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Betriebliches Gesundheitswesen : „Challenge mit Grips und Fun“

Die richtige Ernährung und ausreichend Sport sind die Grundpfeiler der Gesundheit – das bleibt unbestritten. Diese beiden Komponenten in den Alltag und vor allem ins Berufsleben zu integrieren, ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen für sehr viele Arbeitnehmer. Hier besteht ein enormes Potenzial für Unternehmen, um die Volkskrankheit Nr. 2 („Rücken“) und den größten Verursacher der Fehlzeiten hierzulande, nämlich Krankschreibungen aufgrund von Depressionen, positiv zu beeinflussen.

Lesezeit 9 Min.

Handlungsbedarf besteht vor allem bei denen, die man eben am dringendsten erreichen müsste aus Sicht der betrieblichen Gesundheitsförderung – sogar ein in der Theorie breites Angebot kann da eher wirkungslos verpuffen. Denn es sollte sich vor allem nicht vorwiegend an die richten, die ohnehin schon etwas für sich tun, sondern wirkungsvoll an diejenigen, die dabei auch Hindernisse und Hemmschwellen abbauen müssen.

Der Fachkräftemangel erfordert es, einen noch wesentlich größeren Fokus auf das Thema Prävention zu legen, um die steigenden Ausfallzeiten des Bestandspersonals zu vermeiden oder zumindest zu verringern. Selbst, wenn immerhin das Bewusstsein der jeweiligen Gefährdeten oder Betroffenen und vielleicht sogar schon die konkrete Not da ist beim jeweiligen Mitarbeiter, gilt es, viel mehr als nur die rein theoretische Voraussetzungen für eine regelmäßige Inanspruchnahme von Vorsorgemaßnahmen und eine echte Umstellung der Verhaltensweisen zu schaffen. Das wesentlich umfassendere, in die gesamte Unternehmenskultur eingebrachte gesunde Mindset kann zudem zu einem sehr großen Plus-Faktor im Recruiting werden aufgrund der höheren Gesamtattraktivität des Unternehmens.

Zum echten Erfolg kann das alles werden, wenn man mit Cleverness und Spaß an die Sache herangeht. Wie also werden Führung und Personalverantwortliche zu echten Motivatoren und effektiven „Gamechangern“ in dieser immer wichtig werdenden Challenge?

Sport

Nicht jeder traut sich oder kann es sich leisten, im Homeoffice oder in der Firma bei der Arbeit (sogar im Online-Meeting) die Laufmatte oder sein Ergometer „nebenbei zu bespaßen“, wie sich manche in Social Media damit brüsten. Zu viele verwechseln Gesundheitssport immer noch mit Fitness bzw. Leistungssport. Mit dem Gießkannenprinzip ist es wie überall, man richtet sich an viele und erreicht zu wenige. Was die Einrichtung und Ausstattung für Verpflegung betrifft, ist das „Soll“ sicher nicht erfüllt, wenn man lediglich die Zentrale zum „Vorzeigeobjekt“ macht, die dann schön die Website und Postings ziert – schließlich sollte es jedem gleich (gut) gehen. Deshalb darf das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) dieser Herausforderung als Challenge für sich selbst annehmen! Das (langfristige) Ziel sollte es sein, Bewegung für die Mitarbeiter vermehrt in die eigene Lebensführung zu integrieren, um den allgemeinen Gesundheitszustand zu erhalten oder zu verbessern.

Firmen-Fun für alle?

Klingt „cool“, richtet sich aber doch eher an die schon Fitteren: Firmenläufe (mit und für die Außenwirkung), zur Verfügung gestellte Fitnesswatches, die messen, wer die größte Strecke mit dem Rad zur Arbeit zurückgelegt hat, Gemeinschaftsyoga während der Arbeitszeit etc. Wichtige Fragen sind:

  • Warum und für wen, der sich selbst (noch) zu den Gesunden zählt, kann im derzeitigen Angebot und in der institutionalisierten Eventkonzeption schon ein kontraproduktives Frustrations- und Ausgrenzungspotenzial und -gefühl vorprogrammiert sein?
  • Wie kann sich das Angebot ändern oder sinnvoll erweitert werden, um tatsächlich mehr Mitarbeiter zu erreichen und nicht weniger ein Proforma-Soll im Attraktivitäts-Marketing des Employer Brandings zu bedienen? Wer nimmt sich der Sache vielleicht gezielt direkter an und begleitet manche Mitarbeiter dabei auch so persönlich wie möglich – vor allem, wenn von der Gesundheit geboten, dringend nötig?
  • Wie motiviert man künftig deutlich mehr Mitarbeiter, die man sonst nie direkt erreicht hat? Und welche Wege gäbe es, um bestehende Wünsche vielleicht sogar in das vorhandene Angebot oder die künftigen Pläne zu integrieren?
Challenge mit Grips und Fun
Challenge mit Grips und Fun

Alles ganz easy?

Ein paar Gesundheitstage und Workshops im Jahr, (verordnete) E-Learnings und ein paar Newsletter in schöner Regelmäßigkeit für Sport und Ernährung. Obendrauf noch das Benefit-Angebot Gym-Flatrate inklusive.

Aber ist damit das „Soll“ wirklich erfüllt, um echte Erfolge zu erzielen? Ab und an ein Vortrag und ein höhenverstellbarer Tisch (den es erst bei Skoliose gibt) machen leider noch nicht automatisch einen gesunden Rücken. Um das oberste Ziel der größtmöglichen Gesundheit zu erreichen, sollten folgende Aspekte in den Fokus gerückt werden:

  • Wie schafft man am effektivsten und nachhaltigsten den Weg von der Theorie zur Praxis? Und lassen das tatsächliche unternehmerische Arbeitszeitmanagement und die persönliche Situation eine adäquate und effiziente Nutzung überhaupt zu?
  • Auf welche Weise können Unternehmen ihre Mitarbeiter ganz konkret unterstützen, wenn es darum geht, sporttechnisch die gewünschten Gesundheitseffekte zu erzielen, sodass diese vielleicht sogar Freude „über das Sollen“ hinaus daran haben?
  • Gibt es von Unternehmensseite zusätzliche Möglichkeiten, die dazu beizutragen, dass die Mitarbeitenden zusätzlich vielleicht sogar noch richtigen – bisher nicht dagewesenen – Ehrgeiz entwickeln in Form von weiteren Anreizen oder kleinen „Belohnungen“?

Fit forever?

Mehr Sport zu machen, gehört bei den meisten quasi „immer“ zu den Top-Vorsätzen für das neue Jahr. Die Gefahr, dass die geweckten Sportambitionen immer wieder schnell im Sande verlaufen, ist groß. Und da lauert ja permanent in den meisten Fällen viel zu oft weiterhin der innere Schweinehund, den es ebenso zu trainieren gilt. Es ist kein Geheimnis, dass sowohl Regelmäßigkeit als auch die dauerhafte Fortsetzung eine Grundvoraussetzung für nachhaltige gesundheitliche Effekte sind.

  • Wie kann man zusätzlich dafür sorgen, dass mit Unterstützung des Unternehmens begonnene sportliche Aktivitäten der Mitarbeiter tatsächlich fortgesetzt werden und aus Plänen oder immer wieder aufgenommenen Anläufen ein echter „Umschwung“ oder mehr als ein „neuer Anfang“ wird?
  • Und wie und wo sollte man sich deshalb auch nicht davor scheuen, mal (wieder) ermunternd einzuwirken, ohne eine Art (neuen) Kontrollzwang zu suggerieren?
  • Können zusätzliche Institutionen und betriebsnahe Organe (wie Betriebskrankenkassen) mit einbezogen werden oder wirkungsvolle Motivatoren (von außen) mit ins Boot geholt werden?

Ernährung

Da wir den größten Teil unserer wachen Lebenszeit bei der Arbeit verbringen, bleibt vielen wenig Zeit und Muße, sich um gesunde Mahlzeiten zu kümmern oder die mitzubringende „Vesper“ zu bemühen. Die Folge: morgens schnell ein Brötchen, mittags zum Imbiss oder was auf die Hand und abends ein Gericht, das schnell geht, oder das essen, was es gerade gibt. Hier geraten schon einige grundsätzliche Voraussetzungen für ein gesundes Leben schnell (und dann oft dauerhaft) in Schieflage. Ein cleveres BGM mit Wirkung in den „einfachsten Bereichen“ könnte hier bereits einiges bewirken.

Wherever, whenever?

Essen am Arbeitsplatz ist dazu noch eine Unsitte, die sich hartnäckig hält und die viele für sich auch noch ins Homeoffice mitgenommen haben – bei noch weniger Bewegung. In Präsenz mag nicht jeder ein geselliges Miteinander in der Kantine oder beim Auswärtsessen.

  • Welche Aspekte erfüllen Unternehmenskantinen und die eigenen Mitarbeiterküchen noch zu wenig, abgesehen von erforderlichen Sitzmöglichkeiten (auch draußen, falls möglich)?
  • Wie kümmert man sich – derzeit wirklich schon – adäquat um diejenigen, die zu Hause sitzen?
  • Was sollte und könnte an Ernährungsberatung und Kochkursen angeboten werden, damit neben dem neuen Bewusstsein und dem gelernten Know-how auch eine bleibende Umsetzung und Anwendung stattfindet?

You are welcome!

Um das Thema Essen positiv für sich zu besetzen, werben viele Unternehmen bereits in ihren Jobofferten mit der Bereitstellung von „Trendprodukten“ – seien es Produkte eines angesagtes Müsli-Herstellers oder noch „hipper“ mit Porridge. Man muss bedenken: Was „in“ ist, ist trotz allem nicht automatisch jedermanns Sache. Diese bereits vorgegebene Richtung findet sich viel zu oft noch beim Thema „Kaffee oder Tee“ und dem Standardgetränkeautomat. Zusätzlich muss auch tatsächlich noch die Zeit für Zubereitung und Verzehr von Getränken und Speisen im Arbeitsalltag berücksichtigt werden, die es auch wirklich geben sollte – unter möglichst gleichberechtigten Bedingungen. Aber es gibt durchaus mehr zu bedenken!

  • Warum und wie sollten hier Unternehmen mitwirken, damit Mitarbeiter nicht nur mit Freude zugreifen und gleichzeitig vernünftig versorgt sind, sondern sich zusätzlich positive Ernährungsgewohnheiten entwickeln können?
  • Wo und weshalb würde es besonders Sinn machen, kostenloses Wasser nicht lediglich als eine Art „Benefit“ oder die Erfüllung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten zu sehen?
  • Wann und in welchem Umfang wird es noch wichtiger werden, ausreichend – und gut erreichbare – Kühlmöglichkeiten für (selbst mitgebrachtes) Essen und Getränke zur Verfügung zu stellen?

It’s Partytime?

Durchaus richtig gedacht ist es natürlich ebenso, den Gemeinschaftssinn über das Thema gemeinsames Essen zu fördern. In den vielleicht falschen „Lockangeboten“ der Stellenofferten wirbt man mit dem „Pizzafreitag für alle“ auf Unternehmenskosten oder mit einer Extraauszeit zum „Bergfest“ (zur geschafften Wochenhälfte) mit einem gemeinsamen veganen Waffelbacken. Und hier dürfen ebenso nicht diejenigen vernachlässigt oder vergessen werden, die im Homeoffice schon einer Art „Abnabelung“ vollziehen.

  • Worin liegen (immer noch) die größten Denkfehler – auch aus „Kostengründen“ –, wenn an Essen für alle bzw. viele gedacht wird – inklusive Firmenfeiern?
  • Wie schafft man es, sogar Trendfragen und weit verbreitete Lieblingsgerichte miteinzubeziehen, ohne einfach immer wieder nur recht einfallslos den BBQ-Grill, den Eiswagen, den Glühweinstand (etc.) zur „ungesunden Freude aller“ für die Jahresevents zu buchen?
  • Wo sollten grundsätzlich keinesfalls bereits falsche Signale „von oben“ gesendet werden, wenn es um Ernährung rund um die Arbeitszeit geht?

Dr. Silvija Franjic, Redakteurin, Recruiting-Spezialistin

 

Abschlussmotivation der Autorin

Die Challenge bei der betrieblichen Gesundheitsfürsorge ist und bleibt also der echte Anreiz und das maximale Maß an Fürsorge – mit Augenhöhe, Cleverness und dem Gefühl einer echten Freude des Mitarbeiters über die Aktionen und Zuwendungen. Immer mehr Menschen wünschen sich Spaß bei der Arbeit. Liegt aber nicht ohnehin eine intrinsische Motivation vor, wird es für viele Tätigkeitbereiche nach wie vor schwierig, hier den maximalen FunFaktor in die Profilanforderungen der Arbeit hineinzubringen. Ein guter Grund und eine naheliegende sich bietende Gelegenheit, nach weiteren Stellschrauben zu schauen, wie etwa durch ein frisches und ansprechendes betriebliches Gesundheitsmanagement.

Für einige ist der Gedanke an Benefits nämlich nicht etwas, das sich einfach „nur“ in einem (Gut-)Scheinchen ausdrücken lässt oder muss, sondern etwas, das etwas für einen persönlich tut. Und das macht man in einem besonderen Maße, wenn man sich (wirklich und unmittelbar) um die Gesundheit – mittels Sport- und Ernährungsangeboten – kümmert, mit tollen und echt erfrischenden Angeboten. Natürlich hat nicht jeder die Mittel und Möglichkeiten, in dieser Sache ein „Riesenfeuerwerk zu starten“ – das sollte aber niemals als „Ausrede“ dazu benutzt werden, auch nicht dafür, wann man anstatt dessen nicht sehr clever beginnt, am „falschen Ende“ zu sparen.

Außerdem sollte man bei einer sonst eher spendablen Haltung im „War for Talents“ stets im Hinterkopf haben, dass eben nicht jeder potenzielle künftige Leistungsträger auch automatisch fröhlich mit den Kollegen im Kanu (um die Wette) paddeln möchte. Augenmaß und Weitblick sind natürlich auch hier stets geboten. Der Gedanke an (vernünftige) Ess- und Trinkgewohnheiten darf deshalb durchaus ein schöner Teil des Onboardings werden, wodurch der neue Kollege direkt als Begrüßung schon einmal mit seinen ganz eigenen Wünschen abgeholt wird.

Wer dies alles bei den Themen Sport und Ernährung erfolgreich, positiv und mit möglichst viel Leichtigkeit und als angenehmes Erlebnis für seine Mitarbeiter umsetzt, stärkt gleichzeitig auf eine nachhaltige Weise die Mitarbeiterbindung. Denn er holt etwas sehr Wichtiges nicht nur in den Arbeitsalltag, sondern in das Leben des Mitarbeiters generell – was für viele sonst immer nur ein frommer Vorsatz oder ein entferntes Ziel bleibt. Noch mehr Motivation gefällig? Dann am besten gleich ran an die neuen Konzepte für betriebliche Gesundheitsfürsorge mit Grips und Fun!

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