Richtlinie zum vorübergehenden Schutz : Beschäftigung von ukrainischen Geflüchteten in Deutschland
Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine sind viele Menschen, vor allem Frauen und Kinder, nach Deutschland geflüchtet. Viele Erwachsene, die zu uns gekommen sind, möchten auch in unserem Land arbeiten. Für viele stellt sich die Frage, ob sie in Deutschland arbeiten dürfen.
Erstmals wird in der Europäischen Union die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz angewandt, die einen Aufenthalt ohne Asylverfahren von einem Jahr für Geflüchtete sichert. Sofern der Rat nichts anderes beschließt, verlängert sich die Anwendung der Richtlinie zweimal um jeweils sechs Monate und kann durch einen qualifizierten Ratsbeschluss um ein weiteres Jahr verlängert werden. Auf Grundlage der Richtlinie können Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz erhalten. Sie können außerdem visumsfrei einreisen und den erforderlichen Aufenthaltstitel erst nach der Einreise einholen.
Bereits mit dem vorläufigen Dokument über ihr Aufenthaltsrecht erhalten Geflüchtete durch die zuständige Ausländerbehörde auch die Erlaubnis zum Arbeiten. Dieses vorläufige Dokument der Ausländerbehörde und dann später die Aufenthaltserlaubnis müssen mit dem Eintrag „Erwerbstätigkeit erlaubt“ versehen sein. Sie können dann in Deutschland jeder Beschäftigung nachgehen oder auch eine Ausbildung aufnehmen.
Die Ausländerbehörden erlauben entsprechend dem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern und für Heimat bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die Erwerbstätigkeit ausdrücklich. Eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist nicht notwendig. Auch bei einem Jobwechsel brauchen ukrainische Geflüchtete keine neue Aufenthaltserlaubnis.
Jede Branche stellt besondere Anforderungen an eine Gründung, die zu beachten sind. Dabei kann es sich um berufsrechtliche Regelungen, um besondere Genehmigungen oder auch um versicherungsrechtliche Fragen handeln. Werden die Voraussetzungen erfüllt, können Geflüchtete grundsätzlich auch eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung oder Ausbildung bei der örtlichen Ausländerbehörde beantragen.
Geflüchtete können später auch eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Berufsausbildung bei der Ausländerbehörde bei Vorliegen der Voraussetzungen erhalten. Bei der hierzu vorzunehmenden Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit dürfte in der Regel kein geeigneter, bevorrechtigter Bewerber zur Verfügung stehen und dann auch die Zustimmung erteilt werden, da es um die Fortsetzung eines bereits begonnenen Berufsausbildungsverhältnisses geht. So können sie die betriebliche Berufsausbildung abschließen und anschließend die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft bei der Ausländerbehörde beantragen. Ein Wechsel bei Vorliegen aller Erteilungsvoraussetzungen kommt auch schon vor Beantragung eines Titels in Betracht, da es momentan regelmäßig unzumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen.

Der Mindestlohn gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Ausnahmen bestehen nur für Personen unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung sowie für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung. Geflüchtete, die in Deutschland beschäftigt werden, haben auch einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Die Mindestlohnhöhe beträgt derzeit brutto 10,45 Euro. Für die Zeit ab dem 01.10.2022 steigt der Mindestlohn auf 12 Euro. In einigen Branchen gibt es verbindliche Mindestlöhne, die über dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn liegen, etwa in der Pflege und bei der Gebäudereinigung. Auch die verbindlichen Mindestlöhne in den einzelnen Branchen stehen den Flüchtlingen zu.
Die werktägliche Arbeitszeit darf grundsätzlich nicht mehr als acht Stunden betragen. Eine Verlängerung auf bis zu zehn Stunden ist möglich, wenn innerhalb eines halben Jahres im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Ausnahmen sind in bestimmten Branchen per Tarifvertrag oder durch Genehmigung der Arbeitsschutzbehörde möglich.
Bezüglich der Sozialversicherung gibt es bei Geflüchteten aus der Ukraine keine Besonderheiten zu beachten. Wird eine geflüchtete Person beschäftigt, ist zu prüfen, ob die Beschäftigung versicherungspflichtig oder geringfügig ist. Liegt das beitragspflichtige Arbeitsentgelt oberhalb der monatlichen 450-Euro-Grenze, ist die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer bei der zuständigen Einzugsstelle (gesetzliche Krankenkasse) anzumelden. Handelt es sich um eine geringfügige Beschäftigung, erfolgt die Anmeldung zur Minijob-Zentrale.
Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn das regelmäßige Arbeitsentgelt im Monat 450 Euro (ab 01.10.2022: 520 Euro) nicht übersteigt (sogenannter „Minijob“) oder die Beschäftigung von Beginn an auf drei Monate oder 70 Arbeitstage im Jahr begrenzt ist und – soweit das Arbeitsentgelt im Monat 450 Euro übersteigt – keine Berufsmäßigkeit vorliegt (kurzfristige Beschäftigung).
Geringfügig Beschäftigte sind in der gesetzlichen Unfallversicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. In der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung besteht aufgrund der Beschäftigung kein Versicherungsschutz. Minijobber sind grundsätzlich rentenversicherungspflichtig und zahlen Rentenbeiträge in Höhe von 3,6 Prozent des Arbeitsentgelts. Sie können sich auf Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Der Antrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben.
Ulrich Frank, Sozialversicherungsfachwirt und Wirtschaftsjournalist


