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Im Blick: Arbeitsrecht : Never ending Secondment?

Auslandsentsendungen und grenzüberschreitende Matrixorganisationen sind längst keine Seltenheit mehr.

Arbeitsrecht
Lesezeit 3 Min.

Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2024 – 12 Sa 1001/23

Auslandsentsendungen und grenzüberschreitende Matrixorganisationen sind längst keine Seltenheit mehr. Dass ein befristetes Secondment zu einer Never ending story werden kann, zeigt das Urteil des LAG Düsseldorf.

Verortung des Urteils

Unternehmen agieren zunehmend international und entsenden ihre Mitarbeiter in verschiedene Länder, um dort Projekte zu leiten, neue Märkte zu erschließen oder spezifische Aufgaben zu erfüllen. Diese Praxis bringt zahlreiche Vorteile mit sich, wie den Austausch von Wissen und Erfahrungen sowie die Förderung der internationalen Zusammenarbeit. Gleichzeitig stellen sich jedoch auch rechtliche und organisatorische Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf Arbeitsverträge und deren Befristungen.

Der Sachverhalt

In dem vorliegenden Fall war der Kläger seit 2008 für die Beklagte tätig. Grundlage war ein Anstellungsvertrag vom 24.10.2007. Danach wurde der Kläger als Key Account Manager für den Bereich C & I (Corporate & International) Channel für die Region Frankfurt eingestellt. Im Jahr 2009 vereinbarten der Kläger und die Beklagte – unter Beteiligung der Einsatzgesellschaft – die Entsendung des Klägers zu der britischen Konzernmuttergesellschaft.

Der Einsatz sollte zunächst sechs Monate dauern. Der Kläger blieb weiterhin Arbeitnehmer der Beklagten, die auch die Vergütung an den Kläger weiter auszahlte. D. h. während der Auslandstätigkeit bestand der deutsche Vertrag fort. Die Tätigkeit für die ausländische Muttergesellschaft, die im Wesentlichen vom Homeoffice aus in Deutschland erbracht wurde, erfolgte letztlich als konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung. Die Entsendung wurde mehrfach durch dreiseitige Vereinbarung bis Ende 2020 verlängert.

Über den Entleihungszeitraum absolvierte der Kläger einen beruflichen Aufstieg in Gehalt und Position. Im Juni 2020 informierte die britische Konzerngesellschaft die Beklagte, dass die Entsendung nicht über den 31.12.2020 hinaus verlängert werde. In der Folge sprach die Beklagte, bei der kein Beschäftigungsbedarf für den Kläger bestand, verschiedene Kündigungen aus.

Die Entscheidung

Der Kläger begehrte nun die Feststellung, dass die Entsendung nicht zum 31.12.2020 endete, sondern unbefristet fortdauert. Das LAG gab ihm recht und stellte fest, dass das Arbeitsverhält nis der Parteien mit dem Inhalt der Entsendungsvereinbarung in der Form der Ausgangsvereinbarung vom 11.05.2009 bis zum 28.05.2009 (im Folgenden Ausgangsvereinbarung) in Verbindung mit der letzten Befristungsvereinbarung vom 01.08.2019 bis zum 11.12.2019 (im Folgenden letzte Befristungsvereinbarung) über den 31.12.2020 hinaus fortbesteht.

Warum? Das LAG sah in den sich wiederholenden Entsendungsschreiben Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die wiederum der rechtlichen Inhaltskontrolle nicht standhielten. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen.

Eine solche Benachteiligung des Klägers sah das Gericht in der fortlaufenden befristeten Verlängerung der Entsendung des Klägers über mehr als 11 Jahre:

Die Wertungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) sähen den unbefristeten Vertrag als Regelfall eines Arbeitsverhältnisses vor, während befristete Verträge die Ausnahme bleiben sollen. Dies gelte auch für einzelne Aspekte des Arbeitsvertrags wie Arbeitszeit, Position und Vergütung. Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen laufe zudem § 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zuwider, der für solche Konstellationen das Instrument der Änderungskündigung vorsehe. Aus diesen Gesichtspunkten ergebe sich – so das LAG – für den Kläger ein schützenswertes Interesse an einer unbefristeten Vereinbarung seiner erreichten Position und seines Gehalts.

Die Beklagte wendete ein, den Kläger nicht entsprechend beschäftigen zu können, was einen Schaden im sechsstelligen Bereich verursachen würde. Zudem würde ihr damit das Risiko der Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers bei der Entleiherin aufgebürdet. Diese Argumente wies das LAG scharf zurück. Die Ungewissheit über den künftigen Arbeitskräftebedarf gehöre zum unternehmerischen Risiko, das nicht auf die Arbeitnehmer verlagert werden könne.

Konsequenzen für die Praxis

Die AGB-Regelungen gelten auch in konzerninternen Konstellationen. Hier nahm das Gericht die  Unwirksamkeit der über 11 Jahre andauernden Befristung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB an.

Nach dem LAG gehört die Ungewissheit der Einsatzmöglichkeit für die ausländische Muttergesellschaft zum unternehmerischen Risiko der deutschen Arbeitgeberin. Der Aspekt der gesicherten Rückkehrmöglichkeit spielte hier bei der Abwägung im Rahmen von § 307 Abs. 1 BGB keine Rolle, weil das Arbeitsverhältnis mit der bisherigen Arbeitgeberin mit den geänderten Einsatzbedingungen in Bezug auf die Tätigkeit für die ausländische Muttergesellschaft, das Gehalt und die Position fortbestand.

Praxistipp

Praxistipp

Konzerninterne Entsendungen sollten immer anlassbezogen und vorübergehend erfolgen. Gerade bei langfristigen Einsätzen sollte ein Vertrag mit der jeweiligen Einsatzgesellschaft geschlossen werden. Insbesondere, wenn der Einsatz überwiegend aus dem Ausland erbracht wird, ist das mit Blick auf die sich ansonsten stellenden weiteren Rechtsunsicherheiten die beste Option.

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