Lohnsteuer – KOMPAKT für die Personalpraxis : Zumutbare Entfernung zwischen Hauptwohnung und Arbeitsstätte für die doppelte Haushaltsführung
Wie viele Kilometer müssen zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte liegen, um eine doppelte Haushaltsführung zu bejahen, sodass die Mehrkosten als Werbungskosten oder als steuerfreie Erstattung vom Arbeitgeber anerkannt werden können?
Die Richter des Finanzgerichts Münster haben mit Urteil vom 06.02.2024 zum Aktenzeichen 1 K 1448/22 E die Frage erneut beurteilt.
Sachverhalt
Der Arbeitnehmer und Kläger war als Geschäftsführer bei der H GmbH & Co. KG in E tätig. Die Entfernung zwischen der Wohnung des Arbeitnehmers in S und seiner Arbeitsstätte in E beträgt ca. 30 km. Er mietete in E eine Zweitwohnung mit einer Wohnfläche von 46,11 qm an. Zuvor hatte er eine Ferienwohnung in D angemietet. Die Kosten für die Wohnung und den Umzug machte er zusammen mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung geltend.
Das Finanzamt lehnte die Kosten als Werbungskosten ab. Zur Begründung war in dem Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen beruflich bedingten Wohnungswechsel und eine beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung aufgrund der nur geringen Entfernung zwischen S (Hauptwohnsitz) und E nicht vorlägen. Dagegen klagten die Eheleute. Auch wenn es sich hier um einen Fall der Werbungskosten handelt, ist die Frage für Arbeitgeber relevant. Viele Arbeitnehmer beziehen bei einem Arbeitsplatzwechsel eine Unterkunft und behalten den Lebensmittelpunkt bei. Der Arbeitgeber darf in diesen Fällen ebenfalls Kosten der Unterkunft steuerfrei erstatten (§ 3 Nr. 16 Einkommensteuergesetz (EStG)). Aber auch hierfür müssen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG vorliegen.
Entscheidung
Die Richter des Finanzgerichts bestätigten die Entscheidung des Finanzamts.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt aber nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Die Regelung findet sich in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG.
Wesentlich ist somit, dass der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort auseinanderfallen.
Dies bestätigten auch die Richter. Eine doppelte Haushaltsführung ist nach Ansicht der Richter nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer in einer Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen einen Zweithaushalt führt und auch der vorhandene eigene Hausstand am Beschäftigungsort belegen ist. In diesem Fall fallen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort nicht auseinander.
Nachweislich befanden sich der Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers im entschiedenen Fall und der Beschäftigungsort in unterschiedlichen Orten. Aber dies allein ist nicht ausreichend.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist der eigene Hausstand grundsätzlich auch am Beschäftigungsort belegen, wenn dieser es dem Arbeitnehmer ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen ermöglicht, seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen. Dies bedeutet, Hausstand und Arbeitsstätte können in unterschiedlichen Gemeinden liegen, ohne dass eine doppelte Haushaltsführung vorliegt, weil die Strecke täglich pendelbar ist. Die Richter gehen hier von Wegezeiten von etwa einer Stunde aus. Diese Wegezeit ist täglich zumutbar.
Die Entscheidung darüber, ob die fragliche Wohnung so zur Arbeitsstätte gelegen ist, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht. Hierbei müssen alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls gewürdigt werden und insbesondere von den individuellen Verkehrsverbindungen und Wegezeiten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte abhängig gemacht werden.
Nach Ansicht der Richter ist die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein wesentliches, allerdings kein allein entscheidungserhebliches Merkmal. Eine Mindestentfernung zwischen Haupt- und beruflicher Zweitwohnung bestimmt das EStG nicht. Vor allem in großen Gemeinden ist es daher im Ausnahmefall möglich, dass sich Hausstand und Tätigkeitsstätte in derselben politischen Gemeinde befinden und trotzdem eine doppelte Haushaltsführung gegeben ist.
Nach Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort des Arbeitnehmers nicht auseinanderfallen. Es war ohne Weiteres möglich, die Arbeitsstätte in E von seinem ca. 30 km entfernten Hausstand in S aus mit dem Pkw ausweislich des Google-Maps-Routenplaners im Berufsverkehr innerhalb von 50 bis 55 Minuten zu erreichen.
Außer Betracht bleibt, dass die Fahrzeit aufgrund von Baustellen zeitweise im Einzelfall länger gedauert haben sollte. Außerhalb des Berufsverkehrs beträgt die Fahrzeit ausweislich des Google-Maps-Routenplaners lediglich ca. 30 Minuten. Auch sahen die Richter es nicht als maßgeblich an, dass die Strecke bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausweislich des Google-Maps-Routenplaners durchschnittlich eine Fahrtzeit von ca. 1,5 Stunden (einschließlich Fußwege zur Bushaltestelle sowie Umstiegs- und Wartezeiten) aufweist. Hierauf kommt es im Streitfall nach Auffassung der Richter schon deshalb nicht an, weil der Arbeitnehmer nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass er die Strecke, wäre er sie arbeitstäglich gefahren, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt hätte.
Der Arbeitnehmer hat im Streitjahr sowohl sämtliche durchgeführten Fahrten zwischen seinen Wohnungen in S und E als auch alle Fahrten zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte in E (Entfernung ca. 1 km) tatsächlich mit dem Pkw zurückgelegt. Beträgt die Entfernung zwischen Hauptwohnung und Arbeitsstätte mehr als 50 Kilometer, geht die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen davon aus, dass sich die Hauptwohnung außerhalb des Orts der Arbeitsstätte befindet. Im Ergebnis lehnten die Richter daher eine doppelte Haushaltsführung ab.
Praxishinweis
Auch Arbeitgeber müssen im Falle einer steuerfreien Erstattung die Voraussetzungen prüfen und dokumentieren. Zudem muss sich der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt noch finanziell an den Kosten des eigenen Hausstands beteiligen. Bei verheirateten Arbeitnehmern darf der Arbeitgeber von der zwingenden finanziellen Beteiligung ausgehen. Läge eine doppelte Haushaltsführung vor, so könnte der Arbeitgeber folgende Kosten steuerfrei erstatten:
- Fahrtkosten für den Umzug sowie für wöchentliche Familienheimfahrten sind verkehrsmittelunabhängig pauschal je vollen Entfernungskilometer einfacher Wegstrecke (0,30 Euro für jeden der ersten 20 Kilometer, 0,38 Euro ab dem 21. Kilometer) zu erstatten. Die Familienheimfahrten müssen tatsächlich durchgeführt worden sein. Aufwendungen für Familienheimfahrten mit einem dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassenen Kraftfahrzeug werden nicht berücksichtigt;
- Verpflegungsmehraufwendungen für die ersten drei Monate (14 Euro für Ab- und Anreisetag, 28 Euro je Zwischentag mit 24 Stunden Abwesenheit von der Wohnung);
- Unterkunftskosten in Höhe der dem Arbeitnehmer nachgewiesenen tatsächlich entstandenen Aufwendungen für die Nutzung der Wohnung oder Unterkunft (Miete, Betriebskosten, Kfz-Stellplatz etc.). Bei Eigentum dürfen die Abschreibung und die Zinsen statt der Miete geltend gemacht werden. Diese dürfen höchstens 1.000 Euro im Monat betragen. Die Prüfung der Notwendigkeit (z. B. Ein- oder Mehrzimmerwohnung) und der Angemessenheit (z. B. gehobene Ausstattung etc.) entfällt; auch auf die Zahl der Wohnungsbenutzer (Angehörige) kommt es nicht an;
- Umzugskosten in tatsächlicher Höhe oder pauschal;
- Erstausstattung der Wohnung in maximaler Höhe von 5.000 Euro.
Arbeitgeber sollten daher die Voraussetzungen ebenfalls prüfen.
Daniela Karbe-Geßler