Free

Betrieb & Familie : Frauen in Führung

Die Zahlen sprechen für sich und sind unverändert traurig: Frauen sind nach wie vor in den Führungspositionen der Betriebe unterrepräsentiert. Nur 26 Prozent der Führungskräfte der ersten Leitungsebene in der Privatwirtschaft waren im Jahr 2018 weiblich – das hat sich seit 2016, dem Inkrafttreten des Gesetzes (siehe Kasten), nicht verändert. Gleiches gilt für den Anteil von weiblichen Führungskräften auf der zweiten Führungsebene – hier liegt der Anteil unverändert bei 40 Prozent. Im öffentlichen Dienst sind die Werte etwas höher.

Lesezeit 4 Min.
Im Vordergrund steht eine Frau mit verschränkten Armen, im Hintergrund ist eine verschwommene Sicht auf ein Geschäftstreffen zu sehen.

Die Daten ergeben sich aus dem IAB-Betriebspanel, einer repräsentativen Befragung von rund 16.000 Betrieben in Deutschland durch das Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB). Die Zahlen zeigen, dass der Anteil der weiblichen Führungskräfte umso geringer ist, je größer die Unternehmen sind.

In Europa sind es im Durchschnitt 35 Prozent Frauenanteil. Deutschland liegt dabei nur im unteren Drittel. Spitzenreiter ist Lettland mit 46 Prozent Frauenanteil, das Schlusslicht bildet Zypern mit 22 Prozent. Es ist also noch viel Luft nach oben!

Die gläserne Decke ist noch sehr stabil

Was hindert Frauen daran, in Führungspositionen aufzusteigen? Es gibt eine ganze Reihe von Gründen. Schauen wir uns einige etwas genauer an:

Kinder und Familie

Trotz aller Bemühungen um Gleichstellung: Der Schwerpunkt bei der Kindererziehung liegt noch immer bei den Frauen. Die Zahlen in Bezug auf die Elternzeit und das Pausieren im Job wegen Kindererziehung sprechen Bände. Auch wenn Frauen oft erst später Kinder bekommen – sie haben dann meist noch nicht den Höhepunkt ihrer (möglichen) Karriereschritte erreicht. Dann kommt der „Abbruch“, ein Neustart setzt dann meist auf einer niedrigeren Stufe ein, insbesondere, wenn die Rückkehr an den Arbeitsplatz in Teilzeit erfolgt. Führungskräfte in Teilzeit sind in den allermeisten Unternehmen noch immer ein regelrechtes Tabu.

Männliche Seilschaften

Eine lächelnde Frau in einem pfirsichfarbenen Oberteil, die Wärme und Freundlichkeit ausstrahlt, während sie an einer Innenwand lehnt.

Auch Frauen können durchaus netzwerken – aber irgendwie anders. Die Förderung, wie sie Männer seit Jahrhunderten untereinander (Männerbünde) praktizieren, ist Frauen fremd. Sie fördern eher unabhängig vom Geschlecht, nämlich nach Qualifikation. Während für Frauen Männer auch in einer frauendominierten Gruppe kein Problem darstellen, bleiben Männer lieber unter sich. Das wirkt sich unmittelbar bei der Auswahl nachrückender Führungskräfte aus.

Andere Zielorientierung

Für männliche Führungskräfte ist das eigene Ego ein ganz wichtiger Faktor. Das erkennt man in fast jeder Führungsrunde – die Selbstdarstellung steht oft im Vordergrund. Maßgebend ist die eigene Meinung, das eigene Profil. Frauen sehen eher das Ergebnis im Vordergrund, unterstützen schon mal einen Konkurrenten, wenn der eine gute Idee hat – das würde einem Mann nur passieren, wenn er davon auch einen Vorteil hat.

Ist Ihnen das zu plakativ? Dann schauen Sie sich doch mal in Ihrem Unternehmen in den Führungsrunden um – Sie werden garantiert vieles wiedererkennen.

Unternehmen schaden sich selbst

Mit dem Verzicht auf die Nutzung qualifizierter, weiblicher Führungskräfte schaden sich die Unternehmen selbst. Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen in Spitzenpositionen besser für das Unternehmen sind. Sie sind meist strukturierter, hören auch abweichenden Meinungen besser (oder überhaupt) zu und sind weniger risikobereit. Wann hat man mal davon gehört, dass eine weibliche Führungskraft Millionen oder sogar Milliarden durch falsche Entscheidungen „versenkt“? Und das liegt nicht nur daran, dass es so wenig weibliche Führungskräfte in entsprechenden Positionen gibt.

Das Problem bei einer extremen Männerdominanz, wie sie in vielen Unternehmen herrscht, ist, dass viele kluge Ideen und Argumente nicht wahrgenommen oder nicht umgesetzt werden. Weil männliche Führungskräfte Angst haben, einen Autoritätsverlust zu erleiden oder zugeben zu müssen, dass ein anderer bzw. eine andere eine bessere Idee hatte. In der Folge werden Verbesserungsvorschläge oder neue, innovative Ideen oft gar nicht mehr geäußert – weil sie bekanntermaßen nicht anerkannt werden.

Bei allen Versuchung der Angleichung: Männer und Frauen sind verschieden und führen auch unterschiedlich. Natürlich gibt es auch Frauen, die sehr dominant führen, oft, weil sie es auf ihrem Weg nach oben einfach tun mussten (besser und härter sein als die konkurrierenden Männer), die Regel ist das aber nicht. Viel häufiger scheitern Frauen auf den obersten Ebenen, weil sie sich gegen die männliche Dominanz nicht durchsetzen können (oder auch gar nicht wollen). Ein klassisches Beispiel ist vermutlich die ehemalige Vorstandschefin von SAP, Jennifer Morgan. Schon nach etwas mehr als einem halben Jahr warf sie das Handtuch. Übrigens das dritte Mal, dass bei SAP eine weibliche Spitzenkraft nach kurzer Zeit scheiterte. Was durchaus Rückschlüsse auf das Klima im Unternehmen nahelegt.

Jürgen Heidenreich

Die IAB-Studie

ist online abrufbar unter www.doku.iab.de/kurzber/2019/kb2319.pdf

Das Gesetz – der zahnlose Tiger

Seit Januar 2016 ist das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in Kraft. Es beinhaltet die Verpflichtung für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, verbindliche Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Vorständen und den obersten Managementebenen festzulegen und zu veröffentlichen.

Verschwommene Büroumgebung mit Menschen, die an Schreibtischen arbeiten.

In börsennotierten und paritätisch-mitbestimmten Unternehmen ist eine Mindestquote von 30 Prozent für die Mitglieder in den Aufsichtsräten festgelegt. Das sind aber lediglich rund 100 Unternehmen.

Für etwa 3.500 weitere Unternehmen gilt die Verpflichtung, verbindliche Zielgrößen für die Beteiligung von Frauen festzulegen. Problem dabei: Es ist keine Mindestzielgröße vorgesehen. Die Unternehmen können also auch eine geringere Zielgröße als 30 Prozent festlegen. Sanktionen, wenn die Zielgrößen nicht erreicht werden, gibt es nicht. Druck auf die Unternehmen soll in erster Linie durch die Pflicht zur Veröffentlichung der Ziele und deren Erreichung im Bundesanzeiger ausgeübt werden – aber wer liest schon den Bundesanzeiger?

Diesen Beitrag teilen: