsachbearbeitung hin zu einem vernetzten Lohnmanagement entwickeln. Dabei werden die Fach- und Führungskräfte von internen und externen Beratern und Referenten unterstützt. Das ist notwendig, denn der Beratungsbedarf durch die immer komplexer werdenden gesetzlichen Bestimmungen wird deutlich steigen. Die Kenntnis der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen sowie deren Umsetzung in der betrieblichen Praxis können nur noch im Team erfolgreich bewerkstelligt werden.

Raschid Bouabba, MCGB GmbH

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