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Erfahrungsberichte : Vereinbarkeit als Wettbewerbsvorteil

Seit 2021 bietet die Industrie und Handelskammer (IHK) Köln in Kooperation mit smart worq den Zertifikatslehrgang Vereinbarkeits Manager/in (IHK) an. Die Erfahrungen der ersten Absolvent/innen zeigen, dass es dabei um weit mehr als berufstätige Eltern geht.

Lesezeit 4 Min.

Ein werdender Vater möchte ein Jahr in Elternzeit gehen und verabredet dazu ein Gespräch mit seiner Vorgesetzten. Eine Mitarbeiterin möchte für die Pflege ihrer Mutter an einen anderen Standort wechseln und will das mit ihrem Vorgesetzten besprechen. Eine erwünschte Führungskraft spricht im Bewerbungsgespräch an, dass es ihr wichtig ist, weiterhin eine aktive Position in ihrem Ehrenamt zu übernehmen, und möchte dies mit der neuen Tätigkeit vereinbaren.

Typografie-Overlay mit Work-Life-Balance-Konzepten auf Deutsch, mit Wörtern wie „Karriere“, „Familienleben“, „Urlaub“ und
Vereinbarkeit

Wenn all diese Gespräche dann stattfinden, sitzen sich Menschen mit scheinbar konträren Ansprüchen gegenüber: der Wunsch nach mehr Freizeit auf der einen Seite, der Wunsch nach zuverlässiger Arbeitsleistung auf der anderen. Der Hauptgrund, warum die beschriebenen Gespräche in Konflikten kulminieren können, ist, dass beide Seiten von der anderen die nötigen Planungen und Umsetzungen zur Erfüllung ihrer Ansprüche erwarten.

Während sämtliche Aufgaben in Unternehmen klar strukturiert und nach Kompetenzen unter der Belegschaft aufgeteilt werden, ist die Ansprechperson für die Fälle, in denen es um die Vereinbarkeit unterschiedlicher Bedürfnisse auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite geht, ungeklärt.

  • Der werdende Vater erwartet von seinem Vorgesetzten, in der Vorbereitung für seine Elternzeit, der Suche nach einer adäquaten Vertretungslösung und bei seinem Wiedereinstieg begleitet zu werden.
  • Die Mitarbeiterin, die ihre Mutter pflegt, wünscht sich ein flexibles Arbeitsmodell, um zeit- und ortsunabhängig tätig zu sein.
  • Die Bewerberin mit Ehrenamtsaufgaben benötigt Unterstützung bei der Konzeption einer passenden Lösung für ihre Wünsche.

Wie sehen die Konzepte, Pläne und Strategien im Unternehmen für diese Situationen aus? Und viel wichtiger: Wer ist für die Konzeption, Moderation und Erfolgsmessung dieser Maßnahmen verantwortlich?

Mit dem Zertifikatslehrgang Vereinbarkeits Manager/in (IHK) unterstützt die IHK Köln Unternehmen bei den Antworten auf diese Fragen. Im Zertifikatslehrgang werden seit April 2021 Vereinbarkeits Manager/innen ausgebildet, die in Unternehmen zusätzlich zu ihren bisherigen Tätigkeiten diese Rolle übernehmen, sowie externe Berater/innen, die bei Bedarf hinzugezogen werden können. Im Lehrgang erlernen die Teilnehmer/innen Kompetenzen zur Gestaltung individueller Arbeitsmodelle, rechtliche Rahmenbedingungen im Hinblick auf Familienfreundlichkeit und Elternschaft, Coaching und Kommunikations-Know-how und die Fähigkeit, branchenspezifische Vereinbarkeitskonzepte und -pläne zu erstellen.

Julia Heile ist eine der ersten Absolventinnen des Lehrgangs. Sie arbeitet als Führungskraft in einem Medienkonzern und ist zusätzlich als selbstständige Beraterin für Mütter tätig.

„Ich habe die Weiterbildung gemacht, um in meiner Selbstständigkeit Mütter kompetent zur Vereinbarkeit zu beraten. Doch ich konnte so viel aus dem Lehrgang herausziehen, dass ich das nun auch in meinen Betrieb trage. Denn in meinem Unternehmen wird in den Führungsetagen ebenfalls immer klarer: Bei Vereinbarkeit geht es nicht darum, den Müttern etwas recht zu machen, sondern es betrifft alle im Unternehmen und die Art und Weise, wie gearbeitet wird.“

Das von ihr im Lehrgang als Abschlussarbeit erstellte Vereinbarkeitskonzept bietet eine Strategie an, um das Unternehmen für Fachkräfte zwischen 30 und 50 Jahren attraktiver zu machen. Nach der ersten Vorstellung des Konzepts befindet sich Frau Heile inzwischen in der Umsetzung.

Angelika Reiser ist selbstständiger Coach sowohl für Mütter als auch für Unternehmen. Im Zertifikatslehrgang erstellte sie ein Konzept für ein Technologieunternehmen mit 145 Mitarbeiter/innen an mehreren Standorten, für das sie beratend tätig ist, und stellte bei der Konzeption die Senkung der Langzeitkrankenquote und die Verbesserung des internen Informationsaustausches ins Zentrum. Dazu förderte sie Maßnahmen zum Teamwork und machte Role Models im Unternehmen sichtbar.

Ein Berufstätiger, wahrscheinlich ein Vater, hält Händchen mit einem kleinen Kind und steht vor einem Hintergrund aus Worten, die sich auf die Work-Life-Balance und das Personalmanagement beziehen und die Herausforderung symbolisieren, Karriere und familiäre Verpflichtungen zu bewältigen.
Vereinbarkeit 2

Mitarbeiter/innen, die gern in ihrem Team arbeiten und auch darüber hinaus übergreifend mit anderen Teams harmonieren, bilden die Basis für Vereinbarkeit. Der Austausch untereinander ist essentiell. Denn nur so können wir von den Erfahrungen, die wir alle bereits gemacht haben, profitieren. Was bei mir bisher gut funktioniert hat, kann auch für dich eine mögliche Lösung sein. Auch die Tatsache, zu wissen, man ist nicht allein mit seinen Themen, hilft ungemein. Zufriedene und diverse Teams sollten das Idealbild eines jeden Unternehmens sein“, erklärt Angelika Reiser.

Im laufenden Betrieb darauf zu reagieren, wenn die Produktivität der Mitarbeiter/innen aufgrund von Vereinbarkeitsproblematiken abfällt, ist schwer möglich, wenn keine Abläufe, Konzepte und Erfahrungen zum Thema Vereinbarkeit vorhanden sind.

Im Zertifikatslehrgang schult die IHK Köln in Kooperation mit smart worq nicht nur strategische und konzeptionelle Kompetenzen, sondern auch Maßnahmen zur Sensibilisierung und Etablierung einer gesunden Unternehmenskultur. So finden sich im Lehrgang sowohl Personen, die als externe Berater/innen ausschließlich für das Thema Vereinbarkeit in Unternehmen zum Einsatz kommen, als auch Mitarbeiter/innen aus unterschiedlichsten Abteilungen und Bereichen, die ihr Bewusstsein für Vereinbarkeitskonzepte und die Kommunikation in die tägliche Arbeit einfließen lassen wollen.

„Vereinbarkeit ist für mich die individuelle Lösung, meine persönlichen Wünsche und Bedürfnisse mit den Anforderungen meines Berufslebens so in Einklang zu bringen, dass für alle Seiten eine Win-win-Situation entsteht“, erklärt Angelika Reiser und stellt fest, dass es bei Vereinbarkeit längst nicht nur um berufstätige Eltern geht, sondern dass sie einen wirtschaftlichen Wettbewerbsvorteil darstellt: „Auf der Seite der Arbeitgeber/innen liegt der ,Win‘ dann vor allem bei zufriedenen, extrem motivierten, gesunden und leistungsfähigen Mitarbeiter/innen, die sich in ihrem Unternehmen gesehen, wohl- und wertgeschätzt fühlen. Dies führt unausweichlich zu einer Renditesteigerung und einem absoluten Wettbewerbsvorteil gerade im ,War for Talents‘.“

Stapel bunter Blöcke mit deutschen Wörtern, die sich mit „Gemeinschaft“, „Personalmanagement“ und „Familie“ übersetzen lassen und die Bausteine des gesellschaftlichen Lebens symbolisieren.
Vereinbarkeit 3

Juliane Schreiber,
smart worq

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