Aus der FALG-Gruppe : Unklare Regelungen
Nach so vielen Monaten im Ausnahmezustand werde ich immer öfter durch die Beiträge der Mitglieder der Facebookgruppe „Fachassistent/in Lohn und Gehalt“ darauf aufmerksam gemacht, dass verstärkt Abrechnungsprobleme bei Fällen auftreten, die gesetzlich nicht klar geregelt wurden.
So etwas passiert natürlich, wenn man spontan Anpassungen vornimmt und Ideen in den Raum wirft – die dann unausgereift beschlossen werden. Es fängt beim Infektionsschutzgesetz und Quarantäne an und hört beim Kurzarbeitergeld auf. Gerade bei Letzterem ist so Vieles unklar.
Nur ein Beispiel:
Der Antrag auf Kurzarbeitergeld wird von der Agentur für Arbeit abgelehnt, weil die 10-Prozent-Hürde nicht erreicht wurde. Der Arbeitgeber hat aber eine Vereinbarung über die Abrechnung von Kurzarbeitergeld mit seinen Arbeitnehmern getroffen. Müssen die Abrechnungen nach der Ablehnung nun korrigiert werden? Ich meine ja, da sonst Sozialversicherungsbeiträge und Steuern nicht korrekt abgeführt wurden – einige Kolleg*innen aber haben sich bei verschiedenen Stellen (Agentur für Arbeit, Rentenversicherungsprüfer) erkundigt und mitgeteilt bekommen, die Abrechnungen können so bleiben.
Wie ist der vorgenannte Fall zu behandeln, nur mit dem Unterschied, dass der Arbeitgeber vergessen hat, den Antrag auf Kurzarbeitergeld einzureichen?
Anderer Fall:
Der Arbeitnehmer hat die Vereinbarung zur Abrechnung von Kurzarbeitergeld unterschrieben, kündigt aber und sollte nach einhelliger Meinung mit dem Gehalt laut Arbeitsvertrag und ohne Kurzarbeitergeld abgerechnet werden (die Erstattung durch die Agentur für Arbeit würde sowieso entfallen). Hier wurde in der Gruppe von einem Arbeitsgerichtsurteil berichtet, nach dem die Richterin der Abrechnung von Kurzarbeitergeld zustimmt. Unverständlich, aber nehmen wir das jetzt mal so hin, so sollte man meiner Ansicht nach zumindest die tatsächlichen Sozialversicherungsbeiträge sowie die Steuer manuell berechnen und abführen – aber selbst das wurde wohl von der Richterin ausgeschlossen.
An dieser Stelle also die Frage des Tages: Wie sollen wir unsere Arbeit korrekt erledigen, wenn das Gesetz nichts Handfestes liefert? Wenn wir alle abwarten, wie in ein paar Jahren eventuell die Prüfer entscheiden (die ja aktuell auch mit ihren Antworten geringfügig auseinanderdriften), wird es teuer und arbeitsintensiv.

Sollen wir unsere Entscheidungen zur korrekten Abrechnung würfeln? Eine Umfrage starten?
Uns fehlt Rechtssicherheit. Das eigentlich Schlimme dabei ist, dass selbst die einzelnen Behörden völlig unwissend sind und diverse voneinander abweichende Aussagen treffen. Gesetze sind so schwammig geschrieben, dass auch Arbeitsrechtler kapitulieren.
Wenigstens gab es vor Kurzem eine Abstimmung im Bundestag zur Reform des Infektionsschutzgesetzes.
Hoffen wir, dass hier nun Lücken geschlossen werden und nicht neue Unklarheiten aufkommen. Aber wenn es denn nur um diese recht neuen Fragestellungen gehen würde. Das Thema der 44-Euro-Gutscheine konnten wir noch immer nicht abschließen. Seit Jahresbeginn warten wir auf das klärende Schreiben des Bundesfinanzministeriums. Wir haben November, das Jahr ist fast rum. Bestenfalls haben die Mandanten unseren Rat befolgt und zunächst auf bestimmte Gutscheinvarianten verzichtet, im schlechten Fall aber eben leider nicht.
Es wirkt auch langsam nicht mehr glaubwürdig, wenn wir unseren Mandanten immer wieder sagen müssen: „ist vom Gesetzgeber noch nicht geregelt“. Eine Kollegin hat in der Gruppe einen schönen Begriff geprägt: „Beratungsnirwana“. Das beschreibt unsere aktuelle Situation so ziemlich genau.
Wir brauchen dringend Rechtssicherheit und einheitliche Aussagen. Unterschiede von Bundesland zu Bundesland bei den einzelnen Beschlüssen zur Eindämmung von COVID-19 sind ja aktuell normal, aber gerade in einem so sensiblen Bereich wie der Lohn- und Gehaltsabrechnung völlig unangebracht und sogar gefährlich.
Daher eine Bitte von den Lohn- und Gehaltsabrechnern Deutschlands an den Gesetzgeber: Schaffen Sie Klarheit, denn aktuell baden wir aus, was von Ihnen im Frühjahr aus der Not heraus geboren wurde. Informieren und schulen Sie Ihre Behörden, damit unsere Nachfragen auch einheitliche Aussagen zur Folge haben. Dann können wir auch wieder mit gutem Gewissen unsere Arbeit erledigen. Vielen Dank und bleiben Sie gesund!
Annette Bastigkeit