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Betriebsprüfung : Sozialversicherungsrechtliche Haftungsrisiken in der Entgeltabrechnung

Zahlreiche gesetzliche Änderungen rücken verstärkt in den Fokus der Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung. So riskieren Arbeitgeber nach einer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) den Verlust der Sozialversicherungsfreiheit von steuerfreien oder pauschal versteuerten Zuwendungen an Arbeitnehmer nach den neuen strengen Vorgaben.

Raschid BouabbaFokus
Lesezeit 7 Min.

Haftungsfalle: Benefits

Die mögliche Beitragspflicht auf Sachzuwendungen trotz Pauschalversteuerung bereitet, wie auch die Problematik, was zum Arbeitsentgelt gehört und trotz Steuerfreiheit sozialversicherungspflichtig ist, immer wieder Kopfzerbrechen in den Lohnbüros. So entsteht der Eindruck, als müssten sämtliche steuerfreien Zuwendungen (Sachleistungen bis 50 Euro monatlich) und Erstattungen (z. B. Reisekosten) über die monatliche Lohnabrechnung gesteuert werden, um die Beitragsfreiheit nicht zu gefährden. Tatsächlich genügt es hier – wie bisher – nach erfolgter steuerlicher Beurteilung und Behandlung die gesetzlichen Vorgaben der Dokumentation für den einfachen Nachvollzug einzuhalten. Doch was ist die Folge, wenn die steuerliche und damit die beitragsrechtliche Abrechnung nicht im laufenden Monat erfolgt?

Haftungsfalle: Betriebsveranstaltung

Damit Zuwendungen des Arbeitgebers anlässlich einer Betriebsveranstaltung, die oberhalb des Steuerfreibetrags liegen, nicht beitragspflichtiger Arbeitslohn sind, ist es aus Sicht des BSG erforderlich, dass deren pauschale Besteuerung bereits mit der entsprechenden Entgeltabrechnung durchgeführt wird. In einem Urteil vom 23.04.2024 (Az. B 12 BA 3/22 R) führt das BSG aus, dass pauschal besteuerte Zuwendungen grundsätzlich sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt darstellen, es sei denn, die Besteuerung der Zuwendungen erfolgt mit der Entgeltabrechnung für den jeweiligen Abrechnungszeitraum. Die Nachholung der pauschalen Versteuerung von Zuwendungen im Rahmen einer Betriebsveranstaltung im September 2015 erst Ende März 2016 – wie das im entschiedenen Fall geschah – genüge nicht, um von einer Beitragsfreiheit zur Sozialversicherung auszugehen.

In der Urteilsbegründung ist dargelegt, dass spätestens mit der Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung – die bis zum 28.02. des Folgejahres vorzunehmen ist – die Pauschalbesteuerung der Zuwendungen sozialversicherungsrechtlich nicht mehr mit der Entgeltabrechnung möglich sei.

Zudem dürfe ein unterbliebener sozialversicherungsrechtlicher Abzug vom Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber grundsätzlich nur bei den drei nächsten Gehaltszahlungen nachgeholt werden. Hier ist dringend zu raten, die Pauschalversteuerung für Zuwendungen für Betriebsveranstaltungen direkt in dem Lohnabrechnungszeitraum abzuwickeln, in welchem die Betriebsveranstaltung tatsächlich stattgefunden hat.

Haftungsfalle: Phantomlohn

Auch kommt es häufig zu unterschiedlichen Auffassungen über die Beitragspflicht des Differenzbetrags zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und den (höheren) Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers nach einem Tarifvertrag (sog. Phantomlohn-Rechtsprechung), aber auch über die Umlagepflicht (U1, U2, Insolvenzgeldumlage) des Arbeitsentgelts eines Minijobbers oder (neuerdings häufiger) die Beitragspflicht von Zulagen, z. B. auch im Erholungsurlaub. Hier ist die scharfe Unterscheidung zwischen laufenden Arbeitsentgelten (Grundlohn, Urlaubsentgelt, Vergütung für Mehrarbeit etc.) und einmalig gezahlten Arbeitsentgelten (Sonderzahlungen, Urlaubsgeld etc.) relevant. Denn der Arbeitgeber haftet nicht nur gegenüber dem Arbeitnehmer für die Zahlung der zu vergütenden Arbeitszeit sowie der entsprechenden gesetzlichen Freistellungen.

Nicht zuletzt haftet der Arbeitgeber gegenüber den Sozialversicherungsträgern auch für die korrekte Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nebst Umlagen. Diese Rechtsfolge trifft den Arbeitgeber insbesondere auch dann, wenn Arbeitszeiten – egal ob vorsätzlich, grob fahrlässig oder schlicht aus Unkenntnis – nicht vergütet werden. Dieser Sachverhalt wird unter dem Begriff Phantomlohn im Sozialversicherungsrecht abgebildet. Die Vermittlung der gesetzlichen Vorgaben sowie der rechtssicheren Umsetzung bei Mandanten stellt für Fachanwälte im Arbeitsrecht und gleichermaßen für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer immer wieder eine große Herausforderung dar. Denn die Beitragspflicht entsteht in dem Moment, wo ein Beschäftigter vergütungspflichtige Arbeitszeit erbringt und in der Folge einen Rechtsanspruch auf die Auszahlung von laufendem Arbeitsentgelt erhält.

Hier bereiten die arbeitsrechtlichen Varianten der Bereitschaftszeiten immer wieder große Probleme. So ist die Rufbereitschaft (Erreichbarkeit ohne örtliche Festlegung durch den Arbeitgeber) Freizeit und nicht zu vergüten. Dagegen ist der Bereitschaftsdienst (mit Festlegung des Aufenthaltsorts durch den Arbeitgeber) stets vergütungspflichtige Arbeitszeit. Die gesetzlichen Bestimmungen sind unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) stets und zeitnah umzusetzen.

Haftungsfalle: Statusfeststellung

Die Prüfschwerpunkte variieren von Jahr zu Jahr. Im Mittelpunkt der Betriebsprüfung stehen zunehmend Statusfragen. Dies gilt regelmäßig bei der Frage, ob geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH als Beschäftigte oder Selbstständige anzusehen sind, in Ehegattenarbeitsverhältnissen, vorrangig aber im Zusammenhang mit dem Verdacht auf Scheinselbstständigkeit. Dieses Gebiet ist in den letzten Jahren in vielen Facetten geprüft worden, sei es beim Fahrer ohne eigenes Fahrzeug, sei es bei Familienhelfern, Masseuren oder Pflegepartnern, Familienbetreuern sowie zuletzt bei Honorarkräften in Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen.

In jüngerer Zeit sorgte das sogenannte Herrenberg-Urteil bundesweit für Aufregung. Es handelt sich um ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28.06.2022 (B 12 R 3/20 R) zum Fall einer Klavierlehrerin an der städtischen Musikschule Herrenberg. Danach genügt bereits die Eingliederung der Lehrerin in den Betrieb der Musikschule, um eindeutig feststellen zu können, dass sie nicht selbstständig ist. Seit 2021 erlassen die Rentenversicherungsträger für den Fall der obligatorischen Statusfälle vor dem Hintergrund des BSG-Urteils vom 19.09.2019, Az. B 12 R 25/18 R im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsprüfungen Verwaltungsakte über den sozialversicherungsrechtlichen Status von im Betrieb tätigen Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern, Abkömmlingen des Arbeitgebers und geschäftsführenden GmbH-Gesellschaftern, sofern sie nicht gemeldet sind und noch kein Verwaltungsakt über ihren sozialversicherungsrechtlichen Status vorliegt. Dies kann ein Verwaltungsakt einer Krankenkasse, eines Rentenversicherungsträgers bei der Betriebsprüfung oder der Clearingstelle sein. Seit dem Jahr 2005 besteht für diese Personen ein zwingendes (obligatorisches) Statusfeststellungsverfahren durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (§ 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Strafrechtliche Folgen der Beitragsvorenthaltung

Die Beitragsvorenthaltung ist strafbar gemäß § 266a Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB). Gleichzeitig entsteht auch ein Schadensersatzanspruch der Einzugsstelle gemäß § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Höhe der Arbeitnehmerbeitragsanteile zur Sozialversicherung. Der Schadensersatzanspruch ist nach der Rechtsprechung selbst dann gegeben, wenn der Arbeitgeber, ohne Lohn bzw. Gehalt an seine Arbeitnehmer gezahlt zu haben, die Arbeitnehmerbeitragsanteile zur Sozialversicherung bei Fälligkeit nicht an die Einzugsstelle abführt, obwohl es ihm möglich gewesen wäre.

Verjährung von Beitragsansprüchen

Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge verjähren vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren erst nach 30 Jahren (§ 25 Abs. 1 SGB IV).

Rückforderungen beim Arbeitnehmer maximal drei Monate

Gemäß § 28 g SGB IV kann der Arbeitgeber jedoch den auf den Arbeitnehmer entfallenden Anteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags von diesem zurückverlangen. Dieses ist indes nur dann möglich, wenn der unterbliebene Abzug bei den nächsten drei Entgeltzahlungen auch nachgeholt werden kann. Später kann er nur dann nachgeholt werden, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist.

Risiko: geldwerter Vorteil der Arbeitnehmerbeiträge

Die Arbeitnehmeranteile, die vom Arbeitgeber nicht zurückgefordert werden können, stellen einen geldwerten Vorteil dar, sodass sie lohnsteuerpflichtig sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 28o Abs. 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Zu diesen Pflichten gehört, dem Arbeitgeber die zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung erforderlichen Angaben zu machen und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

Elektronisch unterstützte Betriebsprüfung

Im Jahr 2019 wurden auf damals freiwilliger Basis bereits 40 Prozent aller Betriebsprüfungen mithilfe der elektronisch unterstützten Betriebsprüfung (euBP) durchgeführt, das waren fast 313.000 Prüfungen. Im Jahr 2020 ist der Anteil der Prüfungen, die elektronisch durchgeführt wurden, wegen der besonderen Umstände in der Corona-Krise noch einmal kräftig gestiegen: Ende Oktober lag dieser Anteil bei 54 Prozent. Seit dem 01.01.2023 ist die euBP grundsätzlich verpflichtend, soweit es die Daten der Entgeltabrechnung betrifft. Auf Antrag des Arbeitgebers kann der zuständige Rentenversicherungsträger allerdings für Zeiträume bis 31.12.2026 auf die Übermittlung der Daten verzichten. Die prüfrelevanten Daten aus der Finanzbuchhaltung konnten bis Ende 2024 freiwillig übermittelt werden, ab 01.01.2025 ist deren Übermittlung verpflichtend. Ziel ist es, die Betriebsprüfung mit den Daten maschinell zu unterstützen und den Aufwand einer herkömmlichen Betriebsprüfung für alle Beteiligten zu verringern.

Summenbeitragsbescheid

Nach § 28f Abs. 2 SGB IV kann – nur – der Rentenversicherungsträger bei Verletzung der gesetzlichen Aufzeichnungspflichten durch den Arbeitgeber die Beiträge zur Sozialversicherung und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz aus der Summe der gezahlten Arbeitsentgelte erheben (§ 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Ist die Summe dieser Arbeitsentgelte jedoch nicht bekannt, können diese auch geschätzt werden (§ 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV). Dies setzt voraus, dass die personenbezogene Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht oder der Beitragshöhe wegen der Verletzung der Aufzeichnungspflichten nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich ist. Ein Summenbeitragsbescheid reduziert gleichzeitig in nicht unerheblichem Maße den Dokumentationsaufwand beim Arbeitgeber. Bezieht sich ein Summenbeitragsbescheid auf Arbeitsentgelte gemeldeter Arbeitnehmer, ist auf die erfassten Kalenderjahre eine Quotierung der beim Arbeitgeber am 01.07. vertretenen Krankenkassen vorzunehmen. Eine Versteuerung entfällt in diesen Fällen.

Gute Vorbereitung – Prüfung erfolgreich bestehen

Die Kenntnis der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen ist mindestens jährlich abzusichern und die gesetzlichen Vorgaben sind in die laufenden Prozesse einzupflegen. Durch praxisbezogene Schulungen sind die betroffenen Führungskräfte zu sensibilisieren. Die weitere Digitalisierung der Prozesse wird die professionelle Arbeit im Lohnbüro keinesfalls ersetzen. Sie wird sich vielmehr weg von der reinen Lohnsachbearbeitung hin zu einem vernetzten Lohnmanagement entwickeln. Die operativ befassten Mitarbeiter sind durch standardisierte Arbeitsweisen auch unter Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) in die Lage zu versetzen, die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeiten effizient auszuführen und die notwendigen Aufzeichnungen, Bescheinigungen und Dokumentationen für Prüfzwecke vorzuhalten. Dabei werden die Fach- und Führungskräfte von internen und externen Beratern und Referenten unterstützt. Das ist notwendig, denn der Beratungsbedarf durch die immer komplexer werdenden gesetzlichen Bestimmungen wird deutlich steigen. Die Kenntnis der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen sowie deren Umsetzung in der betrieblichen Praxis kann nur noch im Team erfolgreich bewerkstelligt werden.

Raschid Bouabba, MCGB GmbH

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