Stier meint ?!
Respekt und Rücksichtnahme sind ein wichtiges Gut in unserer Gesellschaft. Gerade in den aktuellen Zeiten ist der respektvolle Umgang miteinander unverrückbar. Häufig stellt man sich allerdings auch die Frage, wo der respektvolle Umgang geblieben ist, wenn es Mitmenschen um einen herum gibt, die nur nach dem Motto durchs Leben gehen: „Wo ich lebe, ist vorne.“
Ob privat oder beruflich – wenn möglich gehen wir Menschen aus dem Weg, die uns respektlos erscheinen.
Aber es gibt auch genau die Momente, in denen man feststellt, es ist nicht alles verloren. Das macht den Menschen dann doch aus: der Respekt vor den Mitmenschen um uns herum.

Beim DFB-Pokalfinale am 21.05.2022 in Berlin kommt es kurz vor der Siegerehrung zu einem medizinischen Zwischenfall im Stadion. Innerhalb von wenigen Minuten ist ein sonst so lautes Stadion ganz still. Die Menschen halten inne und verfolgen schweigend und mit großer Anteilnahme das Geschehen am Spielfeldrand. Sanitäter versorgen einen Patienten und versuchen mit allen Mitteln, seinen Gesundheitszustand zu stabilisieren. Am Ende mit Erfolg. In dieser Zeit passiert im Stadion nichts, es ist weiterhin absolut still. Die Fußballfans halten ihre Handys in die Höhe und schalten das Kameralicht ein. Sie schicken ein starkes Signal an den Spielfeldrand.
Keiner kennt den Patienten persönlich, fast keiner im Stadion hat mit ihm gesprochen, geschweige denn, weiß, wer er ist. Für fast jeden im Stadion ist er ein Fremder, der in diesem Moment allerdings eines ist: Einer von uns! Ein Mensch. Mit großem Respekt nehmen die Menschen Anteil an seinem Schicksal. Ich sitze vor dem Fernseher und bin gerührt; da ist er, der Respekt vor dem Mitmenschen, der mir so oft fehlt. Da ist das Gefühl, dass es doch noch den Respekt und die Rücksichtnahme gibt, und da ist das Gefühl, dass doch noch nicht alles verloren ist.

Doch warum ist es gerade dieser Moment, der es so deutlich macht? Weil ich es nicht selten anders erlebe. Sei es beim Einkauf im Supermarkt, beim Einsteigen in die Bahn oder im beruflichen Alltag. Immer wieder treffen wir auf Menschen, die respektlos oder sogar rücksichtslos sind. Und das in einer Zeit, in der alle vom Respekt gegenüber den Mitmenschen sprechen. Aber es reicht nicht, darüber zu reden. Es muss auch gelebt werden, und dabei sind wir alle gefordert.
Das Signal im Stadion in Berlin ist ein starkes Signal. Weil es genau das in den Mittelpunkt stellt, was wir sind: Menschen, die miteinander und nicht nebeneinander leben.
In diesem Sinne … bleiben wir respektvoll!
Markus Stier