Jobkiller oder Mehrarbeit? : Wie Workflows die Gehaltsabrechnung beeinflussen
Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran, und längst ist es möglich, auch komplexe Personalprozesse zu automatisieren. Begonnen haben diese Prozesse im Recruiting, doch sie nehmen auch immer mehr die administrativen Prozesse in Beschlag. Dies beginnt bei einfachen Mitarbeiterthemen wie der Urlaubsbuchung oder einer Adressänderung und geht weiter bis zu vollständigen Einstellungsprozessen. Doch welche Auswirkungen hat das auf die Gehaltsabrechnung? Und muss dadurch der „Abrechner“ um seinen Job bangen und wird er arbeitslos?
Um das zu beantworten, sollte man sich die verschiedenen Ausprägungen von Workflow-Systemen und ihre Auswirkungen auf die Gehaltsabrechnung genauer anschauen. Denn am Markt werden unterschiedliche Vorgehensweisen propagiert und diese haben teilweise keinen Einfluss bis hin zu einer wesentlichen Veränderung der Tätigkeiten. Doch welche Ausprägungen gibt es genau und wie sind diese zu beurteilen?
Im Prinzip gibt es drei Stufen an digitalen Prozessen – die reinen Dokumentenprozesse, komplexe Workflows mit Antrag, Genehmigung und Dokumentenerstellung mit einfacher Anbindung an das Payroll-System oder komplexe Workflows mit einer tiefen Schnittstelle in die Gehaltsabrechnung.
Dokumentenprozesse
Dies sind eigentlich noch keine echten Workflows, geht es doch hierbei nur um die reine Abwicklung der Dokumentenerstellung. Über Vorlagen ermöglichen es diese Systeme dem User, schnell und einfach fertige Dokumente zu erstellen. Dabei müssen nur ein paar fehlende Daten eingegeben werden und das System erstellt daraus ein fertiges Dokument. Idealerweise läuft dies über eine kleine Abfrage, sodass das System den Anwender immer nach den fehlenden Daten fragt. Manche nutzen eventuell noch Stammdaten aus dem Abrechnungssystem, um zumindest Grunddaten wie Name, Kostenstelle oder Personalnummer automatisch einzusetzen. Gute Dokumentensysteme können nun noch Unterschriften einholen und das Dokument in einer digitalen Personalakte ablegen. Sehr schnell wird hier ersichtlich, dass zwar ein Dokument darüber zügig und einfach erstellt werden kann, echte Einsparungen aber sehr gering sind und der Einfluss auf die Abrechnung eigentlich gar nicht besteht. Denn weiterhin müssen die Daten für die Gehaltsabrechnung manuell eingegeben werden, indem das Dokument dem Mitarbeiter der Abrechnung übermittelt wird und dieser die Daten aus dem Dokument liest und eintippt. Die Veränderung für die Abrechnung ist gleich null.


Workflows mit einfacher Anbindung an die Abrechnung
Nun wird es sicherlich spannender, denn hierbei handelt es sich um echte Prozesse, die digital abgebildet werden. Und das bedeutet nun, dass die Dokumentenerstellung zwar ein Teilbereich des Prozesses ist, aber eben nur ein sehr kleiner. Weiterhin gibt es auch Prozesse, die nicht unbedingt eine Dokumentenerstellung fordern und dennoch Veränderungen in der Abrechnung mit sich bringen. Doch was bedeutet die „einfache“ Anbindung und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Bei einer einfachen Anbindung werden in der Regel Stammdaten aus dem Abrechnungssystem an das Workflow-System übermittelt. Meistens einmal pro Tag (in der Regel nachts) wird mit diesen Daten dann innerhalb des Systems gearbeitet. Hierbei ist ganz nebenbei zu beachten, dass Mitarbeiterdaten ein zweites Mal in einer Datenbank gespeichert werden. Schauen wir uns bei diesen Systemen einmal zwei typische Prozesse an, eine Änderung von Daten durch den Mitarbeiter und einen Genehmigungsprozess, zum Beispiel eine Gehaltsänderung.
Änderung von Daten durch den Mitarbeiter
Möchte ein Mitarbeiter eine neue Wohnadresse angeben, so meldet er sich am System an, bekommt die aktuellen Daten aus der Datenbank des Workflow-Systems und kann diese nun ändern. Damit sind die Daten zwar in dem Workflow-System geändert, aber die Gehaltsabrechnung hat noch keine Information dazu erhalten. Also muss der Workflow eine E-Mail oder ein PDF mit den entsprechenden Daten erzeugen und dem Abrechner übermitteln. Dieser nimmt dann die Datenänderung wie bisher manuell vor.

Gehaltsänderung
Jetzt wird es schon etwas komplexer. Ein Vorgesetzter beantragt über das Workflow-System eine Gehaltsänderung für seinen Mitarbeiter. Das System gibt es an die entsprechenden zustimmungspflichtigen Stellen weiter – bis hin zur Arbeitnehmervertretung. Wurden alle Genehmigungen erteilt, erfolgt die automatische Erstellung des Dokuments, gefolgt von der Einholung der notwendigen Unterschriften. Das Dokument wird dann in der digitalen Akte abgelegt und dem Mitarbeiter zugestellt. Und die Abrechnung? Die weiß bis jetzt nichts von dem Vorgang und muss warten, bis das Dokument oder eine Information über die einzugebenden Daten bei ihr landet. Und dann nimmt der Abrechner die Datenänderung wie bisher wieder manuell vor, damit die Gehaltsänderung auch wirklich ausgeführt wird und die aktualisierten Daten in der Nacht über die Stammdaten in dem Workflow-System landen.
Fazit
Sehr schnell sieht man an diesen Beispielen, dass ein solches System zwar erhebliche Effizienzsteigerungen in der prozessualen Abwicklung mit sich bringt, für die Abrechnung ändert sich aber auch hier absolut nichts.
Workflows mit tiefer Integration
Die dritte Stufe der Anbindung ist nun sicherlich die intensivste Möglichkeit, Prozesse digital abzubilden und auch Systeme miteinander kommunizieren zu lassen. Bei einer tiefen Integration wird über eine Schnittstelle eine direkte Verbindung zwischen Abrechnungssystem und Workflow-System hergestellt – und zwar in beide Richtungen. Dies bedeutet, dass das Workflow-System auch direkt Daten in das Abrechnungssystem übermitteln kann und somit keine weiteren Eingaben mehr notwendig sind. Doch schauen wir uns auch das anhand der beiden Beispiele nochmals genauer an.
Änderung von Daten durch den Mitarbeiter
Startet der Mitarbeiter diesen Prozess, holt sich das Workflow-System die bestehenden Daten nicht aus einer eigenen Datenbank, sondern in Echtzeit aus dem Abrechnungssystem und stellt diese dem Mitarbeiter in einer Maske zur Verfügung. Nun kann der Mitarbeiter diese Daten ändern und absenden. Das System ist jetzt in der Lage, diese geänderten Daten sofort in das Abrechnungssystem zu übermitteln, sodass keinerlei manuelle Eingriffe oder Dateneingaben mehr notwendig sind. Hier wird es viele Aufschreie geben, teilweise zu Recht. Es kann nicht sein, dass ein Mitarbeiter selbst Daten ändert – wer ändert zum Beispiel die Versteuerung der Kilometer bei Dienstwagen oder wer prüft die Berechtigung auf Ballungsraumzulagen oder andere Themen? Und dann bekommt niemand mehr mit, dass der Mitarbeiter umgezogen ist? All diese Problemfelder lassen sich aber mit guten Systemen entsprechend abfedern. Entweder muss alles noch einmal von einem Abrechner vorher – mit einem Klick – freigegeben werden oder nur die Änderungen von Dienstwagen-Berechtigten werden zur Freigabe geschickt oder der Vorgesetzte erhält automatisch eine E-Mail, dass sein Mitarbeiter umgezogen ist. Dies kann in einem – eigentlich so einfachen – Thema wie der Adressänderung entsprechend eingerichtet werden, sodass einem keinerlei Informationen „durch die Lappen gehen“.

Gehaltsänderung
Nächstes Beispiel – unsere Gehaltsänderung. Letztendlich läuft diese genauso ab, wie in unserem ersten Beispiel geschildert: Antrag durch den Vorgesetzten, Genehmigungen, Dokumenterstellung und -bereitstellung. Bis jetzt also alles gleich, doch nun kommt der große Unterschied. Bei der integrierten Variante ist nun das System wieder in der Lage, die geänderten Gehaltsdaten sofort in die Abrechnung zu übermitteln, sodass hier kein weiteres Eingreifen mehr notwendig ist. Und um hier auch gleich die Aufschreie zu besänftigen: Natürlich können auch hier entsprechende Freigaben oder Vorlagen durch das Workflow-System bei der Gehaltsabrechnung eingefordert werden und die Einspielung erfolgt nur nach letzter Freigabe durch die Abrechner.
Fazit
Wie anhand der Beispiele ersichtlich ist, bringt diese Variante die größte Veränderung für die Gehaltsabrechnung. Viele Eingaben, Prüfungen etc. können entfallen, dies ist aber im Wesentlichen abhängig von der Professionalität des Workflow-System.
Auswirkungen auf die Gehaltsabrechnung
Die Beispiele zeigen es sehr klar auf – Workflows haben je nach Ausprägung unterschiedliche Auswirkungen auf die Aufgaben in der Gehaltsabrechnung.
Den geringsten Einfluss haben die Dokumentenprozesse, die auch insgesamt die geringste Effizienzsteigerung in der Personalarbeit einbringen. Es gibt kaum Prozesse, die kein Dokument benötigen, jede Versetzung, jede Gehaltsänderung, jeder Mutterschutz, jeder Eintritt, jede Kündigung wird dokumentiert – die Liste ist fast unerschöpflich. Dennoch ist das Erstellen des Dokuments der kleinste Baustein des gesamten Prozesses mit Anträgen, Genehmigungen, Eingaben etc.
Doch auch Workflow-Systeme, die nur eine einfache Anbindung mit sich bringen und mit den Stammdaten in einer eigenen Datenbank arbeiten, haben wenig bis gar keinen Einfluss auf die Abrechnung. Sicherlich können hiermit Effizienzsteigerungen im vorgelagerten Prozess umgesetzt werden, die Abrechnung muss aber weiterhin manuell eingreifen. Der einzige Vorteil ist, dass die Systeme in der Regel zumindest die Daten strukturiert zum Beispiel in einem PDF übergeben und somit die Eingabe erleichtert wird. Da aber sämtliche sonstigen Informationen zu dem Vorgang fehlen, wird der Abrechner zum reinen Datentypisten, der nur die Daten abtippt. Ist dann hier etwas fehlerhaft, bringt dies meist eine umfangreiche Recherche mit sich, um den gesamten Vorgang nachzuvollziehen.


Kommen wir zu den vollständig integrierten Systemen. Diese haben erhebliche Auswirkungen auf die reine Dateneingabe. Doch werden sie damit zum Jobkiller? Das scheint nur auf den ersten Blick so zu sein, am Ende wertet ein solches System aber aus meiner Sicht die Aufgabe und die Verantwortung wesentlich auf. Warum ist das so?
Workflows werden in der Regel für Prozesse erstellt, die häufig im Unternehmen vorkommen und standardisiert abgewickelt werden können. Um diese Prozesse überhaupt im Unternehmen einzuführen, ist das Know-how von Profis aus der Abrechnung gefragt, die genau wissen, welche Datenfelder der Workflow benötigt, welche Eingaben notwendig sind und wie diese im Abrechnungssystem hinterlegt werden müssen. Dies kann nur ein Mitarbeiter übernehmen, der auch die Gehaltsabrechnung detailliert kennt und diese Vorgaben machen kann – bei der Ersteinrichtung und auch bei laufenden Veränderungen in den Prozessen. Bei diesen Prozessen erhöht sich sicherlich auch die Datenqualität, da zum einen Daten nur einmal eingegeben werden und zum anderen die Systeme auch nur Dateneingaben ermöglichen, die sinnvoll sind – zum Beispiel durch Drop-down-Felder etc. Der Hauptpunkt ist aber, dass trotz der umfangreichen Möglichkeiten der Workflow-Systeme immer Prozesse übrig bleiben, die sich nicht automatisieren lassen. Dazu ist einerseits die Personalarbeit zu individuell mit immer wiederkehrenden Ausnahmen, andererseits ist die Gehaltsabrechnung so komplex, dass gerade in Spezialfällen das Wissen der Profis gefragt ist. Dieses Wissen decken in der Regel im Unternehmen nur die Gehaltsabrechner ab, kein anderer Personaler kennt sich so gut in den Bereichen Tarif, Steuer, Sozialversicherung und so weiter aus.
Der Job des Abrechners wird sich durch integrierte Workflows verändern – er wird professioneller und gefragter mit weniger einfachen, standardisierten Tätigkeiten.

Thomas Eggert ist seit mehr als 30 Jahren im Personalwesen unterwegs. Nach der Personalleitung bei einer großen deutschen Bank übernahm er die Geschäftsführung eines führenden Outsourcing-Unternehmens für die administrative Personalarbeit. Schon immer hat ihn die Digitalisierung der Personalarbeit begleitet und so ist er jetzt seit zehn Jahren bei der BEGIS, dem Spezialisten für digitale HR-Prozesse. Er hat als Autor zahlreiche Artikel veröffentlicht und betreibt einen eigenen Blog unter https://noch-ein-hr-blog.de.
Thomas Eggert,
Geschäftsführer BEGIS GmbH
E-Mail: thomas.eggert@begis.de
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