Versorgungsordnung : Brauchen Arbeitgeber eine Versorgungsordnung für die betriebliche Altersversorgung?
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) wird leider nicht selten als „lästiges Übel“ empfunden. Oftmals kommt der Impuls, sich diesem Thema so richtig zu widmen, erst von außen. Vertriebsgesteuerte Aussagen, wie zum Beispiel die Notwendigkeit einer schriftlich verfassten Versorgungsordnung, verfestigen sich dann, auch weil Grundlagen fehlen. Dieser Artikel beschreibt die Rechtslage und räumt mit einem Mythos auf.
Bauchgefühl vs. Fakten
„Alle Arbeitgeber brauchen ab August 2022 eine Versorgungsordnung!“ Schon einmal gehört? Und haben Sie deswegen ein komisches Bauchgefühl?
Dieses Bauchgefühl kann aus zwei Gründen entstehen. Erstens, weil Sie sich unsicher sind, ob ein Gesetzgeber überhaupt so tief in die Unternehmensregeln eingreifen darf. Der zweite Grund kann sein, dass so eine Aussage gern bzw. ausgerechnet von der Versicherungsbranche ins Feld geführt wird. Eine Branche, die unmittelbar von der bAV profitieren kann. Klingelt’s?
Was sagt denn die Faktenlage beziehungsweise die Regulatorik dazu?
Wie so häufig hilft ein Blick in die gesetzlichen Grundlagen. Eine wertvolle Informationsquelle ist und bleibt das Betriebsrentengesetz, welches 1972 als reines Arbeitnehmerschutzgesetz installiert wurde und seitdem regelmäßig nachjustiert wurde und wird. Ebenfalls sind ggf. einschlägige Urteile hinzuzuziehen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat als höchste Instanz für die bAV immer wieder einige Streitfragen eindeutig geklärt.
Im Betriebsrentengesetz findet sich seit Januar 2018 unter der Überschrift „Auskunftspflichten“ eine klare Aussage darüber, welche Auskünfte ein Arbeitnehmer über die bAV von seinem Arbeitgeber anfordern darf. Insbesondere:
- ob und wie eine Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung erworben werden kann,
- wie hoch aktuelle und zukünftige Ansprüche sind, welche Auswirkungen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Ansprüche jetzt und zukünftig hat,
- Informationen zur Anwartschaftshöhe auch nach Austritt, zum Übertragungswert sowie zu den Leistungen bei einer Invaliditäts- oder Hinterbliebenenleistung.
Dort steht sogar, dass eine verständliche, in Textform verfasste Auskunft in einer angemessenen Frist erteilt werden muss. So weit, so gut. Speziellere Formvorschriften gibt es nicht.
Formvorschriften?
Speziellere Formvorschriften finden wir aber woanders, nämlich in dem altbekannten, aber doch wenig beachteten Nachweisgesetz.
Das Nachweisgesetz verlangt, die wesentlichen Regelungen eines Arbeitsvertrags schriftlich niederzulegen, um so eine Beweisführung in Streitfällen zu erleichtern.
Aktualität erlangt das Gesetz durch eine Änderung, die zum 01.08.2022 in Kraft getreten ist. Ab diesem Zeitpunkt gilt explizit die Schriftform, was bedeutet, dass ein Blatt Papier bedruckt bzw. beschrieben werden muss und Unterschriften mit Tinte anzubringen sind. Außerdem muss diese Niederschrift an die Beschäftigten ausgehändigt werden. Die Schnittstelle zur bAV findet sich unter „andere Bestandteile des Arbeitsentgelts“, die ab sofort getrennt anzugeben sind.
Weitere Anforderungen in Bezug auf eine Niederschrift sind definiert: Eine Niederschrift hat zu erfolgen, „wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt“. Dann müssen „der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers“ genannt sein. „Die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist.“ Pensionskassen, Direktversicherung und Pensionsfonds fallen dadurch nicht unter die genannte Regelung, Unterstützungskassen aber schon.
Viel Zeit für die Übermittlung der geforderten Information bleibt nicht, da das Gesetz nur eine Frist von einem Monat nach Einstellung einräumt.
Wird diese Form missachtet und von jemandem gemeldet, drohen Bußgelder bis zu 2.000 Euro pro Fall.

Was muss ein Arbeitgeber nicht tun?
Wenn ein Betriebsrat installiert ist oder die bAV in einem Tarifvertrag geregelt ist, können die erweiterten Informationspflichten durch einen Hinweis auf entsprechende Regelungen unterbleiben.
Seine Belegschaft proaktiv auf die Möglichkeiten der Entgeltumwandlung hinzuweisen, ist keine Pflicht. Das BAG hat sich bereits mehrfach mit dieser Frage beschäftigt und negiert regelmäßig eine solche Aufklärungspflicht. Die 2018 eingeführte Zuschusspflicht ändert daran nichts. Kein Beschäftigter muss sich schriftlich gegen etwas entscheiden.
Hier stirbt also ein Mythos aufgrund eindeutiger Urteile!
Wie beschrieben, bewegen sich Arbeitgeber in der bAV sowohl in klaren Rechtsbereichen als auch in interpretationsfähigen Regelungen. Sie sollten die allgemeinen Spielregeln kennen und die eigene Umsetzung mit klaren Prozessen begleiten.
Fassen wir zusammen und prüfen, was ein Arbeitgeber in Sachen bAV tun muss:
- auf Verlangen eines Beschäftigten Auskunft über bestimmte Regelungen zur bAV geben,
- Neueintritten innerhalb von einem Monat mitteilen, wenn es eine arbeitgeberfinanzierte bAV gibt und bei einer Unterstützungskasse auch den Namen und die Anschrift des Versorgungsträgers mitteilen,
- Schriftform einhalten,
- sehr kurze Fristen beachten.
Fazit
Eine schriftlich verfasste Versorgungsordnung kann gute Dienste leisten und über die geforderten Informationen Auskunft geben. Sie erleichtert auch die interne Kommunikation und erhöht die Arbeitgeberattraktivität durch Klarheit. Dass sie somit ein sehr wichtiges Instrument zur Unterstützung der komplexen bAV-Thematik sein kann, ist offensichtlich. Gute Berater spielen ihre Kompetenz dadurch aus, dass sie Arbeitgeber unterstützen und sinnvolle Hilfsmittel wie die Versorgungsordnung nutzen. Wenn dadurch Arbeitgeber die bAV strategisch als attraktives Instrument zur Reduzierung der Altersarmut einsetzen, wird es von den Beschäftigten wertgeschätzt. Eine damit einhergehende Arbeitgeberattraktivität liegt auf der Hand. Das Spielen mit der Angst vor Fehlern und den Aufbau einer Drohkulisse hat die bAV nicht verdient.
Martin Stolzenburg, „Mister bAV®“