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Rückkehr ins Büro – emotionale und kulturelle Herausforderungen : Schluss mit lustig?!

Die „Return to Office“-Policy hat die heile Homeoffice-Welt der letzten Jahre ordentlich erschüttert. Wo viele bereits ein sich anbahnendes Arbeitergrundrecht kommen sahen, fühlen sich die Zweifler und Kritiker fast schon triumphal bestätigt im Ende der „heimlichen Unproduktivität“.

Lesezeit 4 Min.

Ist der krasse Kurswechsel beim einstigen Flaggschiff des New Work wirklich derart notwendig oder steht hier sogar ein plakativer Aktionismus im Vordergrund für einen viel tiefgreifenderen Wandel?

Alles nur Gerüchteküche?

Wer hat nicht davon gehört oder gar den Nachbar beobachtet? Während der Pandemie wurde mal so nebenbei ein 1.000-Teile-Puzzle gelöst oder eine ganze Serie während der Arbeitszeit gestreamt? Als das ganze Land und gefühlt mehr als die halbe Welt gleichzeitig in den Homeoffice-Hype und einen gemütlichen Arbeits-Dornröschen-Schlaf daheim verfiel, wurde eine der vermeintlich bedeutendsten Schritte in der Ära des tiefgreifenden New-Work-Wandels gefeiert. Die Wirtschaft wackelt, die Zahlen stagnieren und fallen. Sollen daran gerade die Office Days gravierend etwas ändern können?

(Heimliche) Rückkehr zum Micromanagement?

Das Hauptargument der Unternehmen: Bei der vermehrten Rückkehr zur Präsenzpflicht ginge es vor allem um Aspekte wie Zusammenarbeit, die Teamdynamik und die Förderung des persönlichen Austauschs. Eine Führung vor Ort garantiert genauso wenig verbesserte Produktivität und effiziente Zusammenarbeit, wie sie im Homeoffice angeblich „zu wenig“ stattfinden könnte. Was ist darüber hinaus mit den unbestrittenen Vorteilen, wie zum Beispiel eine besser empfundene Bindung ans Unternehmen, die wahrgenommene Unterstützung durch die Flexibilität, die gewürdigte Leistung (auch durch Vertrauensvorschuss) und die damit einhergehenden geringeren Kündigungsabsichten? Ist der Verlust dieser Aspekte den Preis des direkten Zugriffs und der unmittelbareren Aufsicht wert?

Auf zum anderen Extrem?

Vor nicht allzu langer Zeit haben Firmen bewusst ihre Büroflächen verkleinert und begeistert herausposaunt, wie viel Geld dadurch gespart werden konnte. Von den vermehrten Homeoffice- und Remote-Regelungen profitierten auch Bewerber aus Gegenden mit schlechter verkehrstechnischer Infrastruktur oder mit körperlichen Einschränkungen. Gefragte Fachkräfte konnten Jobs annehmen, die für sie sonst wegen zu großer Entfernung und der Pendelzeit nicht in Frage gekommen wären. Das soll jetzt alles wieder „Schnee“ von gestern sein? Umso härter die Linie und der angekündigte (Gegen-)Kurs wirken, umso mehr stellt sich die begleitende Frage in Bezug auf grundsätzlich glaubwürdige unternehmerische Entscheidungsprozessen. Manch einer vermutet in der aktuellen Entwicklung sogar ganz Böses und sieht darin einen verschleierten und „billigeren“ Versuch, Leute ohne Abfindung loswerden zu wollen.

Ein Cartoon zeigt eine Person, die von einer großen Hand aus einem orangen Sofa gezogen wird. Die Person wirkt überrascht und lässt eine Schüssel mit Popcorn fallen. Eine Katze beobachtete das Geschehen vom hinteren Teil des Sofas aus. Um sie herum sind verschiedene Gegenstände verteilt, darunter eine Lampe, Kopfhörer und ein Laptop – typische Accessoires eines Home-Office-Arbeitsplatzes in der Entgeltabrechnung und Personalbetreuung.

Einfach weg mit den Werten?

Es bleibt unbestritten: Der Faktor Zeit ist eine der wertvollsten Ressourcen in unserem Leben und dazu können Homeoffice- und Remote-Arbeitsmodelle entscheidend beitragen. Ebenso ist für viele die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bereits fest an die bestehenden Formen der Flexibilität gekoppelt. Dabei sind die meisten Arbeitnehmer gar nicht so sehr dagegen, regelmäßig ins Büro zu kommen. Was das Thema so emotional aufwühlen lässt, ist das Gefühl, dass die Führung mehr Kontrolle anstrebt, was wiederum zu einem Verlust des Vertrauens führt. Es wird damit zu rechnen sein, dass gerade Jüngere empfindlicher auf die doch als recht tiefgreifend empfundenen Erschütterungen der derzeitigen Arbeitswelt reagieren. Sie haben längst gezeigt, was sie von möglichen Formen des Raubbaus im Arbeitsleben halten. Und dieses damit zusammenhängende kollektive Langzeitgedächtnis bleibt der Arbeitswelt durchaus noch etwas länger erhalten. Und es ist gekoppelt an die potenziell nachrückenden Fachkräfte, welche diese Entscheidungen nicht nur jetzt hinterfragen, sondern später mögliche „Kehrtwenden“ ebenso.

„Daumenschrauben“ statt Vertrauen?

Bereits Ende 2024 meldete die Computerwoche: Den messbaren Vorteilen zum Trotz geht der Trend dahin, dass 2025 definitiv wieder deutlich weniger flexibel gearbeitet wird. Der von den USA ausgehende Trend soll sich in den kommenden Monaten sogar weltweit weiter verschärfen. Und das obwohl eine Studie des Video-Conferencing-Anbieters „Owl Labs“ zeigt, dass die Rückkehr zur Büropflicht für ein Drittel der befragten Arbeitnehmer einen Kündigungsgrund darstellen könnte. Geht es also wirklich um mehr Produktivität oder nicht doch viel eher um das Gefühl von (Macht und) Kontrolle? Zugeschrieben wird der Wertewandel nämlich dem Habitus von CEO-Typen wie Elon Musk, Donald Trump oder Vivek Ramaswamy, welche ihre Zeichen wirtschaftlich und politisch ja sehr deutlich setzen.

Doch lieber die ideale Balance?

Was wurde also nun gefühlt über Nacht aus mehr Autonomie, einhergehend mit den überwiegend positiven Effekten? So viele Argumente es für die Präsenz auch geben mag, so sollte doch weiterhin unbedingt gesehen werden, dass sowohl die Kollaborationsergebnisse als auch Einzelleistungen wichtig sind – und die werden eben oft auch auf unterschiedliche Weise herbeigeführt. Und Führen aus der Ferne ist keine geheime Kunst, die sich nicht erlernen – und weiter verbessern – ließe. Das vermeintliche Ideal muss auch nicht automatisch eine 50:50-Quote mit sich bringen, Menschen, ihre Anforderungen, Fähigkeiten und Leistungsspektren sind unterschiedlich. Wird man das jetzt wieder alles schnell über Bord werfen und vergessen wollen?

Wer jetzt allzu stur auf seine (passenden) Erhebungen zum Thema „nachweisbare“ Leistungssteigerung durch Erhöhung der Anwesenheit beharren mag, sollte stark im Hinterkopf behalten, dass Frustration und Fluktuation ebenso wieder zu gravierenden (und schmerzlich) messbaren Indikatoren werden könnten. Es bleibt zu hoffen, dass die Wirtschaftskrise nicht durch ihre verschobenen „Machtverhältnisse“ wieder weg vom Arbeitnehmer- zum Arbeitgebermarkt den vielleicht „vorgeschobenen“ Vertrauensverlust zu einem bösen Bumerang werden lässt.

Fazit

Es sollte klug abgewogen werden, ob einem der allzu starke Ruck bei diesem doch ungleichgewichteten Tauziehen langfristig nicht noch schmerzhaft auf die Füße fallen wird. Wer Vertrauen verspielt, unterschätzt vielleicht nicht nur das kollektive Langzeitgedächtnis junger Talente, die bei der aktuellen Entwicklung noch längere Zeit die Wahl haben werden. Mitarbeiter, die bereits innerlich gekündigt haben, und notorische Low Performer können auch direkt im Büro nebenan sitzen. Denn das hat es auch schon alles einmal gegeben.

Dr. Silvija Franjic, Jobcoach und Redakteurin

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