Free

Wandel im Blick – Arbeitswelten der Zukunft : Digitalisierung 2021/2022

Der Bundestag hat am 07.05.2020 das Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, das sog. 7. SGB IV-Änderungsgesetz verabschiedet. Inhaltlich regelt es Neuerungen für die Digitalisierung in der Entgeltabrechnung.

Lesezeit 8 Min.
Abstraktes Finanzkonzept mit einer dynamischen Überlagerung von Börsendiagrammen und Trends, die Bewegung und Aktivität an den Märkten anzeigen, integriert in Personalmanagement-Strategien.

Änderungen im Melderecht bis 2021

Einige Regelungen traten bereits zum 01.07.2020 in Kraft, und nun folgen in den kommenden Jahren weitere Änderungen. Die papiergebundene Mitgliedschaftsbestätigung der gesetzlichen Krankenkassen wurde 2021 nach einem kurzen Einführungszeitraum abgeschafft. Die Vorlagepflicht einer (Papier-)Mitgliedsbescheinigung bei Beginn einer Beschäftigung nach § 175 Abs. 2 SGB V wurde ab dem 01.01.2021 durch eine Mitteilung des Beschäftigten dem Arbeitgeber gegenüber ersetzt.

Arbeitgeber erhalten seither aus Anlass einer Anmeldung eine elektronische Bestätigung der Mitgliedschaft. Zudem wird das Kennzeichen „Mehrfachbeschäftigung“ ab dem 01.01.2022 in der Datenerfassungs- und übermittlungsverordnung (DEÜV) gestrichen, in der Praxis wird bereits ab 01.01.2021 darauf verzichtet. Die bisherige Verpflichtung des Arbeitgebers, die elektronisch erhaltene Entsendebescheinigung A1 auszudrucken und dem Arbeitnehmer auszuhändigen, führte insbesondere in zeitkritischen Fällen zu Problemen. Daher erfolgte zum 01.01.2021 zusätzlich eine gesetzliche Änderung in dem Sinne, dass der Arbeitgeber nun verpflichtet ist, die Bescheinigung dem Arbeitnehmer unverzüglich zugänglich zu machen.

Änderungen im Melderecht ab 2022

Mit dem 7. SGB IV-Änderungsgesetz wird zum 01.01.2022 die Angabe des Geburtslands in den Datenbaustein Geburtsangaben (DBGB) aufgenommen. Sofern keine Versicherungsnummer in der Meldung enthalten ist, muss das Geburtsland bei Anmeldungen, bei einer gleichzeitigen An- und Abmeldung und bei Sofortmeldungen angegeben werden. Bisher muss das Geburtsland in Anmeldungen ohne Versicherungsnummer nur angegeben werden, wenn der Mitarbeiter eine europäische Versicherungsnummer hat, die in der Meldung angegeben wird. Für ein fehlerfreies Verfahren ist es jedoch nötig, vom Arbeitgeber neben dem Geburtsort immer auch das Geburtsland zu erhalten.

Auch wenn eine Versicherungsnummer bei der Datenstelle der Rentenversicherung abgerufen wird, müssen ab 01.01.2022 Geburtsland und Geburtsort angegeben werden. So soll eine höhere Trefferquote bei der Ermittlung einer vorhandenen Versicherungsnummer erreicht werden.

Tabelle Digitalisierung 2021
Tabelle Digitalisierung 2021

Angaben zur Steuer in Meldungen für Aushilfen

Die Minijob-Zentrale hat für geringfügig Beschäftigte neben den Pauschalabgaben zur Sozialversicherung (Kranken- und Rentenversicherung) auch die Lohnsteuer (Pauschsteuer) einzuziehen. Um in diesen Verfahren eine höhere Transparenz herzustellen, sind künftig in den Meldungen zur Minijob-Zentrale zusätzlich die Steuernummer des Arbeitgebers, die Steuer-ID der Beschäftigten gem. § 139b Abgabenordnung (AO) sowie die Art der Besteuerung anzugeben.

Die Pflicht zur Angabe reduziert sich auf Entgeltmeldungen. Obgleich die Informationen damit erst nach Ablauf des Kalenderjahres (Jahresmeldung) oder nach Ablauf der Beschäftigung (Abmeldung) vorliegen, ist dies eine Verbesserung im Verhältnis zum bestehenden Verfahren. Diese Regelung ist zwar bereits zum 01.01.2021. in Kraft getreten, wird aber erst zum 01.01.2022 umgesetzt.

Rückmeldung bei Mehrfachbeschäftigungen

Die Minijob-Zentrale meldet dem Arbeitgeber ab dem 01.01.2022 unmittelbar nach Eingang der Anmeldung eines kurzfristig Beschäftigten zurück, ob zum Zeitpunkt der Anmeldung für den Beschäftigten weitere geringfügige Beschäftigungen nach § 8 Abs. 1 Nummer 2 SGB IV bestehen oder in dem vorausgehenden Zeitraum im Kalenderjahr bestanden haben. Da die Rückmeldung unverzüglich nach Eingang der Anmeldung zu erstellen ist, können nur die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Eingangs der Anmeldung abgebildet werden. Eine Korrektur der Rückmeldung bei Änderungen der Meldehistorie erfolgt nicht.

Elektronische Befreiung von der Rentenversicherungspflicht

Berufsständisch versorgte Arbeitnehmer müssen grundsätzlich bei jeder Beschäftigungsaufnahme die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht neu beantragen. Der Antrag wird bislang über das Versorgungswerk gestellt, das den Antrag um die Daten zur Mitgliedschaft ergänzt und der Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund zuleitet. Diese prüft den Antrag und sendet dem Arbeitnehmer den Befreiungsbescheid zu, der diesen Bescheid dann wiederum im Lohnbüro vorlegt. Dieser gesamte papierbezogene Prozess wird nun digitalisiert. Ab 01.01.2022 können sich die in Versorgungswerken Pflichtversicherten von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf elektronischen Antrag beim Versorgungswerk befreien lassen. Das Versorgungswerk meldet die Antragsdaten in elektronischer Form der DRV Bund.

Meldeverfahren zu Arbeitsunfähigkeits- und Vorerkrankungszeiten

Im Rahmen des Datenaustausches (eAU – § 109 Abs. 1 SGB IV sowie § 125 Abs. 5 SGB IV) wird ein elektronisches Meldeverfahren zu Arbeitsunfähigkeits- und Vorerkrankungszeiten an den Arbeitgeber geregelt, das ab dem 01.01.2022 durchzuführen ist. Im Fall der Ausstellung eines Krankenscheins ist dem Arbeitgeber zum Abruf bereitzustellen: der Name des Beschäftigten, der Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit, das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung. Neu sind Anhaltspunkte, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall oder auf Unfallfolgen beruht. Ebenso neu sind für die Fälle der stationären Krankenhausbehandlung neben dem Namen des Beschäftigten der Beginn, die voraussichtliche Dauer und das Ende des stationären Krankenhausaufenthalts.

Das Abrufverfahren für geringfügig Beschäftigte wird vereinfacht. Arbeitgeber können auch für geringfügig Beschäftigte die Arbeitsunfähigkeitsdaten bei der gesetzlichen Krankenkasse abrufen.

Pflicht zur Nutzung des rvBEA-Verfahrens

Neben der Bundesagentur für Arbeit brauchen auch die 16 Rentenversicherungsträger (Bund, Region sowie Knappschaft, Bahn und See) die Entgeltdaten bei der Gewährung von Geldleistungen. Die Rentenversicherungsträger benötigen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben Daten über Beschäftigungsverhältnisse. Wenn ihnen Daten fehlen, können sie diese über das „rvBEA-Verfahren“ bei den Arbeitgebern anfordern.

Bisher wurde lediglich ein Teilverfahren umgesetzt, nämlich „GML57“ zur Anforderung der gesonderten Meldung nach § 194 SGB IV (DEÜV-Meldung mit Abgabegrund 57). Diese gesonderte Meldung erfolgt für Mitarbeiter, bei denen der Renteneintritt bevorsteht. Das Verfahren GML57 war bis zum 30. Juni 2021 für die Arbeitgeber optional und setzte voraus, dass sich die Arbeitgeber bei der Datenstelle der Rentenversicherungsträger (DSRV) in Würzburg registriert hatten. Seit dem 1. Juli 2021 wurde GML57 zum Pflichtverfahren, eine Verfahrens-Registrierung entfällt damit. Arbeitgeber müssen mindestens einmal wöchentlich prüfen, ob die DSRV Meldungen anfordert. In der Regel übernehmen die Entgeltabrechnungsprogramme diese Prüfung.

Ab dem 01.01.2022 wird die Deutsche Rentenversicherung im Rahmen von rvBEA auch Bescheinigungen anfragen. Zunächst handelt es sich um das Bescheinigungsverfahren „ZUZA“. ZUZA steht für „Befreiung von Zuzahlung in Hinblick auf den Erhalt von Rehabilitationsmaßnahmen“. Ein Arbeitnehmer, der eine gewisse Einkommensgrenze unterschreitet, kann von der Zuzahlung in Bezug auf Rehabilitationsleistungen ganz oder teilweise befreit werden.

Die Zuzahlungsbefreiung wird durch die Rentenversicherung geprüft, wenn der Betroffene einwilligt: Dann werden bereits abgerechnete Entgeltwerte elektronisch angefordert und vom Arbeitgeber elektronisch zurückgemeldet. Außerdem wird ein weiteres Teilverfahren ab 01.07.2022 für alle Arbeitgeber obligatorisch:

„rvBEA-BEEG“ (ehemals „ELFE“). rvBEA-BEEG bedeutet: „Bescheinigung zum Antrag auf Elterngeld“. Dieses Teilverfahren soll Eltern den Elterngeldantrag erleichtern. Ab dem 01.07.2022 fragen die Rentenversicherungsträger im Auftrag der Behörden, die für das Elterngeld zuständig sind, die erforderlichen Entgeltbescheinigungsdaten beim Arbeitgeber elektronisch ab. Die erhobenen Daten übermitteln sie anschließend an die entsprechende Behörde. Arbeitgeber mussten bei der Nutzung des rvBEA-Verfahrens bislang den Arbeitnehmer dahingehend aufklären, dass er der Übertragung widersprechen kann. Dieses Widerspruchsrecht wird gestrichen.

Pflicht zur Nutzung des BA-BEA-Verfahrens

Die Inhalte der klassischen Arbeitsbescheinigung für die Gewährung von Arbeitslosengeld (ALGI) sind der Bundesagentur für Arbeit (BA) künftig ausschließlich über das BA-BEA-Verfahren mit dem Abrechnungsprogramm elektronisch zu übermitteln. Dies gilt auch für die Inhalte der bisherigen Bescheinigungen bei Anwendung des überstaatlichen Rechts oder bei Nebeneinkommen (§§ 312a, 313 SGB III). Durch die verpflichtende Nutzung des Verfahrens entfällt die Pflicht, den Arbeitnehmer vor Übermittlung auf sein Widerspruchsrecht hinzuweisen, da das Widerspruchsrecht entfällt. Damit erkennbar wird, welche Daten der Arbeitgeber übermittelt hat, lässt die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung über die erhaltenen Daten zukommen. Mit der Neufassung von § 313a SGB III wird für Arbeitgeber das elektronische Bescheinigungsverfahren zur Übermittlung der Arbeitsbescheinigung bei Beantragung des Arbeitslosengeldes verpflichtend ab 01.08.2022 eingeführt.

Digitalisierung 2021-8
Digitalisierung 2021-8

Erhebung von Daten bei Arbeitgeberkonten

Der Fragebogen zur Eröffnung eines neuen Arbeitgeberkontos als papiergebundenes Verfahren wird zum 01.01.2022 abgeschafft. In § 28a Abs. 3b SGB IV wird verfügt, dass der Arbeitgeber auf elektronische Anforderung der Einzugsstelle mit der nächsten Entgeltabrechnung die notwendigen Angaben zur Einrichtung eines Arbeitgeberkontos elektronisch zu übermitteln hat. In der Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zu Fragen des gemeinsamen Meldeverfahrens am 04.03.2021 wurden unter TOP 1 die untergesetzlichen Festlegungen zur Umsetzung der Regelung im Arbeitgeber-Meldeverfahren beschlossen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wurde das Inkrafttreten dieses Verfahrens auf den 01.01.2023 verschoben.

Unternehmernummer der Unfallversicherung:

Die Mitgliedsnummern der gewerblichen Berufsgenossenschaften, der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand werden ab 01.01.2023 in Abstimmung mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) e. V. durch eine neue Unternehmernummer abgelöst. Die Umstellung erfolgt automatisiert. Der Unternehmer erhält eine Mitteilung, aus der sich seine Nummer und die Nummern der ihm zugeordneten Unternehmen ergeben. Die Umstellung muss bis zum 31.12.2022 abgeschlossen sein. Ab dem 01.01.2023 wird dann im gesamten Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nur noch die nach einheitlichen Maßstäben aufgebaute Unternehmernummer als Kennzeichen für die Unternehmen verwendet. Die Unternehmernummer ist dann auch in den Jahresmeldungen zur Unfallversicherung zu verwenden, nach § 28a Abs. 2a SGB IV.

Elektronische Entgeltunterlagen

Mit dem 7. SGB IV-Änderungsgesetz soll der Rahmen für die „Entgeltabrechnung 4.0“ geschaffen werden. Entgeltunterlagen sollen nur noch elektronisch vorgehalten werden. Zudem haben Arbeitnehmer die Unterlagen ausschließlich in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Welche Entgeltunterlagen der Arbeitgeber vorzuhalten hat, regelt die Beitragsverfahrensverordnung (BVV). Hierzu gehören neben Mitgliedsbescheinigungen der gesetzlichen Krankenkassen und Immatrikulationsbescheinigungen der Hochschulen unter anderem auch Verzichtserklärungen von Aushilfen hinsichtlich der Rentenversicherungspflicht (Opt-out), der Nachweis der Elterneigenschaft sowie Verwaltungsakte der Krankenkassen zur Versicherungspflicht. Diese Unterlagen sind insbesondere Grundlage für die Feststellung in Betriebsprüfungen, ob die vom Arbeitgeber vorgenommenen versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilungen sachlich und rechnerisch zutreffend sind.

Elektronisch unterstützte Betriebsprüfung (euBP)

Die Prüfdienste der Deutschen Rentenversicherung werden künftig die arbeits-, sozialversicherungs- und steuerlich relevanten Unterlagen ausschließlich auf elektronische Weise abfordern und verarbeiten. Vor diesem Hintergrund sollten die bisher noch im Papierformat vorhandenen Unterlagen konsequent digitalisiert werden. Nach § 8 Abs. 2 BVV sind ab 2022 die dort genannten Unterlagen vom Arbeitgeber in elektronischer Form aufzubewahren. Bis zum 31.12.2026 kann sich der Arbeitgeber von der Führung elektronischer Unterlagen auf Antrag bei dem für ihn zuständigen Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung befreien lassen.

Herausforderungen für Arbeitgeber

Die sich daraus ergebenden Konsequenzen für Unternehmen sind abhängig davon, ob Unterlagen bereits teilweise oder vollständig digital (Digitale Personalakte) vorgehalten werden. Für die Unternehmen bieten sich nun zahlreiche Chancen, wenn dies zum Anlass genommen wird, die Digitalisierung auch hier umzusetzen, um den gewachsenen Anforderungen gerecht zu werden.

Raschid Bouabba, MCGB GmbH

Diesen Beitrag teilen: