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Massenentlassungsanzeige — Zugang der Kündigungserklärung
§17 Abs. 1 KSchG verpflichtet den Arbeitgeber dazu, die Anzeige vor der beabsichtigten Entlassung, das heißt der Kündigungserklärung, zu erstatten. Die Kündigung kann daher erst dann wirksam erklärt werden, wenn die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit bereits erfolgt ist. Andernfalls ist die Kündigung nach § 134 BGB nichtig.
Im Rahmen des Anzeigeverfahrens des Abs. 1 hat die Anzeige zu erfolgen, bevor der Arbeitgeber „entlässt“. Entlassen, d. h. eine Kündigung erklären, kann der Arbeitgeber aber nur, wenn der Adressat der Kündigungserklärung zuvor feststeht. Das korrespondiert mit der Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 4 und Satz 5 KSchG. Die dort geforderten Angaben, insbesondere zu Zahl, Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit sowie Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, können sinnvoll nur erfolgen, wenn die betroffenen Arbeitnehmer feststehen, das bedeutet, wenn sich der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers auf bestimmte Arbeitnehmer konkretisiert hat. Anderenfalls liefe die Anzeigepflicht auf eine gesetzlich nicht zulässige bloße Vorratsanzeige hinaus. Demgegenüber spricht das Gesetz bei dem in Abs. 2 geregelten Konsultationsverfahren davon, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat bereits dann zu konsultieren hat, wenn er „beabsichtigt“, anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen. In diesem Stadium des Verfahrens gedenkt der Arbeitgeber, eine Massenentlassung durchzuführen, ohne dass sich diese schon bis ins Detail konkretisiert hat.
Auch der Sinn und Zweck des Anzeige- und Konsultationsverfahrens bestätigen, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Eingangs der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit zur Kündigung entschlossen sein muss.
Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist das Konsultationsverfahren vorzunehmen, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen. Es reicht die erkennbare Absicht, Arbeitsverhältnisse in einem anzeigepflichtigen Ausmaß beenden zu wollen. Dies entspricht der zugrunde liegenden Bestimmung des Art. 2 der Richtlinie 98/59/ EG (MERL). Hiernach entsteht die Konsultationspflicht, wenn der Arbeitgeber erwägt, Massenentlassungen vorzunehmen, oder einen Plan für Massenentlassungen aufstellt. Das Konsultationsverfahren soll dem Betriebsrat ermöglichen, konstruktive Vorschläge unterbreiten zu können, um die Massenentlassung zu verhindern oder jedenfalls zu beschränken bzw. die Folgen einer Massenentlassung durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern.
Das Anzeigeverfahren dient dagegen vornehmlich beschäftigungspolitischen Zwecken. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung unterrichtet werden, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. Sie soll für eine anderweitige Beschäftigung der Betroffenen sorgen. Das setzt voraus, dass bereits feststeht, wie viele und welche Arbeitnehmer konkret entlassen werden sollen. Auf den Willensentschluss des Arbeitgebers zur Kündigung kann, soll und will die Agentur für Arbeit — anders als der Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens — keinen Einfluss mehr nehmen. Ihr Tätigwerden knüpft vielmehr an einen solchen Willensentschluss an.
Der Zweck der Anzeige besteht darin, es der zuständigen Behörde zu ermöglichen, innerhalb der Frist des Art. 4 Abs. 1 MERL (Entlassungssperre), die grundsätzlich 30 Tage beträgt, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen. Das bedingt jedoch, dass die Kündigung im Zeitpunkt der Erstattung der Anzeige auf den einzelnen Arbeitnehmer heruntergebrochen, die Entscheidung, wie viele und welche Arbeitnehmer zu entlassen sind, also bereits gefallen ist. Nur dann kann die Agentur für Arbeit ihrer Aufgabe nachkommen, Lösungen für die konkret entlassenen Arbeitnehmer zu suchen, und nur dann kann das Anzeigeverfahren seinen Zweck erfüllen.

Der Anzeigepflicht ist also nachzukommen, bevor der Arbeitgeber durch den Ausspruch der Kündigung seiner Entscheidung, das Arbeitsverhältnis zu beenden, Ausdruck gegeben hat, nicht aber, bevor der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss abschließend gefasst hat. Interne Willensbildungsprozesse spielen insoweit keine Rolle.
Kündigungen in Massenentlassungsverfahren sind daher – vorbehaltlich der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen — wirksam, wenn die ordnungsgemäße Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingeht, bevor dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen ist.
(BAG, Urteil vom 13.06.2019 — 6 AZR 459/18)
Versetzung — Ersetzung der Zustimmung
Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die die Dauer von voraussichtlich einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. „Arbeitsbereich“ sind die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Der Begriff ist räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs handelt es sich, wenn sich das gesamte Bild der Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters nunmehr als eine „andere“ anzusehen ist. Keine zustimmungspflichtige Versetzung liegt dagegen vor, wenn dem Arbeitnehmer nur sein bisheriger Arbeitsbereich entzogen und kein neuer zugewiesen wird. Bestimmt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht zu einer anderen Tätigkeit, ist für eine Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG kein Raum.
Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen (§ 99 Abs. 4 BetrVG). Voraussetzung für die gerichtliche Zustimmungsersetzung ist die ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber. Nur diese setzt die Frist für die Zustimmungsverweigerung in Lauf. Dazu hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG über die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen ausreichend zu unterrichten. Der Betriebsrat muss aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. Die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird grundsätzlich auch dann nicht in Lauf gesetzt, wenn der Betriebsrat es unterlässt, den Arbeitgeber auf die offenkundige Unvollständigkeit der Unterrichtung hinzuweisen. Das gilt auch, wenn der Betriebsrat zum Zustimmungsersuchen in der Sache Stellung nimmt und seine Zustimmung mit Bezug auf Gründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG verweigert. Durfte der Arbeitgeber allerdings davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, kann es Sache des Betriebsrats sein, innerhalb der Frist um Vervollständigung der Auskünfte zu bitten.
(BAG, Beschluss vom 09.04.2019 — 1 ABR 25/17)
Außerordentliche Kündigung — Anhörung des Arbeitnehmers
Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich. Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter. Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Der Kündigungsberechtigte, der zunächst nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts und der Beweismittel verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden. Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden. Sind die Ermittlungen abgeschlossen und hat der Kündigungsberechtigte eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist. Unbeachtlich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren.
Eine schlichte Untätigkeit des Arbeitgebers reicht grundsätzlich nicht aus, um den Beginn des Laufs der Kündigungserklärungsfrist zu verhindern, selbst wenn in einer kollektivrechtlichen Regelung die Möglichkeit einer vertraulichen Kontaktaufnahme von Beschäftigten, die sich einer unerwünschten, belästigenden oder diskriminierenden Situation ausgesetzt sehen, auch mit kündigungsberechtigten Mitarbeitern vorgesehen ist. Der Arbeitgeber, der sich die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung erhalten will, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Falls und des in § 626 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Eilbedürfnisses bei der Vereinbarung einer Vertraulichkeit betreffenden Mitteilungen von Arbeitnehmern gegenüber kündigungsberechtigten Mitarbeitern grundsätzlich eine angemessene Frist setzen, innerhalb derer sich der betroffene Arbeitnehmer über die Beibehaltung der Vertraulichkeit zu erklären hat. Fehlt es hieran, mangelt es regelmäßig an den mit der gebotenen Eile durchgeführten Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts. Dabei ist ferner zu prüfen, ob der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an der Bitte um Vertraulichkeit hat und welche Vorwürfe Gegenstand der Mitteilung sind. Soweit diese beispielsweise Anlass zu der Annahme geben, dass eine konkrete Gefährdung anderer Arbeitnehmer besteht, wird es in aller Regel an der Berechtigung einer Bitte um Vertraulichkeit fehlen. Allerdings kann ein Arbeitgeber, der sich die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung offenhalten will, auch im Fall der Erkrankung des Arbeitnehmers, mit dem aus berechtigtem Interesse zunächst eine Vertraulichkeit vereinbart wurde, nicht beliebig lang zuwarten, bis dieser sich zu einer Entbindung von der Vertraulichkeit entschließt. Dies wäre mit dem Normzweck des § 626 Abs. 2 BGB nicht zu vereinbaren.
(BAG, Beschluss vom 27.06.2019 — 2 ABR 2/19)
Betrieb nach § 3 BetrVG — Stilllegung
Eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer nach § 15 Abs. 1 bis Abs. 3a KSchG geschützten Person ist gemäß § 15 Abs. 4 KSchG ohne besondere Voraussetzungen zulässig, wenn „der Betrieb“ stillgelegt wird. § 15 KSchG enthält ebenso wie das gesamte Kündigungsschutzgesetz keine eigene Definition des Betriebsbegriffs. Es gilt daher der allgemeine Betriebsbegriff, der im Wesentlichen demjenigen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG entspricht. Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern unter Einsatz von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt. Eine aufgrund einer Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG errichtete betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit stellt für sich genommen ohne entsprechende Organisationstruktur keinen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar.
Bei der durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung gewillkürten Einheit handelt es sich lediglich um die nach § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG ausdrücklich auf das Betriebsverfassungsgesetz begrenzte Fiktion eines Betriebs, die für das Kündigungsschutzgesetz ohne Bedeutung ist. Das gilt auch für § 15 KSchG. Der Annahme, eine gemäß § 3 Abs.1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gebildete betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit sei als Betrieb im Sinne von § 15 Abs. 4 KSchG anzusehen, stünden auch die Rechtspositionen der in anderen, nicht von der Stilllegung betroffenen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer entgegen. Ordentliche Kündigungen, die vom Arbeitgeber auf § 15 Abs. 4 KSchG gestützt werden, sind Kündigungen aus dringenden betrieblichen Gründen im Sinne von § 1 Abs. 2 und 3 KSchG. Die Anwendbarkeit von § 15 Abs. 4 KSchG muss deshalb im Kontext dieser Bestimmungen beurteilt werden, die insgesamt der individualrechtlichen Zuweisung von Beschäftigungsrisiken für die betroffenen Arbeitnehmer dienen.
Das Kündigungsschutzgesetz wird gekennzeichnet durch eine im Wesentlichen auf den Beschäftigungsbetrieb lokalisierte Betrachtungsweise. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG muss die Kündigung bedingt sein durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. Steht dies fest, ist die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG gleichwohl sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Die Sozialauswahl erfolgt stets innerhalb des Betriebs. Sie erstreckt sich auch dann nicht auf Arbeitnehmer anderer Betriebe des Unternehmens, wenn eine betriebsübergreifende Versetzungsklausel vereinbart ist. In den in § 15 Abs. 1 bis 3a KSchG bestimmten Fällen kommt regelmäßig nur eine außerordentliche Kündigung in Betracht, die zudem gegebenenfalls der Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG bedarf. Die geschützten Personen sollen mit Rücksicht auf ihre besondere Stellung grundsätzlich von der Bedrohung durch eine ordentliche Kündigung ausgenommen sein. Eine solche ist allerdings ausnahmsweise zulässig, wenn der Arbeitgeber einen Betrieb (§ 15 Abs. 4 KSchG) oder doch eine Betriebsabteilung (§ 15 Abs. 5 KSchG) stilllegt. Der Gesetzgeber hat die wegen der Stilllegung ausgesprochene Kündigung für in der Regel „unverdächtig“ erachtet und typisierend angenommen, es gehe dem Arbeitgeber nicht (nur) darum, sich von unliebsamen Akteuren der Betriebsverfassung zu trennen. Dementsprechend hat er es bei der Anknüpfung des Kündigungsschutzgesetzes an den Beschäftigungsbetrieb belassen. Wird dieser insgesamt stillgelegt, kann das Arbeitsverhältnis einer geschützten Person zum Zeitpunkt der Stilllegung nach den allgemeinen Grundsätzen aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigt werden. Der Amtsträger kann — wie andere betriebsangehörige Arbeitnehmer — nur verlangen, auf einem Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb des Unternehmens beschäftigt zu werden, wenn dieser frei ist. Eine betriebsübergreifende „Verdrängung“ von Arbeitnehmern findet nicht statt.
Im Übrigen soll § 15 KSchG zum einen den dort geschützten Personen die erforderliche Unabhängigkeit bei der Ausübung ihres Amtes gewährleisten. Sie sollen nicht durch Furcht vor einer ordentlichen Kündigung davor zurückschrecken, Aufgaben im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes zu übernehmen oder übernommene Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen, auch wenn dabei Konflikte mit dem Arbeitgeber auszutragen sind. Dieser Zweck wird auch erreicht, wenn die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gebildete betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit für sich genommen keinen „Betrieb“ im Sinne von § 15 KSchG darstellt. Es verbleibt bei dem Grundsatz der ordentlichen Unkündbarkeit. § 15 Abs. 4 und Abs. 5 KSchG kommen weiterhin nur zur Anwendung, wenn ein Betrieb oder doch eine Betriebsabteilung im Sinne der allgemeinen Begriffe stillgelegt wird.
§15 KSchG soll zum anderen die Kontinuität der Betriebsratsarbeit sichern und das Kollegium für die Dauer der Wahlperiode vor einer personellen Auszehrung schützen. Auch insofern gilt, dass es nur bei Stilllegung eines Betriebs oder doch einer Betriebsabteilung im Sinne der allgemeinen Begriffe zu einer personellen Ausdünnung des Gremiums durch den Ausspruch ordentlicher Kündigungen kommen kann. Insoweit gilt ebenfalls das gleiche Schutzniveau, wie es ohne eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG bestünde.
(BAG, Urteil vom 27.06.2019 — 2 AZR 38/19)
Betriebsratstätigkeit — Freizeitausgleich

Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für eine Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen nach § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Fällt die Betriebsratstätigkeit eines in Wechselschicht arbeitenden Betriebsratsmitglieds in dessen schichtfreie Zeit, wird sie daher aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit durchgeführt.
Betriebsratstätigkeit — Freizeitausgleich
Betriebsratstätigkeit liegt nicht nur dann „außerhalb der Arbeitszeit“ im Sinne von § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, wenn sie zusätzlich zu der durch Arbeitsleistung oder erforderliche Betriebsratstätigkeit bereits ausgefüllten vertraglichen Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds geleistet wird. Vielmehr kommt es für den Freizeitausgleichsanspruch nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ausschließlich darauf an, ob die Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen zu einer Zeit zu leisten ist, zu der das Betriebsratsmitglied keine Arbeitsleistung zu erbringen hätte.
Der Freizeitausgleich betrifft die Folgen einer notwendigen Abweichung von dem Grundsatz, dass Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden hat. Er soll verhindern, dass Betriebsratsmitglieder, die aus betriebsbedingten Gründen ihre Betriebsratstätigkeit nicht während der Arbeitszeit ausüben können, durch den Verlust persönlicher Freizeit benachteiligt werden. Der Freizeitausgleich soll also nicht in erster Linie eine überobligatorische Arbeitsbelastung kompensieren. Es geht vielmehr vornehmlich um einen Ausgleich für die betriebsbedingte Aufopferung persönlicher Freizeit, in der das Betriebsratsmitglied üblicherweise seinen Freizeitaktivitäten nachgehen und diese entsprechend planen kann.
Wie bereits der Wortlaut des § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG ergibt („ist … zu gewähren“), bedarf die Gewährung von Freizeitausgleich keiner Einigung, sondern einer empfangsbedürftigen gestaltenden Erklärung des Arbeitgebers, mit der er zum Zweck der Erfüllung des Anspruchs auf Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG auf sein vertragliches Recht auf Leistung der geschuldeten Dienste in einem bestimmten Umfang verzichtet und die Arbeitspflicht des Betriebsratsmitglieds zum Erlöschen bringt. Es handelt sich damit um eine Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit im Sinne von § 106 Satz 1 GewO. Mit der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung wird zugleich auch die Zeit bestimmt, während derer ein Arbeitnehmer keine Arbeit zu leisten hat.
Beide Festlegungen unterliegen dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO. Das ermöglicht es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB zu bestimmen. Der Arbeitgeber kann danach bei der zeitlichen Lage der Gewährung des Freizeitausgleichs zwar nicht einseitig auf seine Bedürfnisse abstellen. Es ist aber nicht unbillig, wenn er den Freizeitausgleich in eine Arbeitsschicht des Betriebsratsmitglieds legt, um arbeitszeitrechtlichen Wertungen und dem Erholungsbedürfnis des Betriebsratsmitglieds im Zusammenhang mit einer außerhalb der Schicht liegenden Betriebsratstätigkeit zu genügen.
(BAG, Urteil vom 15.05.2019 — 7 AZR 397/17)
