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Experten antworten 5/2022

Lesezeit 4 Min.

Frage: 9-Euro-Ticket

Müssen wir den Arbeitgeber-Zuschuss an die Arbeitnehmer zu den Aufwendungen für Tickets für öffentliche Verkehrsmittel aufgrund des 9-Euro-Tickets in den Monaten Juni, Juli und August anteilig versteuern?

Nach § 3 Nr. 15 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Zuschüsse des Arbeitgebers, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Tickets für öffentliche Verkehrsmitteln gewährt werden, steuerfrei. Die Steuerfreiheit ist allerdings auf die Höhe der Aufwendungen des Arbeitnehmers beschränkt.

Laut BMF-Schreiben vom 30.06.2022 wird für die Monate Juni, Juli und August aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, wenn Zuschüsse des Arbeitgebers die Aufwendungen des Arbeitnehmers übersteigen, soweit die Zuschüsse die Aufwendungen im Kalenderjahr 2022 insgesamt nicht übersteigen.

Beispiele:

  1. Das Ticket kostet monatlich 62 Euro. Der Arbeitgeberzuschuss beträgt 30 Euro. Der Arbeitnehmer zahlt im Juni, Juli und August jeweils nur 9 Euro.

Jahresbetrachtung:

Gesamtaufwand des Arbeitnehmers im Jahr 2022 = 585 Euro

Arbeitgeber-Zuschuss im Jahr 2022 = 360 Euro

Ergebnis:

Der Arbeitgeber-Zuschuss übersteigt nicht die Aufwendungen des Arbeitnehmers und muss nicht angepasst werden.

  1. Das Ticket kostet monatlich 62 Euro. Der Arbeitgeberzuschuss beträgt 50 Euro. Der Arbeitnehmer zahlt im Juni, Juli und August jeweils nur 9 Euro.

Jahresbetrachtung:

Gesamtaufwand des Arbeitnehmers im Jahr 2022 = 585 Euro

Arbeitgeber-Zuschuss im Jahr 2022 = 600 Euro

Ergebnis:

Der Arbeitgeber-Zuschuss übersteigt die Aufwendungen des Arbeitnehmers. Der Differenzbetrag von 15 Euro ist steuerpflichtiger Arbeitslohn.

Frage: Erhöhung Mindestlohn

Reicht es bei einem geringfügig entlohnten Arbeitnehmer aus, wenn wir bei einer Erhöhung des Mindestlohns in der Abrechnung die Stundenzahl entsprechend reduzieren, damit wir nicht über die Entgeltgrenze kommen?

Eine Änderung der Stundenzahl in der Abrechnung allein reicht nicht aus. Es muss zusätzlich auch eine vertragliche Änderung erfolgen. Im Arbeitsvertrag müssen die Stunden angepasst werden.

Ohne vertragliche Anpassung würde die Sozialversicherung den entsprechenden Betrag als Fiktivlohn ansehen, der dann der Beitragspflicht unterliegen würde. In Abhängigkeit von der Höhe des Arbeitslohns kann das dazu führen, dass bei Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze keine geringfügig entlohnte Beschäftigung mehr vorliegen würde.

Frage: Steuerentlastungsgesetz 2022 – Energiepreispauschale

Wenn wir als Arbeitgeber im September die Energiepreispauschale an unsere Arbeitnehmer auszahlen, bekommen wir diese über die Lohnsteuer-Anmeldung August erstattet. Wie wird das aus Arbeitgebersicht in der Praxis ablaufen?

Sofern die Voraussetzungen für die Auszahlung der Energiepreispauschale (EPP) über den Arbeitgeber an die Arbeitnehmer erfüllt sind, zahlen die Arbeitgeber die EPP i. d. R. im September 2022 an ihre Arbeitnehmer aus (steuerpflichtiger sonstiger Bezug, sozialversicherungsfrei).

Damit die Arbeitgeber mit der EPP nicht in Vorleistung gehen müssen, können sie die EPP vom Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer entnehmen, die bei monatlicher Lohnsteuer-Anmeldung bis zum 12.09.2022 (der 10.09. ist ein Samstag) anzumelden und abzuführen ist (Lohnsteuer-Anmeldung August). Die Lohnsteuer wird um die auszuzahlende EPP gekürzt. Die EPP kann vom Arbeitgeber nur in der Lohnsteuer-Anmeldung August mit der abzuführenden Lohnsteuer verrechnet werden.

In der Praxis bedeutet dies, dass der Arbeitgeber bereits bei der August-Abrechnung (Lohnsteuer-Anmeldung August) die Anzahl der Arbeitnehmer wissen/schätzen muss, an die die EPP auszuzahlen ist – was sozusagen einen Blick in die Glaskugel bedeutet.

Anspruch auf die EPP haben folgende Arbeitnehmer*innen:

  • unbeschränkte Steuerpflicht,
  • erstes Dienstverhältnis am 01.09.2022,
  • in der Steuerklasse I bis V oder geringfügig entlohnte Beschäftigung nach § 40a Abs. 2 EStG mit Pauschalversteuerung und schriftlicher Bestätigung gegenüber dem Arbeitgeber, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt. Wenngleich die Softwareprogramme in den Standardfällen (Arbeitnehmer mit Steuerklasse I bis V) höchstwahrscheinlich mit entsprechenden neuen Lohnarten unterstützen werden, kommt auf die Arbeitgeber mit der EPP auf jeden Fall ein zusätzlicher nicht zu unterschätzender Arbeitsaufwand zu. In einigen Fällen benötigt der Arbeitgeber auch zusätzliche Informationen/Nachweise von den Arbeitnehmern.

Dies betrifft z. B. folgende Fälle:

  • An pauschalversteuerte Minijobber darf der Arbeitgeber die EPP nur auszahlen, wenn ihm die schriftliche Bestätigung des Arbeitnehmers vorliegt, dass es sich dabei um das erste Dienstverhältnis handelt. Diese Bestätigung müssen die Arbeitgeber von den Arbeitnehmern rechtzeitig einfordern und zum Lohnkonto nehmen.
  • Bezieht der Arbeitnehmer Lohnersatzleistungen (z. B. Krankengeld, Elterngeld, Kurzarbeitergeld), hat der Arbeitgeber ebenfalls die EPP an die Arbeitnehmer auszuzahlen. Bei Arbeitnehmern in Elternzeit kommt es darauf an, dass sie 2022 auch Elterngeld beziehen. Den Bezug von Elterngeld hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nachzuweisen.

Bei sehr wahrscheinlichen nachträglichen Änderungen (EPP wurde zu Unrecht vom Arbeitgeber ausgezahlt bzw. EPP muss nachträglich ausgezahlt werden) muss

  1. die Lohnsteuer-Anmeldung August korrigiert werden und
  2. eine bereits an den Arbeitnehmer ausgezahlte EPP zurückgefordert und der Lohnsteuerabzug korrigiert bzw. die EPP an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden.

Mögliche Fallgestaltungen sind u. a.:

  • Neueinstellung eines Arbeitnehmers zum 01.09.2022, was der Abrechnungsstelle erst nachträglich mitgeteilt wird,
  • Austritt eines Arbeitnehmers bis einschließlich 01.09.2022, was der Abrechnungsstelle erst nachträglich mitgeteilt wird,
  • rückwirkende Meldung der Elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) mit Steuerklasse VI, gültig am 01.09.2022 (ELStAM-Änderungsliste),
  • pauschalversteuerter Minijobber, von dem die schriftliche Bestätigung über das erste Dienstverhältnis nicht vorgelegt wurde.
Alga
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Sabine Törppe-Scholand
Leiterin der alga-Akademie und
Mitglied des alga-Competence-Centers

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