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Die undurchsichtige Steuerfalle : ELStAM: Rachsüchtiges Lotto-Schachspiel mit Schiffe-Versenken

Ob Sie Schach spielen oder nicht – die meisten Menschen wissen, dass einfache Regeln zu komplexen Spielverläufen führen können. Ähnlich verhält es sich mit dem ELStAM-Verfahren, das auf den ersten Blick einfach erscheint, jedoch in der Praxis komplex und voller Stolperfallen ist.

Lesezeit 4 Min.

Die Personalabteilung als Schachspieler

Schauen wir uns ein Beispiel an. Ein Hauptarbeitsverhältnis wird im Februar 2024 rückwirkend zum 30.11.2023 per Monatsliste zum Nebenarbeitsverhältnis. Sie möchten eine lückenlose Abrechnung im Hauptarbeitsverhältnis erreichen.

Es gibt einen anderen Arbeitgeber, der zum 01.11.2023 im Nebenarbeitsverhältnis angemeldet hat. Wer aber hat Sie zum 30.11.2023 aus dem Hauptarbeitsverhältnis verdrängt? Agiert hier noch jemand, der Sie immer wieder zum Nebenarbeitgeber machen wird? Wie können Sie agieren, um den Handlungsspielraum bestmöglich zu nutzen?

Bei der Lösung müssen bestimmte Fristen berücksichtigt werden. So sind Anmeldungen in das Jahr 2023 nur bis zum 29.02.2024 möglich.

ELStAM sind auch für andere Arbeitgeber kompliziert, daher kann jede Auskunft zur Abmeldung des störenden Hauptarbeitsverhältnisses falsch sein. Sollte der Konflikt mit ihm weiterhin bestehen, können Sie nur innerhalb des Zeitfensters von sechs Wochen vor dem Versanddatum Ihrer Anmeldung als Hauptarbeitgeber eingetragen werden.

Jeder weitere Fakt, etwa ein Wechsel in einen anderen Unternehmensteil, fügt zusätzliche Komplexität hinzu.

Darf es eine Prise Lotto sein?

Die rückwirkende Anmeldung eines Hauptarbeitsverhältnisses ist oft ein riskantes Spiel. Melden Sie sich einen einzigen Tag zu spät an, wird das Versanddatum Ihrer Anmeldung als neuer Beginn des Hauptarbeitsverhältnisses betrachtet. Für den Zeitraum davor ist weder ein Haupt- noch ein Nebenarbeitsverhältnis angemeldet und es ist keine Korrektur mehr möglich.

Sie müssen eine Abwägung treffen. Nehmen Sie für den möglichen Gewinn von bis zu 14 rückwirkend angemeldeten Monaten das hohe Risiko in Kauf, gar keine Rückwirkung zu erreichen? Oder ziehen Sie den sicheren Gewinn von sechs Wochen vor?

Erschwerend sind Ihnen dabei Informationen über die andere handelnde Partei i. d. R. nicht bekannt.

ELStAM-Spaß mit Schiffe-Versenken-Effekt

Eine unsichere Informationslage entsteht nicht nur durch eine andere im Meldeverlauf agierende Partei. Sie ist vielmehr systematisch im Wesen des ELStAM-Verfahrens angelegt. Wie beim Spiel Schiffe-Versenken sehen Sie nur einen kleinen Ausschnitt der relevanten Daten, nämlich den Stand zum abgefragten Tag. Diesen haben Sie in die Zukunft zu verlängern. Eine verpasste Meldung oder eine falsche Reihenfolge kann dazu führen, dass für einen langen Zeitraum die Daten im System nicht mehr korrekt sind.

Selbst wenn Sie alles richtig machen, bleiben relevante Details verborgen – etwa zeitliche Lücken zwischen fremden Hauptarbeitsverhältnissen, die Ihrer Abrechnung zugutekommen könnten.

Erschwerend kommt hinzu: Das ELStAM-Verfahren eröffnet rechtliche Grauzonen, die den Sachbearbeitern Freiheitsgrade für eigenen Entscheidungen lassen. Diese Freiheitsgrade können verunsichern, insbesondere wenn die Informationslage ohnehin lückenhaft ist.

Blinde Kuh und SAP – zusätzliche Herausforderungen

Bei der Nutzung von SAP ergibt sich eine zusätzliche Herausforderung: Manche Organisationen lassen ihre Mitarbeiter regelrecht „Blinde Kuh“ spielen.

Jede steuerlich relevante Dateneingabe kann An- oder Abmeldungen auslösen. Selbst Experten sind manchmal von den entstehenden Meldungen überrascht. Nur durch Simulation der Meldungserstellung lässt sich sicher vorhersagen, welche Meldungen tatsächlich erzeugt werden – und diese Möglichkeit wird Sachbearbeitern in manchen Unternehmen verwehrt.

Hinzu kommt, dass ELStAM-Vorgänge oft erst nach mehreren Durchläufen der Programme abgeschlossen sind. Das SAP-System reagiert äußerst empfindlich auf Änderungen von Stammdaten während eines laufenden Meldeprozesses, und dies kann zu überraschend viel Chaos führen. Wenn nur die Infotypen als Informationsquelle genutzt werden, lässt sich dieser Zustand jedoch leicht übersehen.

Warum „rachsüchtig“?

Es mag übertrieben erscheinen, das harte Wort Rachsucht auf ein EDV-Verfahren anzuwenden. Doch in der Praxis zeigt sich, dass Fehler und Unachtsamkeiten bei ELStAM langanhaltende Nachwirkungen haben können, die sich auch Jahre später nicht auswachsen und mühsame Korrekturen erfordern.

Was können Sie tun?

Das ELStAM-Verfahren lässt sich nicht umgehen, aber Sie können sich vor den Fallstricken schützen.

Dieser Artikel soll Sie für die Komplexität und die Stolperfallen des Verfahrens sensibilisieren. Als Manager haben Sie nun vermutlich eine bessere Vorstellung davon, warum das ELStAM-Verfahren als besonders schwieriger Zeitfresser wahrgenommen wird.

Die gute Nachricht ist: Durch ein besseres Verständnis der Spielregeln im „ELStAM-Schach“ gewinnen Sie bzw. Ihre Mitarbeiter enorm an Handlungssicherheit.

Die Lotto-Natur des Verfahrens verschwindet dadurch nicht. Doch ausgestattet mit einer Sicherheit in der Anwendung des Regelwerks verliert sie einen Teil ihres Schreckens.

Eine weitere Verbesserung erreichen Sie durch das Ausfüllen der rechtlichen Grauzonen mit firmeneigenen Regeln.

Bezüglich der Schiffe-Versenken-Eigenschaften des ELStAM-Verfahrens sind Sie gegenüber der ELStAM-Clearingstelle machtlos. Die Nutzung von Anzeigereports und Simulationsmöglichkeiten ist wesentlich, um zumindest einen Überblick darüber zu bekommen, wie sich der Meldeverlauf im System darstellt. Gehört Ihr Unternehmen zu den „Blinde-Kuh-Spielern“, haben Sie ein enormes Verbesserungspotenzial, indem Sie Zugang zu Anzeigereports und zur Simulation der Meldungserstellung schaffen. Verbunden mit einer kurzen Nutzungs-Schulung werden Sie positive Wirkungen jeder hinzugefügten Informationsquelle bemerken.

Ergänzen Sie eine Terminierung der Programmläufe, die die vollständige Auswirkung einer Pflegeaktion auf den ELStAM-Meldeverlauf direkt am nächsten Arbeitstag in den Stammdaten zeigt. Insbesondere sei die zweimalige Ausführung des gesamten Meldezyklus aus Aus- und Eingangsprozess an den von Ihnen gewählten ELStAM-Programmlauftagen empfohlen.

Mit diesen Verbesserungsvorschlägen haben Sie eine große Chance auf einen ruhigen und sicher beherrschten ELStAM-Verlauf. Ergänzen Sie dies durch eine regelmäßige und häufige Nutzung des Checktools, und Sie brauchen auch die Rachsucht des Verfahrens nicht zu fürchten.

Angela Spietschka, Referentin, ELStAMExpertin, Autorin der ELStAM-Kundeninformation der abresa GmbH

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