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Im Gespräch mit: Samuel Hügli : Die TAMEDIA Mediengruppe stellt sich technologisch neu auf

Lesezeit 7 Min.

Die Schweizer Mediengruppe Tamedia geht neue Wege und wechselte im Rekordtempo den Dienstleister sowohl im Bereich Buchhaltung als auch in Human Resources. Hinter dieser Entscheidung steht eine klare Strategie, wie CTO & Head of Ventures, Samuel Hügli im Gespräch mit Chefredakteur Markus Matt zu berichten weiß.

Herr Hügli, wie kam es in Ihrem Hause zu der Entscheidung, den Dienstleister zu wechseln?

Vor zwei Jahren haben wir damit begonnen, eine neue IT-Strategie zu entwickeln und dem Verwaltungsrat zu präsentieren. Diese neue Strategie sollte mehr User-zentriert und nicht mehr so sehr auf die Spezialisten in den Fachbereichen ausgelegt sein. Besonders wichtig waren uns die Bedienerfreundlichkeit und die Attraktivität der Werkzeuge.

Ein Mann mit kurzen grauen Haaren, einem dunklen Anzug und einem weißen Hemd, steht lächelnd vor einem unscharfen Hintergrund.
SAMUEL HÜGLI

Mit dem vormaligen Anbieter unseres ERP-Systems hatten wir eine Diskussion über Lizenzmodelle und Zahlungsmodelle. Wir waren jedoch nicht glücklich mit dem Setup. Daher entschlossen wir uns, unsere ERP-Strategie neu zu definieren. Die Suche nach einer neuen Lösung erfolgte dann aus der Perspektive der Endbenutzer. Wir haben in den letzten Jahren eine starke digitale Transformation vollzogen und erwirtschaften heute bei Tamedia über 80 Prozent unseres EBITs mit unseren Digital-Angeboten. Dementsprechend benötigen wir auch neue und moderne Werkzeuge, um unsere Unternehmen, Beteiligungen und internen Dienstleister ideal zu betreuen.

Neben publizistischen Angeboten befinden sich in unserem Unternehmens-Portfolio auch rein digitale Unternehmen, wie etwa das Immobilien-Portal homegate.ch oder das führende Stellenportal der Schweiz jobs.ch. Uns war eine hohe Zufriedenheit bei der Benutzung wichtig, ebenso wie das Thema Integration. Insbesondere im Hinblick auf den Bereich HR, wo unsere Ansprüche stetig wachsen. Wir wollten hier eine massgebliche Transformation erreichen, die Digitalisierung der Prozess alleine reicht hier nicht aus. Daher war uns die HR-Anbindung an den Digitalbereich sehr wichtig. Am ersten Januar dieses Jahres lancierten wir schließlich die HR-Lösung Workday — und ich kann sagen, dass sich die meisten unserer Wünsche in dieser Richtung bewahrheitet haben.

Wie ist die „Scharfschaltung“ der Workday-Lösung abgelaufen?

Es gab kleine, wenige Bereiche in technologischer Hinsicht, wo es minimale Probleme gab. Performancemäßig hat der Rollout sehr gut funktioniert. Ich habe noch nie erlebt, dass die Geschäftsführung fast einhellig sagt: „Wow, das ist richtig cool!“ Insofern war der erfolgreiche Rollout ein Marketing-Element für den IT-Bereich und für Corporate Service. Insgesamt sind wir wirklich sehr zufrieden —aber noch gibt es offene Tasks, abgeschlossen ist der Prozess noch nicht zu 100 Prozent.

Was sind bei der neuen Lösung die Benefits aus Sicht der Anwender?

Da fällt mir als Erstes ein: Workday ist praktisch für die meisten Tasks ohne Schulung direkt „out of the box“ verwendbar. Das ist genau wie bei Google Suche oder Gmail beispielsweise: Da muss auch niemand darüber nachdenken, wie man es anwendet. Die Lösung lädt förmlich dazu ein, damit herumzuspielen. Anders gesagt, hier ist ein spielerisches Erkunden der Module möglich, ohne dass man Angst haben muss, etwas kaputt zu machen. Das ist schon mal anders als bei vielen Konkurrenzprodukten. Insgesamt ist das Tool extrem benutzerfreundlich. Früher kam es oft vor, dass Informationen händisch aus einem Excel-Sheet herausgesucht werden mussten und dem Geschäftsführer erst zwei Tage später zur Verfügung standen. Jetzt kann er es selbst machen, mit nur zwei bis drei Klicks. Das macht das Leadership-Team kompetent — „Info at your fingertips“, sozusagen.

Der Mehrwert für Führungskräfte besteht also in der leichteren und schnelleren Verfügbarkeit von Reports – durch die intuitive Menüführung. Man kommt schneller an Informationen und spart damit wertvolle Zeit. Funktioniert das Instrument auf der anderen Seite auch für die Mitarbeiterbindung?

Bisher hat ja kaum einer auf der Führungsebene etwas direkt mit dem ERP-System gemacht. Das war fast immer Job der Assistenten oder der Fachabteilungen. Mit der neuen Lösung beobachten wir einen klaren Paradigmenwechsel. Alles geht jetzt spielerischer, schneller, professioneller und entsprechend ist auch die Außenwirkung. Die digitale Fitness und Kompetenz haben natürlich auch enorme Auswirkung auf das Employer Branding. Mit dieser Lösung kommen wir gewissermaßen „raus aus den alten Krusten“

Reden wir einmal über die Kosten. Was hat sich durch den Anbieterwechsel im Kern getan?

Die alte Lösung ist auf eine kontinuierliche Geschäftsentwicklung ausgerichtet und wenig dynamisch und innovativ. Das funktioniert, wenn der Chef eine Sekretärin oder ein Fachstelle hat, die alles macht. Wo das heute noch so ist — warum nicht. Wir haben uns bewusst für den neuen Anbieter entschieden, es ist eine integrative Lösung aus einem Guss und im Vergleich sehr benutzerfreundlich. Aber die Frage zielte ja auf die Kosten: Das ist schlussendlich eine Frage der Betrachtung und wie man die zugrundeliegenden Daten zerlegt — wir sind da aber extrem gut unterwegs in einer TCO-Sicht.

Wie vergleiche ich zum Beispiel den Faktor „Benutzerfreundlichkeit“ bzw. den Fakt, dass der Chef beim neuen ERP selbst mitarbeitet?

Nehmen Sie die Mitarbeiterin im Supermarkt an der Kasse – von der erwarten Sie, dass sie ihre Transaktionen so schnell wie möglich durchführt, und welches Interface sie dabei benutzt, ist Ihnen egal. Werkzeuge sollten in den Händen der Endbenutzer für mehr Agilität sorgen. Durch das neue Setup konnten wir hohe Einsparungen erzielen, und auf der Werte-Ebene bekommen wir nun noch sehr viel mehr. Wenn Mitarbeitende und Führungskräfte sagen „Tamedia ist eine coole Firma“ — dann hat das einen enorm hohen Wert. Man könnte auch sagen, dass es mit Workday einen Paradigmenwechsel gegeben hat: Die jungen Mitarbeiter finden, dass sie für die richtige Firma arbeiten.

Wie ist das mit dem Support? Das ist ja ein Thema, bei dem es oft Schwierigkeiten gibt.

Im Grunde ist es noch zu früh, das abzuschätzen. Auf jeden Fall registrieren wir deutlich weniger Supportanfragen als zu früheren Zeiten. Bisher hatten wir ein Support-Team des neuen Anbieters im Haus, das wir heute natürlich nicht mehr brauchen. Wenn es tatsächlich einmal Anfragen gibt, gehen die direkt an Workday. Darüber hinaus handelt es sich bei der neuen Lösung um eine Standard-Software aus der Cloud. Diese wurde bereits bei zahlreichen anderen Unternehmen erfolgreich eingesetzt.

Die Annahme durch die Mitarbeiter verlief also sehr gut. Wie haben Sie die Belegschaft über die Änderungen informiert?

Wir haben in den einzelnen Fachbereichen Townhall-Meetings abgehalten und entweder der CFO oder ich haben über das Projekt informiert. Außerdem haben wir auf allen Kanälen regelmäßig informiert. Wir hatten für den gesamten Prozess ein dediziertes und kompetentes Change Management-Team das aus Mitarbeitenden der verschiedenen Bereiche zusammengesetzt war.

Digitalisierung bedeutet ja oft, schöne Kleider nach außen zu haben — doch wie schaut es darunter aus? Nehmen wir dieLeistung der Lösung: Bringt die neue Lösung eine vergleichbare Performance wie die bisherige? Und gibt es eventuell Sachen, die man sozusagen in Kauf nimmt?

„Unter der Haube“ ist Workday wirklich sehr modern, dafür vergebe ich ein Plus. Für die Funktionalität vergebe ich sogar ohne zu zögern ein Doppelplus – vor allem im HR.-Bereich. Im Finance-Bereich gibt es noch einiges zu tun. Der bisherige Anbieter war gut bei lokalen Schnittstellen, aber wir haben festgestellt, dass Schnittstellenanforderungen bei Workday in der Regel sehr schnell umgesetzt werden.

Zum Projekt selbst: Sie sagten, es hat zwei Jahre bis zum Echtbetrieb gedauert.

Das ist nicht ganz richtig. Vor zwei Jahren haben wir damit begonnen, die neue IT-Strategie zu entwickeln. Der effektive Zeitrahmen für die Implementierung der neuen Lösung war sehr viel kürzer. Wir haben am 31. Januar 2018 den Vertrag unterzeichnet und waren Anfang Januar 2019 live — also hatten wir etwas weniger als ein Jahr Implementierungszeit. Anders gesagt: Das Projekt wurde in Rekordzeit umgesetzt!

Noch eine Frage zum Unternehmen: Wie viele Mitarbeiter haben Sie und wie ist die Firma aufgebaut?

Tamedia ist die führende private Schweizer Mediengruppe. Neben des Publizistik-Bereichs mit den reichweitenstärksten Medientiteln und unserer starken Position als Werbevermarkter, verfügen wir über ein enorm attraktives Digital-Portfolio mit den in der Schweiz beliebtesten Online-Marktplätzen, digitalen Dienstleistungen sowie verschiedenen Beteiligungen. Insgesamt sind rund 3.700 Mitarbeitende beschäftigt in der Schweiz, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Israel, Luxemburg, Österreich und Serbien. Tamedia erwirtschaftet einen Jahresumsatz von über einer Milliarde Schweizer Franken. Unser EBITDA beläuft sich auf 206 Mio. CHF pro Jahr.

Und die Abschlussfrage: Welche Risiken muss man bei der Planung und Umsetzung eines solchen Projektes im Blick haben?

Ich muss sagen, dass wir zum Glück einen progressiven CFO haben, der die Benefits der Werkzeuge schnell erkannt hat. Allerdings ist es bei uns wie in jedem großen Haus: Sie haben immer breit verstreut eine Zahl von Bedenkenträgern, die man mit auf die Reise nehmen muss.

Dies ist uns als Geschäftsleitung mit viel Begeisterungsfähigkeit gelungen. Darüber hinaus haben wir von Anfang an darauf geachtet, durch gezieltes Programm- und Change Management alle mit einzubeziehen.

Und ich muss sagen, dass viele Mitarbeiter im Zuge dieses Prozesses über sich hinausgewachsen sind und mit echter Begeisterung Teil der Transformation vom Medienhaus zum digitalen Powerhouse mit vielen neuen Rollen geworden sind. Ohne unseren engagierten Mitarbeitenden wären wir nicht da, wo wir heute sind.

Herr Hügli, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Auf der linken Seite des Bildes ist ein Mann mit kurzen dunklen Haaren zu sehen, der einen dunklen Blazer und ein hellblaues Hemd trägt. Der Hintergrund ist grün, mit dem Text „Markus Matt Chefredakteur LOHN+GEHALT“ in weißer Schrift.

 

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